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Augsburg: Rassismus-Debatte: Hat der Mohr bei den Sternsingern ausgedient?

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Rassismus-Debatte: Hat der Mohr bei den Sternsingern ausgedient?

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    Traditionell ziehen kurz nach Neujahr Sternsinger von Haus zu Haus, dieses Jahr sammeln sie für Kinder im Libanon und auf der ganzen Welt.
    Traditionell ziehen kurz nach Neujahr Sternsinger von Haus zu Haus, dieses Jahr sammeln sie für Kinder im Libanon und auf der ganzen Welt. Foto: Imago (Symbol/Archiv)

    Seit einiger Zeit wird in Augsburg diskutiert, ob der Name des Hotels „Drei Mohren“ noch zeitgemäß ist. Als „Wetten dass …?“ 2013 am Lech zu Gast war und die Bürger in der Stadtwette dazu aufrief, als Jim Knopf verkleidet zu erscheinen, ging ein Aufschrei durch die Republik, weil die Menschen mit geschwärzten Gesichtern in die Messehalle kamen. Beides, so der Vorwurf, sei politisch nicht korrekt.

    Rassismus-Debatte: Das Hotel Drei Mohren ließ sein Logo umarbeiten

    Hintergrund der Debatte ist der Umgang mit der deutschen Kolonialgeschichte und mit Rassismus. Das bisherige Logo des Augsburger Hotels, so die Kritik, zeige die typische Darstellung des schwarzen Sklaven im Kolonialismus, den „vereinfachten Negertypos ohne menschliche Züge“. Mehrfach empörten sich ausländische Gäste über dieses Logo, das Hotel hat es inzwischen umarbeiten lassen.

    Jim Knopf löste 2013 Kritik aus, weil es viele an das so genannte „Blackfacing“ erinnerte. Dabei handelt es sich um eine rassistische Tradition des 19. Jahrhunderts: Weiße Schauspieler malten sich ihr Gesicht schwarz an, um schwarze Menschen zu verhöhnen und stereotypisch darzustellen.

    In diesen Tagen ist das Thema so aktuell wie selten: Traditionell ziehen kurz nach Neujahr Sternsinger von Haus zu Haus, dieses Jahr sammeln sie für Kinder im Libanon und auf der ganzen Welt. Und sie bringen ihren Segen mit. Aber ist es heutzutage noch korrekt, dass Caspar, Melchior oder Balthasar dabei als Mohr auftreten?

    Die Schminke ist bei den Sternsingern unbeliebt

    Die Antwort auf diese Frage fällt in den Augsburger Pfarreien unterschiedlich aus. In Heilig Geist in Hochzoll etwa steht das Schminkzeug für den dunkelhäutigen König weiterhin auf dem Tisch, wenn sich die Kinder einkleiden. „Der Mohr ist bei uns immer der Balthasar“, sagt Jörg Mische vom Sternsingerteam. „Wir ermuntern die Kinder schon dazu, denn es hat ja auch Tradition und ich sehe das überhaupt nicht rassistisch. Aber wenn sie nicht wollen, dann müssen sie natürlich auch nicht“, erklärt Mische.

    Das eigentliche Problem sei eher die ungeliebte Schminke, die juckt und danach wieder runtergewaschen werden muss. Deshalb ziehen am Ende manche Gruppen mit, und manche ohne Mohr durch Hochzoll.

    Bei den Sternsingern  der Pfarrei Heilig-Geist in Hochzoll übernimmt Christel die Rolle des Mohren Balthasar. Mit dabei sind außerdem noch (von links) Theresa, Lina, Klara-Sofie und Johanna.
    Bei den Sternsingern der Pfarrei Heilig-Geist in Hochzoll übernimmt Christel die Rolle des Mohren Balthasar. Mit dabei sind außerdem noch (von links) Theresa, Lina, Klara-Sofie und Johanna. Foto: Bernd Hohlen

    In einigen Fällen habe sich die Frage, wer denn nun den Balthasar darstellt, ohnehin schnell erledigt. Wir haben auch Kinder mit afrikanischen oder indischen Wurzeln, die dann gerne die Rolle übernehmen“, sagt Jörg Mische.

    Nicht überall in Augsburg gibt es einen dunkelhäutigen Sternsinger

    Ähnlich ist es auch in der Pfarreiengemeinschaft Oberhausen-Bärenkeller. Dort gehen viele Kinder, deren Eltern aus aller Welt stammen, als Sternsinger von Haus zu Haus. Extra zum Mohren geschminkt wird hier niemand, wie Pastoralreferentin Julia Spanier erklärt. Denn der ursprüngliche Grund, warum einer der Könige im Mittelalter zum Mohren wurde, sei ja gewesen, die Vielfalt der Menschen zu zeigen.

    „Es ging bei der Figur des Mohren darum zu zeigen, dass Gott überall hinkommt und von allen Menschen zu allen Menschen gesandt wird. Unsere Kinder und Jugendlichen, von denen einige auch gar keinen katholischen Hintergrund haben, symbolisieren das schon so.“ Dass sich darum nun mancherorts eine Rassismusdebatte entsponnen hat, findet Julia Spanier schade. Sie selbst hat vor Jahren als Ministrantin in Lechhausen gerne die Rolle des Mohren übernommen. „Einfach um das Vielfältige zu zeigen. Und auch, weil man da ein besonderes Gewand hatte und einen Turban und keine Krone. Kinder denken bei so etwas viel unbeschwerter.“

    Von ihrer vorherigen Pfarrei in Oberbayern hat sie aber auch eine Begegnung mitgenommen, die sie in Erinnerung behalten hat: „Da hatten wir ein dunkelhäutiges Mädchen, die fand es blöd, wenn sich andere schwarz schminken.“ Ein sensibler Umgang mit dem Thema sei deshalb wichtig.

    Ganz entspannt sieht die Sache Pfarrer Gerhard Groll von der Pfarreiengemeinschaft Kriegshaber. „Wir haben einige afrikanische Sternsinger. Da kann es dann schon mal sein, dass in einer Gruppe gleich zwei Mohren mitlaufen, weil sie befreundet sind und zusammen gehen wollen, und dafür in einer anderen gar keiner.“ Auch in seiner Gemeinde haben Sternsinger die Möglichkeit, zur Schminke zu greifen. Doch in Kriegshaber ist das ebenfalls nicht sonderlich beliebt. „Die Kinder haben das nicht so gerne, weil es juckt.“

    Die Geschichte der Heiligen Drei Könige

    In der Bibel sucht man die Heiligen Drei Könige vergeblich. Bei Matthäus ist nur von Magiern und Sterndeutern die Rede. Erst im 6. Jahrhundert wurden sie zu Königen, da man annahm, dass nur Herrscher derart wertvolle Geschenke überreichen können. Und wohl auch, weil im Alten Testament prophezeit wurde, dass Könige das Kind beschenken würden.

    In alten Darstellungen sind teils mehr Könige zu sehen. Irgendwann setzte sich die Zahl drei durch. Vermutlich deshalb, weil sie mit Gold, Weihrauch und Myrrhe auch drei Gaben brachten. Im 9. Jahrhundert kristallisierten sich für die drei Könige langsam die Namen Caspar, Melchior und Balthasar heraus. Darstellungen eines schwarzen Königs gibt es seit dem 8. Jahrhundert. Zuerst war das Caspar, später Melchior.

    Wer den Mohr darstellt, unterscheidet sich von Kirchengemeinde zu Kirchengemeinde. Hintergrund war, dass die drei Könige die damals bekannten drei Erdteile Europa, Afrika und Asien repräsentierten. Der schwarze König stand für Afrika. Die Gebeine der Heiligen Drei Könige sollen im Kölner Dom liegen. (gau)

    Das kann Sternsingerin Rebecca, die für die Pfarrei St. Moritz unterwegs ist, nur bestätigen. „Es ist einfach umständlich. Man schwitzt, muss sich nach dem Essen nachschminken und die Gewänder werden auch schmutzig. Das mit der Schminke ist nicht sehr praktikabel“, verrät sie bei einem kurzen Aufwärmstopp im Pfarramt. Und Sternsinger Kilian findet: „Es ist doch egal, ob wir einen Mohr dabei haben. Wir haben gar keine Schminke.“ Eigentlich, finden die Sternsinger von St. Moritz, sollte das kein Thema sein. Dass es für manchen doch eines ist, haben sie bei ihrem Gang durch die Innenstadt erlebt: „Gestern haben uns ein paar Menschen auf der Straße gefragt, ob wir denn keinen Mohr dabei haben.“

    Auch Mesner Martin Harvolk findet, dass es beim Sternsingen nicht darum gehen sollte, wie in einem Theater etwas nachzustellen. „Jeder bringt seine eigenen Talente mit. Es kommt nicht aufs Verkleiden an, sondern darauf, in dieser Zeit zu leben und anderen Kindern und Jugendlichen zu helfen.“ Erwachsene machen sich da manchmal zu viele Gedanken, findet Harvolk. Er selbst kann sich noch gut an seine Zeit als Sternsinger erinnern. Wie kalt das Gesicht mit der schwarzen Schminke wurde, wenn einem der bittere Januarwind ins Gesicht wehte. „Die Kinder opfern schon ihre Zeit in den Ferien. Da muss man es ihnen nicht auch noch schwer machen.“

    Lesen Sie dazu auch: 1000 unterschreiben gegen den Hotelnamen "Drei Mohren"

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