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Prozess in Augsburg: Telefonbetrug: Spur falscher Polizisten führt von Augsburg in die Türkei

Prozess in Augsburg

Telefonbetrug: Spur falscher Polizisten führt von Augsburg in die Türkei

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    Vor allem ältere Bürger fallen oft auf betrügerische Anrufe herein.
    Vor allem ältere Bürger fallen oft auf betrügerische Anrufe herein. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

    Die Betrugsfälle durch Anrufer, die sich am Telefon als Polizeibeamte ausgeben, bleiben für Polizei und Justiz ein Dauerthema. Bundesweit sind bereits tausende Senioren auf falsche Polizisten hereingefallen, haben aus Furcht vor angeblichen Einbrechern oder kriminellen Bankmitarbeitern den Tätern hohe Geldsummen anvertraut. So begann am Amtsgericht das neue Jahr mit einem Prozess gegen den Geldabholer einer von mehreren Banden, die von der Türkei aus operieren. Der in Augsburg lebende 37-Jährige wurde wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betrugs zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt. Ein früherer Kommunalpolitiker im Augsburger Umland hat durch die Täter mehr als 100.000 Euro verloren.

    In Izmir haben türkische Sicherheitskräfte im Dezember 31 mutmaßliche Mitglieder eines illegalen Callcenters verhaftet. Die Festnahme erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Polizeipräsidium in München. Dort gibt es seit 2017 eine Arbeitsgruppe "Callcenter-Betrug“. Sie koordiniert bundesweit die Ermittlungen gegen Täter, die mit dieser Betrugsmasche arbeiten. Die jetzt in Izmir aufgeflogene Bande soll allein in Augsburg und Nordschwaben 15 Rentnerinnen und Rentner um ihre gesamten Ersparnisse, eine Summe von rund 750.000 Euro, betrogen haben.

    Spektakuläre Flucht des Angeklagten in die Türkei

    Unter den Festgenommenen ist auch Amar S. Der 32-Jährige hat, wie der Spiegel  berichtet, bis 2012 in Bremen gelebt, von wo er unter spektakulären Begleitumständen in die Türkei floh: Als Angeklagter vor Gericht stehend konnte er sich während einer Verhandlungspause aus seiner Arrestzelle in die Freiheit abseilen.

    In seinem Callcenter in Izmir hat Amar S. Mitarbeiter beschäftigt, die perfekt Deutsch sprechen mussten. Die von hier aus in Deutschland angerufenen Rentner sollten ja überzeugt sein, mit echten Kommissaren oder Staatsanwälten zu sprechen. Die Ersparnisse deutscher Senioren haben den 32-Jährigen offensichtlich reich gemacht. Er fuhr teure Autos. Ihm sollen auch mehrere Immobilien gehören, darunter drei Hotels, wo vermutlich auch Schwarzgeld gewaschen wurde. Die Polizei beschlagnahmte im Zuge der Festnahmen Vermögenswerte von mehr als 100 Millionen Euro.

    Prozess: Der Täter arbeitete in Augsburg als Paketfahrer

    Banden, die mit dieser Betrugsmasche arbeiten, finden ihre Opfer in Telefonbüchern. Dort suchen sie gezielt nach Menschen mit altmodisch klingenden Vornamen. Sie lassen vermuten, dass diese bereits im Rentenalter sind. Die Anrufer geben sich als Polizeibeamte aus. Geschickt fragen sie ihre Gesprächspartner nach ihren Vermögensverhältnissen aus, um dann vor Einbrechern zu warnen. Die Polizei, so erfahren die Angerufenen, würde für sie Geld und Schmuck sicher verwahren. Allein Nordschwaben wurden voriges Jahr 1400 solcher Betrugsversuche angezeigt. Doch in 14 Fällen waren die Täter erfolgreich.

    Der Prozess gegen den jetzt verurteilten Geldboten ging schnell über die Bühne. Vorab hatte der 37-Jährige über seinen Verteidiger Helmut Linck ein Geständnis angekündigt. Der in Augsburg als Paketfahrer arbeitende Türke ist mit einem der Drahtzieher dieser kriminellen Geschäfte verwandt, es ist sein Schwager.

    Telefonbetrug: Auch die Ehefrau holte Geld ab

    Bei Henri Beham (Name geändert), der in einer Augsburger Stadtrandgemeinde lebt, hatte sich vorigen Winter ein "Oberkommissar“ gemeldet. Der Anrufer überredete den 80-Jährigen, der Kripo als Köder zu helfen, eine Einbrecherbande zu fangen. Wie berichtet, hob Beham bei seiner Hausbank größere Geldbeträge ab, deponierte sie in Stoffbeuteln im Stadtgebiet an Parkbänken. Dort hat der Verurteilte einmal 370.00 Euro abgeholt, andere Male waren die Gelder von seiner Ehefrau abgeholt worden.

    Die 42-Jährige stand vorigen Dezember ebenfalls vor Gericht. Eine Strafkammer des Landgerichts verurteilte sie zu fast fünf Jahren Haft. Bereits nächste Woche findet erneut ein Prozess gegen Geldabholer der Bande statt. Beide Männer sollen allerdings ihre Auftraggeber ausgetrickst und 35.000 Euro für sich behalten haben.

    Hören Sie sich dazu auch unsere Podcastfolge über das (un)gerechte Leben in deutschen Gefängnissen an:

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