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Prozess in Augsburg: Sie weiß jetzt, wer der Mörder ihrer Mutter ist

Prozess in Augsburg

Sie weiß jetzt, wer der Mörder ihrer Mutter ist

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    Angelika Friedl, die Tochter des Opfers, ist mit dem Urteil zufrieden.
    Angelika Friedl, die Tochter des Opfers, ist mit dem Urteil zufrieden. Foto: Niklas Molter

    Im Leben von Angelika Friedl, 39, gab es viele Ungewissheiten. Sie ist bei Pflegeeltern aufgewachsen. Irgendwann erfuhr sie, dass es nicht ihre richtigen Eltern sind. Sie fand auch heraus, dass ihre Mutter nicht mehr lebt. Aber es dauerte noch länger, bis zum Jahr 2015, ehe sie von dem Mord erfuhr. Und davon, dass der Täter nicht gefasst wurde. Zumindest diese Ungewissheit hat für Angelika Friedl nun ein Ende. Das Augsburger Landgericht hat Stefan E., 50, zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Er hat vor mehr als 25 Jahren die Mutter von Angelika Friedl ermordet. Davon sind die Richter überzeugt.

    Fast eineinhalb Stunden spricht die Vorsitzende Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser am Freitagvormittag. Sie begründet ausführlich, weshalb die Richter nach dem mehr als 20-tägigen Indizienprozess davon ausgehen, dass Stefan E. der seit Jahrzehnten gesuchte Täter ist. Das Opfer Angelika Baron war 36, die Frau arbeitete auf dem Augsburger Straßenstrich. In der Nacht zum 25. September 1993 wurde sie getötet. Angelika Friedl, die Tochter, war damals noch ein Kind. Sie lebte zu dieser Zeit schon lange bei den Pflegeeltern und ahnte nichts.

    Mord: Das Augsburger Urteil stützt sich vor allem auf die DNA-Spuren

    Das Mordurteil stützt sich vor allem auf zahlreiche DNA-Spuren, die Stefan E. an der Kleidung des Opfers hinterlassen hat. Darunter seien auch Spuren, die nicht zu einem normalen Kunden einer Prostituierten passen – etwa ein genetischer Fingerabdruck an der linken Fußsohle und an der Innenseite des linken Sockens, in dem Angelika Baron ihre Einnahmen versteckte. Die Richter glauben auch einem Zeugen, der Stefan E. schwer belastet. Angelika Baron wurde erwürgt und mit einem 22 Zentimeter langen Möbelbein geschlagen. Der Zeuge, ein früherer Freund des Verurteilten, ist sich sicher, genau solch einen Möbelfuß im Jahr 1993 bei Stefan E. gesehen zu haben. Er habe damals einen kleinen Tisch entsorgt und sich ein Tischbein als Schlagstock in seinen BMW gelegt, sagt der Zeuge.

    Der Prozess lief seit Dezember. Angelika Friedl saß an mehreren Prozesstagen im großen Gerichtssaal des Strafjustizzentrums. Sie wohnt heute in Nordrhein-Westfalen, fuhr aber zuletzt mehrmals nach Augsburg, weil sie das Schicksal ihrer Mutter nicht loslässt. Auch zum Urteil kommt sie wieder in der Gerichtssaal. Sie ist aufgeregt, fürchtet einen Freispruch. Als die Richterin das Wort „Mord“ ausspricht, entfährt ihr ein lautes Schluchzen. Später wirkt sie erleichtert. Sie war sich lange unsicher, ob Stefan E. der Täter ist. Ob der Richtige auf der Anklagebank sitzt. Nach dem Urteil ist sie davon überzeugt. „Die Begründung der Richterin war sehr gut“, sagt Angelika Friedl. Stefan E. habe auf sie eiskalt und gefühllos gewirkt. Dass er nun für mindestens 15 Jahre hinter Gittern bleiben muss, hält sie für richtig. Sie hoffe, sagt sie, dass sie nun damit abschließen kann.

    Angeklagter Stefan E.: Das Gericht ist von seiner Schuld überzeugt.
    Angeklagter Stefan E.: Das Gericht ist von seiner Schuld überzeugt.

    Eine Frage allerdings ist nicht beantwortet worden. Die Frage nach dem Warum. Als Kripobeamte Stefan E. im November 2017 verhafteten, bestritt er die Tat zunächst. Vor Gericht schwieg er. Dass die Frage womöglich für immer offenbleiben wird, räumt auch Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser ein. „Es treibt die Hinterbliebenen um, aber wir wissen nicht, was sein Grund für die Tat war“, sagt sie. Ein Urteil sei aber auch möglich, ohne das Motiv zu kennen. Als Mordmerkmal stellt das Gericht Heimtücke fest. Die Prostituierte sei auf dem Straßenstrich an der Bürgermeister-Ackermann-Straße zu Stefan E. ins Auto gestiegen. Nach dem Sex habe er die Frau dann völlig überraschend attackiert und erwürgt. Das ist laut Urteil belegt, weil der Rechtsmediziner bei der Toten keine Verletzungen entdeckte, die darauf hinweisen, dass sie sich noch wehrte.

    Die Tochter kann ihre Mutter nicht mehr kennenlernen

    Wegen des Mordes ist Angelika Friedl die Chance verwehrt geblieben, ihre Mutter eines Tages doch noch kennenzulernen. Erinnerungen hat sie keine mehr an ihre Mutter. Der Lebenswandel von Angelika Baron mit der Arbeit im Rotlichtmilieu passte nicht dazu, Kinder großzuziehen. Sie heiratete früh und bekam drei Kinder, 1982 ging die Ehe aber in die Brüche. Ihr Mann, ein amerikanischer Soldat, ging mit der ältesten Tochter zurück in die USA. Angelika Friedl und ihre Zwillingsschwester wuchsen ab dem dritten Lebensjahr bei Pflegeeltern auf. Die adoptierten sie später sogar. Dass ihre Mutter sich nicht um sie kümmern konnte, nimmt sie ihr nicht übel. Sie habe es wohl nicht leicht gehabt, sagt Angelika Friedl.

    Der Prozess habe ihr dabei geholfen, mehr über ihre Mutter zu erfahren. Je mehr sie wisse, umso mehr erkenne sie auch viele Ähnlichkeiten. Einige Zeuginnen hatten erzählt, Angelika Baron sei ordentlich gewesen und habe großen Wert auf Sauberkeit gelegt. Das gehe ihr auch so, sagt die Tochter. Darin erkenne sie sich wieder. Auch wegen der Angehörigen lege die Polizei keinen ungeklärten Mordfall zu den Akten, sagt Helmut Sporer, der Chef des für Mordfälle zuständigen Kommissariats 1 der Augsburger Kripo. Er führt eine Liste über die Altfälle. Der Fall Angelika Baron war einer von drei bisher nicht geklärten Morden in den 1990er Jahren in Augsburg. Nun kann er diesen Fall von der Liste streichen.

    Prostituiertenmord vor über 25 Jahren: So gelang der Kripo der Durchbruch

    Die Ermittler hatten im Jahr 2016 noch mal die Kleidung der Toten nach neuesten Methoden untersucht. Dabei fanden sich DNA-Spuren, die man Stefan E. zuordnen konnte. Sein genetischer Fingerabdruck war in der Datenbank gespeichert, weil er früher schon durch Drogendelikte aufgefallen ist. Er hatte schon zur Tatzeit mit Freunden im Stadtteil Bärenkeller oft Drogen wie Haschisch genommen, später kam er zum Heroin.

    Angelika Baron arbeitete als Prostituierte. Sie war 36, als sie ermordet wurde.
    Angelika Baron arbeitete als Prostituierte. Sie war 36, als sie ermordet wurde.

    Die Leiche von Angelika Baron hat Stefan E. dem Urteil zufolge an einem Bahndamm bei Gessertshausen abgelegt. Er verstreute dort auch den Inhalt ihrer Handtasche und warf das Möbelbein weg, mit dem er auf den Kopf der Frau eingeschlagen hatte. Ein Spaziergänger entdeckte die Leiche am Tag nach dem Mord. Angelika Friedl hat diesen Ort nie besucht. Dazu habe sie sich nicht überwinden können, sagt sie. Auch ein Grab, an dem sie trauern kann, gibt es nicht mehr. Es wurde schon aufgelöst. Ihr bleiben die Berichte von alten Bekannten, dass Angelika Baron ein herzlicher Mensch gewesen sei. Einige Fotos, die zeigen, dass ihre Mutter eine schöne Frau war. Und nun auch die Gewissheit, was damals, am 25. September 1993 geschehen ist.

    Lesen Sie hier zum Urteil: 25 Jahre nach Tat: Prostituierten-Mörder Stefan E. muss lebenslang in Haft

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