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Prozess in Augsburg: Prostituierten-Mord: Ein Zeuge belastet den Angeklagten schwer

Prozess in Augsburg

Prostituierten-Mord: Ein Zeuge belastet den Angeklagten schwer

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    Stefan E. ist wegen des Mordes angeklagt. Der Prozess vor dem Augsburger Landgericht läuft seit Dezember.
    Stefan E. ist wegen des Mordes angeklagt. Der Prozess vor dem Augsburger Landgericht läuft seit Dezember. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Das Holzstück ist etwa 20 Zentimeter lang und nur wenige Zentimeter dick. Drei Holzzapfen stecken noch in dem Teil, das vermutlich einmal ein Fuß eines kleinen Tisches oder Schranks war. Die Ermittler haben dem Asservat die Nummer 2.1 gegeben. Es ist das wohl wichtigste Beweisstück im Mordfall Angelika Baron. Der Täter hat die Prostituierte mit dem Möbelfuß geschlagen. Die Ermittler sind überzeugt davon: Wer damals, im September 1993, der Besitzer dieses Holzteils war, der ist auch der Mörder.

    Seit Anfang Dezember läuft bereits der Mordprozess gegen Stefan E., 50. Ihn hatten die Mordermittler der Augsburger Kripo mehr als 20 Jahre nach der Tat anhand eines DNA-Treffers ausfindig gemacht. Nun hat ein Zeuge den Angeklagten schwer belastet. Am Mittwoch sagt ein ehemaliger Freund von Stefan E. aus. Anfang der 1990er-Jahren hätten sie sich oft gesehen, berichtet der Zeuge. Und er ist sich sicher: Stefan E. habe zu jener Zeit genau so einen Möbelfuß wie der, mit dem die Prostituierte geschlagen wurde, in seinem Auto liegen gehabt.

    Es könnte das entscheidende Beweisstück im Mordfall Angelika Baron sein: Der Mörder hat die Prostituierte damit geschlagen, womöglich auch vergewaltigt. Zeugen wollen solch ein Holzteil damals bei Stefan E. gesehen haben.
    Es könnte das entscheidende Beweisstück im Mordfall Angelika Baron sein: Der Mörder hat die Prostituierte damit geschlagen, womöglich auch vergewaltigt. Zeugen wollen solch ein Holzteil damals bei Stefan E. gesehen haben. Foto: Polizei

    Angelika Baron arbeitete auf dem Straßenstrich. Sie wartete an einer Auffahrt zur Bürgermeister-Ackermann-Straße auf ihre Freier. In der Nacht zum 25. September 1993 wurde sie hier zu letzten Mal gesehen. Am nächsten Tag fand ein Spaziergänger ihre Leiche an einem Bahndamm im Kreis Augsburg, nahe Gessertshausen. Die 36-jährige Frau wurde, das belegen die Verletzungen, mit dem Möbelfuß geschlagen und vom Täter erwürgt.

    Augsburger Prostituiertenmord: DNA des Angeklagten an der Leiche

    Am Fundort der Leiche ließ der Täter auch das Möbelstück zurück. Die DNA von Stefan E. befand sich an mehreren Stellen der Leiche. Auf dem Möbelteil allerdings fanden die Spurensicherer weder DNA noch Fingerabdrücke des Angeklagten. Deshalb ist auch der Zeuge so wichtig, der den Möbelfuß identifiziert haben will.

    Vor Gericht erzählt der Mann, er habe Stefan E. im Augsburger Stadtteil Bärenkeller kennengelernt. Sie gehörten dort zeitweise zur selben Clique. Man habe gemeinsam die Zeit totgeschlagen, sei mit dem Auto herumgefahren, habe Joints geraucht. Später, berichtet der Zeuge, sei er dann, wie auch Stefan E., in die Heroinsucht abgerutscht. Er machte Therapien, saß auch längere Zeit in Haft. Heute aber sei er seit mehreren Jahren weg von der Droge, versichert er. Er habe den Absprung geschafft.

    Die Prostituierte Angelika Baron wurde im September 1993 umgebracht.
    Die Prostituierte Angelika Baron wurde im September 1993 umgebracht. Foto: Polizei

    Er wird auf den Fall aufmerksam, als unsere Zeitung im November 2017 erstmals über die Verhaftung von Stefan E. berichtet. Ein alter Bekannter meldet sich deshalb auch bei dem Zeugen, gemeinsam reden sie über die Zeiten damals. „Wir konnten uns beide nicht vorstellen, dass der Stefan zu so etwas fähig ist“, erzählt er. Doch dann liest er den Bericht unserer Zeitung, sieht ein Foto des Möbelfußes – und erkennt das Stück wieder. Er meldet sich deshalb bei der Kripo und macht eine Aussage. Bei dieser Aussage bleibt er auch am Mittwoch vor Gericht. Er habe zusammen mit Stefan E. damals einen kleinen Beistelltisch entsorgt, sagt er. Er könne sich daran so gut erinnern, weil es das einzige Mal gewesen sei, dass er bei Stefan E. zuhause war und auch dessen Eltern gesehen habe. Draußen hätten sie die drei Beine aus dem ovalen Tisch gebrochen. Stefan E. habe ein Tischbein in die Hand genommen und es dann in sein Auto links neben den Fahrersitz gelegt.

    Viele aus der Clique hatten damals eine Art Schlagstock im Auto

    Viele aus der Clique des Angeklagten hatten damals irgendeine Art Schlagstock im Auto liegen. „Friedensstifter“ nannten sie die Schlagwaffen. Das berichten mehrere Zeugen. Es sei darum gegangen, sich bei einem Konflikt in der Drogenszene verteidigen zu können. Ein Zeuge sagt aber auch: „Eigentlich war es Wichtigtuerei.“

    Ein weiterer ehemaliger Freund von damals erinnert sich ebenfalls daran, dass Stefan E. zu der Zeit einen Möbelfuß im Auto gehabt habe. Man habe damals öfter ein Loch in die Erde gegraben und mithilfe des Lochs dann Haschisch geraucht und inhaliert. Das sogenannte Erdloch-Rauchen habe einen besonderen Kick gegeben. Einmal habe man einen Möbelfuß aus Stefan E.s Auto geholt und versucht, damit eine Stelle freizumachen, an der ein Loch gegraben werden sollte. Als die Vorsitzende Richterin Susanne Riedel-Mitterwieser dem Zeugen das Beweisstück zeigt, ist er sich aber nicht sicher, ob es genau so ein Möbelfuß war, der damals zum Einsatz kam. Es sei möglich, mit Sicherheit sagen könne er es aber nicht, erklärt der Zeuge.

    Muss Stefan E. nach diesem Prozesstag damit rechnen, dass er wegen des Mordes verurteilt wird? Sein Verteidiger Klaus Rödl hält das für längst nicht entschieden. Er hat Zweifel an der Aussage des wichtigsten Zeugen. Er glaub nicht, dass der Fuß – wie vom Zeuge beschrieben – mit Gewalt aus dem Tisch herausgebrochen worden sei. Dazu sei der Fuß mit seinen noch intakten Holzzapfen zu gut erhalten. Auch die Beschreibung, wie der Beistelltisch ausgesehen haben soll, klinge für ihn fragwürdig, sagt Klaus Rödl. Er will beantragen, dass zu diesen Fragen ein Sachverständiger befragt wird.

    Stefan E. bestreitet die Tat. Er hat zugegeben, dass er in der Zeit immer wieder zu Prostituierten gegangen ist, um sich Sex zu kaufen. Er ging auch zu den Frauen, die zu der Zeit an der Bürgermeister-Ackermann-Straße standen oder in rot beleuchteten Autos auf Freier warteten. Er habe Angelika Baron aber nicht ermordet, sagt er.

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