Im Juli wird der Freistaat sein neues Gesetzespaket für mehr Artenschutz verabschieden. In Augsburg geht unterdessen der Streit um mehr Blühwiesen für Insekten in die nächste Runde. Naturforscher Eberhard Pfeuffer kritisiert, Umweltreferent Reiner Erben (Grüne) habe seine neueste Bilanz zum Mähen von städtischen Grünflächen „geschönt“. Auch andere sind mit den Bemühungen des Referenten gegen das Insektensterben noch nicht zufrieden.
Nach dem erfolgreichen Volksbegehren „Rettet die Bienen“ schauen Bürger genauer hin, wie viele Blühwiesen in der Stadt stehen bleiben dürfen, damit Insekten genug Nahrung finden. Die Augsburger Naturschutzallianz kritisiert schon länger, die Stadt lasse beauftragte Firmen zu früh mähen. Erben verweist im Gegenzug auf geltende Verträge mit Fremdfirmen für die Mäharbeiten. Diese könnten nicht vorzeitig gekündigt werden, sie laufen noch bis 2020.
Umweltreferent Erben sagt, es gebe bereits Erfolge
Erben sagte weiter, die Stadt versuche eine Trendwende bei der Grünpflege einzuleiten, man sei auf einem guten Weg. Mehr als ein Drittel des 630000 Quadratmeter großen Straßenbegleitgrüns werde bereits abgestimmt auf die Blühzeiten gemäht. Auch an Straßen und auf Grünflächen am Lech und in Wohngebieten werde das Amt für Grünordnung in diesem Jahr später den Rasenmäher einsetzen – auf insgesamt 6,2 Hektar.
Pfeuffer jedoch zweifelt an den jüngsten Zahlen des Umweltreferenten. Erbens Bilanz sei geschönt. „Wir bringen es auf großen Flächen in Augsburg immer noch nicht hin, dass Hummeln überleben können“, sagt der Naturforscher. Die Stadt habe auch dieses Jahr vor und während der Blüte zwischen Ostern und Mai fast das gesamte Grün entlang der Straßen mähen lassen. Ein besonders schlimmes Beispiel gebe es in Haunstetten. Dort sei eine letzte größere blühende Fläche im Straßenbegleitgrün beim Innovationspark zu früh entfernt worden. Dabei sei diese Wiese eine wichtige Verbindung zu Naturflächen in Richtung Süden gewesen – und ein Zufluchtsort für mobile Insektenarten.
Auch ÖDP-Stadtrat Christian Pettinger ist nicht zufrieden damit, wie die Stadt mit ihren Grünflächen umgeht. Er erinnert daran, dass der Umweltausschuss bereits im November 2017 ein Konzept zur ökologischen Grünflächenpflege bei der Verwaltung in Auftrag gegeben habe. Im Juli 2018 habe Erben dann über den Stand der Dinge berichtet. Pettinger sagt, insgesamt habe ihm der Bericht nicht den Eindruck vermitteln können, dass die Stadt mit der Umsetzung des beschlossenen Konzepts auf einem guten Weg sei. Ziel müsse sein, dass wild lebende Bestäubungsinsekten Überlebenschancen haben. Doch auch in diesem Jahr seien Bienenweiden in Haunstetten um Ostern auf „Golfrasen-Niveau“ eingekürzt worden.
Pettinger glaubt, dass längere Intervalle bei der Wiesenmahd und mehr Bienenweiden in der Stadt von den Bürgern akzeptiert werden. Das erfolgreiche Volksbegehren „Rettet die Bienen“ habe gezeigt, dass sehr viele Menschen weitere Schritte zur Rettung der Artenvielfalt für notwendig halten. In Augsburg hatten mehr als 20 Prozent der Wahlberechtigten bei dem Volksbegehren unterschrieben.
Viele Bürger wünschen sich angeblich kurzes Gras
Erben macht im Gegenzug geltend, das Gras müsse an vielen Stellen kurz bleiben, um die Straßen verkehrssicher zu halten. Er müsse als Referent bei der Pflege der Grünflächen auch einen Kompromiss für alle Bürger finden. Es gebe viele Augsburger, die sich kurzes Gras wünschen, etwa wegen Zecken und Hundekot. Auch auf Spiel- und Sportflächen sei kurzer Rasen nötig. Erben sagt weiter: „Man sollte auch überlegen, ob der ,zu frühe Schnitt‘ im Straßenbegleitgrün wirklich ein so großes Problem ist.“ Die Alternative wäre aus seiner Sicht eine zeitgleiche Mahd der Straßenränder und Grünanlagen im Juni. Dies sei aber in einem kurzen Zeitfenster logistisch und personaltechnisch schlichtweg unmöglich. Keine Mahd sei ebenfalls keine Alternative, da die Flächen sonst sehr rasch mit Gehölzen zuwachsen.
Pettinger hat im Zuge des anhaltenden Streits ums städtische Grün erneut einen Bericht von Referent Erben im Umweltausschuss beantragt. Und nachdem ÖDP und Naturschützer öffentlich Druck machen, meldet sich nun auch die Grünen-Fraktion zu Wort. Fraktionsvorsitzende Martina Wild sieht Augsburg zwar grundsätzlich auf einem guten Weg beim Artenschutz. Aber auch sie schlägt nun vor, mehr Blühwiesen stehen zu lassen.
Als Partner im städtischen Regierungsbündnis wollen die Grünen erreichen, dass ein Drittel der städtischen Flächen künftig erst nach dem 15. Juni gemäht wird – sofern sie nicht verkehrssicher gehalten werden müssen oder für Freizeitzwecke gebraucht werden. Ziel müsse sein, blütenreichere Bestände zu schaffen. Weiter wollen die Grünen ein neues Pilotprojekt für eine naturschutzfachlich korrekte Grünflächenpflege in einem Stadtviertel. Das Konzept soll vom Amt für Grünordnung und von der städtischen Landschaftspflege erarbeitet und später auf die ganze Stadt ausgedehnt werden. Nötig seien auch eine spezielle Schulung für städtische Mitarbeiter und eine neue Anlaufstelle für Bürger, die Fragen zur Biodiversität beantwortet.
Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Eva Maria Knab: Grüner Schaufensterantrag