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Augsburg: Prozess um Drogenring: Angeklagter will für den Geheimdienst gearbeitet haben

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Prozess um Drogenring: Angeklagter will für den Geheimdienst gearbeitet haben

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    Er wollte Augsburgs größter Drogendealer werden:  Richard S. (Name geändert, vorne) steht wegen Drogendelikten vor Gericht. Links im Bild ist sein Verteidiger, der Rechtsanwalt Mathias Grasel, zu sehen.
    Er wollte Augsburgs größter Drogendealer werden: Richard S. (Name geändert, vorne) steht wegen Drogendelikten vor Gericht. Links im Bild ist sein Verteidiger, der Rechtsanwalt Mathias Grasel, zu sehen. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Richard S. (Name geändert) ist ein Mann, der einem nicht groß auffiele, würde man ihm auf der Straße begegnen. In Augsburg, wo er laut Anklage der Staatsanwaltschaft einer der größten Drogendealer der Stadt werden wollte, war er im Milieu auch unter dem Tarnnamen "Marvin" bekannt. Der 40-Jährige hatte sich hier 2018 ein Geschäft im Schwabencenter gekauft und soll hinter der Fassade einen regelrechten Drogenring aufgezogen haben. Es geht in seinem Fall um enorme Mengen Rauschgift, mehrere Kilogramm Heroin etwa. Der Prozess gegen den Mann, der seit Oktober 2018 in U-Haft sitzt, lief bereits seit Wochen. Zuletzt hat der Angeklagte eine überraschende Aussage getätigt, warum er den Drogenhandel betrieben habe: Er sei V-Mann des deutschen Auslandsgeheimdienstes gewesen. Es half ihm nicht: Am Freitag erhielt er eine langjährige Haftstrafe.

    Richard S. schilderte in einem Verhandlungstag in dieser Woche, es sei bei seinem Job als V-Mann etwa um die Aufklärung von Strukturen des Drogenhandels aus dem Ausland gegangen. Eine wilde Geschichte, die umso wilder wäre, sollte sie auch nur ansatzweise stimmen. Der Angeklagte sagte auch, er habe sich regelmäßig mit einem V-Mann-Führer des Bundesnachrichtendienstes (BND) abgesprochen, und gab vor Gericht auch einen Namen zu Protokoll, unter dem er den Geheimdienstmann gekannt habe. Diesen vielleicht, vielleicht aber auch nicht existierenden Mann wollte die Verteidigung gerne als Zeugen laden. Viel dabei herum kam allerdings nicht: Der Bundesnachrichtendienst gab in einer kurzen Stellungnahme, die Staatsanwältin Saskia Eberle verlas, zu Protokoll, den Angeklagten nicht zu kennen.

    Prozess in Augsburg: Ermittler sprengten Drogenring

    Die Staatsanwältin machte deutlich, dass sie die komplette BND-Geschichte für wenig glaubhaft erachtet. Weitere Ermittlungen in diese Richtungen seien "entbehrlich", die entsprechenden Anträge der Verteidigung dienten aus Sicht der Staatsanwaltschaft ausschließlich der Verschleppung des Verfahrens. Zwar erinnerte sich ein Zeuge, im Geschäft im Schwaben-Center mal einen Anruf von einem Mann bekommen zu haben, der sich als Mitarbeiter des BND vorgestellt habe und Richard S. sprechen wollte. Dies führte aber auch nicht weit - außer zu einem skeptischen Stirnrunzeln der Vorsitzenden Richterin Maiko Hartmann, zumal sich der Zeuge ansonsten an nicht mehr viel erinnerte. Der Anrufer, fragte sie, habe sich also direkt als Mitarbeiter des Geheimdienstes zu erkennen gegeben? Ja, sagte der Zeuge, so sei es gewesen.

    Die 14. Strafkammer des Landgerichtes lehnte schließlich mehrere Beweisanträge der Verteidiger Mathias Grasel und Nina Atallah ab. Die Frage, ob der Angeklagte für den BND gearbeitet hat, war letztlich nicht viel mehr als ein Kuriosum eines an Außergewöhnlichkeiten ohnehin nicht gerade armen Verfahrens. Der Ton zwischen den Verfahrensbeteiligten wurde zuletzt rauer; der Prozess zog sich hin. Zuletzt stellte die Verteidigung einen Befangenheitsantrag gegen das Gericht, der aber abgelehnt wurde.

    Prozess um Dealer: Angeklagter kaufte im Darknet ein

    Seit Mai dieses Jahres lief der Prozess gegen den 40-Jährigen. Richard S. war ein ungewöhnlicher Angeklagter. Das Bild des smarten Kriminellen ist ein Klischee, das mit der Realität meist nicht viel gemein hat, der 40-Jährige aber ist eloquent und intelligent. Laut Anklage hatte Richard S. zunächst ab April 2018 größere Mengen Drogen über das Darknet gekauft und zu höherem Preis im Stadtgebiet weiterveräußert. Später soll er direkte Bezugsquellen in den Niederlanden gehabt haben. Richard S. hat diese Vorwürfe gegen ihn weitgehend eingeräumt, im Prozess aber seine Aussage später dahingehend abgeändert, dass er seine Drogen immer in Deutschland bezogen habe. Angaben zu Hintermännern und Lieferanten machte er konkret nicht. Seinem Wunsch nach einer Aufnahme in ein Zeugenschutzporgramm kam die Staatsanwaltschaft nicht nach.

    Zu zwei besonders großen und bereits in die Wege geleiteten Deals, dem Kauf von zwei Kilogramm Kokain und 5000 Ecstasy-Tabletten, kam es laut Anklage nicht mehr – zu dem Zeitpunkt der Abwicklung sei Richard S. bereits festgenommen worden. Die Ermittler hatten einen regelrechten Drogenring gesprengt; im Februar 2019 saßen acht Personen in Untersuchungshaft, die teils auch die Drogenszene am Oberhauser Bahnhof mit Stoff versorgt haben sollen. Nach seiner Festnahme packte Richard S. aus; die Staatsanwaltschaft führte aufgrund der Erkenntnisse des Verfahrens gegen ihn insgesamt 27 weitere Verfahren gegen mutmaßliche Abnehmer. In 14 Fällen davon mussten die Angeklagten später ins Gefängnis, einer von ihnen erhielt eine Haftstrafe von neun Jahren.

    Ganz so viel wurde es am Ende für Richard S. nicht. Die 14. Strafkammer verurteilte ihn am Freitag zu acht Jahren und vier Monaten Haft. Verteidiger Mathias Grasel hatte auf eine Haftstrafe nicht über fünf Jahre plädiert, auch wegen der umfangreichen Aussage seines Mandanten. Staatsanwältin Eberle forderte eine Haftstrafe von zehneinhalb Jahren für den Angeklagten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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