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Prozess in Augsburg: Wie ein Zahnarzt zum Geiselnehmer wurde

Prozess in Augsburg

Wie ein Zahnarzt zum Geiselnehmer wurde

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    Ein Zahnarzt soll einem Mann im Raum Augsburg eine Waffe an den Kopf gesetzt haben. Nun wurde er verurteilt.
    Ein Zahnarzt soll einem Mann im Raum Augsburg eine Waffe an den Kopf gesetzt haben. Nun wurde er verurteilt. Foto: Alexander Kaya (Symbol)

    Es war ein Telefonat, das das Leben mehrerer Beteiligter maßgeblich veränderte. Der Anruf einer verängstigten Frau aus dem südlichen Landkreis Aichach-Friedberg bei ihrem Chef, einem Zahnarzt aus München. Was nach dem Anruf folgte, ist nun, gut zweieinhalb Jahre später, juristisch abgeschlossen. Harald B.* aus München ist 38 Jahre alt und sozial engagiert, er hat eine eigene Praxis und ist bei seinen Patienten offenbar beliebt. Jetzt ist er ein verurteilter Geiselnehmer.

    Die 3. Strafkammer des Augsburger Landgerichtes hat ihn kürzlich zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die Richter gingen von einem minderschweren Fall aus. Für den Zahnarzt aus München hätte es noch dicker kommen können, als ohnehin schon. Denn auf Geiselnahme steht laut Gesetz ohne die Annahme eines minderschweren Falles eine Mindeststrafe von fünf Jahren. 2018 hatte Harald B. auch monatelang in Untersuchungshaft verbracht, ehe er aufgrund einer schweren Erkrankung aus dem Gefängnis entlassen wurde.

    Prozess in Augsburg: Zahnarzt wird Geiselnahme vorgeworfen

    Es war ein bizarrer Kriminalfall, der das Landgericht monatelang beschäftigte: Es ging um Männer aus der Mitte der Gesellschaft, die sich im Oktober 2017 den Ausraster ihres Lebens leisteten. An dem Abend saß ein 58-jähriger Unternehmer in seiner Stammkneipe in München, als sein Bekannter Harald B. hereinstürmte und ihn sowie einen weiteren Gast aufforderte, mitzukommen. Der Hintergrund laut Anklage: Im Wittelsbacher Land, wo die Mitarbeiterin des Münchner Zahnarztes lebte, stritt sich die hochschwangere Frau mit Onur K.*, ihrem früheren Lebensgefährten. Sie forderte ihn auf, die Wohnung zu verlassen, er wollte dies erst tun, sobald die Frau ihm schriftlich bestätigte, dass er der Vater ihres damals ungeborenen Kindes sei. Eine aufgeladene Konfliktsituation.

    Naheliegend wäre gewesen, die Polizei zu alarmieren, doch das tat die Angestellte eben nicht. Stattdessen rief sie ihren Chef an, den niedergelassenen Zahnarzt. Der sich daraufhin mit den zwei Bekannten aus der Münchener Gastwirtschaft auf den Weg ins Wittelsbacher Land machte. Sie fuhren Taxi und nahmen Baseballschläger und Gaspistole mit. Als sie vor Ort waren, passierte laut den Ermittlungen Folgendes: Ein Begleiter des Zahnarztes, der 58-jährige Geschäftsmann, soll Onur K. mit dem Baseballschläger von hinten fixiert haben. Der Zahnarzt wiederum zückte laut Anklage die Gaspistole und hielt sie Onur K. an den Kopf, drohte ihm: Er solle verschwinden und das Baby vergessen. Währenddessen warteten die Frau und der dritte Mann vor der Wohnung. Dann fuhren der Zahnarzt und der Geschäftsmann Onur K. mit dem Taxi zum Augsburger Hauptbahnhof, gaben ihm 500 Euro in die Hand und setzten ihn in einen Zug nach Frankreich, wo der Mann lebte.

    Prozess am Landgericht Augsburg: Urteil gegen Zahnarzt

    Die Ermittlungen gegen den dritten Mann aus dem Taxi, einen Fotografen, wurden irgendwann eingestellt, der 58-jährige Geschäftsmann aber landete 2018 auf der Anklagebank. Er wurde zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Er hatte die Vorwürfe zuvor eingeräumt. Ähnlich lief es nun nach einem zähen Prozess um den Zahnarzt ab. Auch dieser Angeklagte legte letztlich ein Geständnis ab. Nach Auskunft des Landgerichtes hatte die Staatsanwaltschaft auf eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren plädiert; die Verteidiger des Angeklagten, Richard Beyer, Alexander Eckstein und Thorsten Ebermann, forderten eine bewährungsfähige Strafe für ihren Mandanten.

    Die Kammer um den Vorsitzender Richter Roland Christiani verurteilt den Mediziner schließlich zur Bewährungsstrafe. Das Urteil ist bereits rechtskräftig. *Namen geändert

    Lesen Sie dazu auch: Einblicke nach Geiselnahme: So sieht es in der Forensik aus

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