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Prozess in Augsburg: Pflege-Betrug: Was wollte der Angeklagte mit sieben Millionen in bar?

Prozess in Augsburg

Pflege-Betrug: Was wollte der Angeklagte mit sieben Millionen in bar?

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    Im Herbst 2019 hatten Polizeibeamte in Augsburg bei einer großen Razzia unter anderem die Büros und auch Fahrzeuge mehrerer Pflegedienste durchsucht.
    Im Herbst 2019 hatten Polizeibeamte in Augsburg bei einer großen Razzia unter anderem die Büros und auch Fahrzeuge mehrerer Pflegedienste durchsucht. Foto: Jörg Heinzle

    Was wollte er mit den Unmengen an Bargeld - sieben Millionen Euro, gebunkert in Koffern zu Hause und in Schließfächern? Warum führte er als Multimillionär offenbar ein sehr sparsames Leben, mit einer bescheidenen Wohnung in einem Augsburger Mehrfamilienhaus? Antworten darauf gibt es im Prozess gegen Marc S., 39, bislang nicht. S., einer der Hauptbeschuldigten in dem groß angelegten Ermittlungsverfahren zu Pflegebetrug in Augsburg und München, schweigt. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, Pflege- und Krankenkassen sowie den Staat um große Summen betrogen zu haben. Andere dagegen reden ausführlich: Mehrere Zeugen, die an den mutmaßlichen Betrügereien beteiligt waren, haben Marc S. inzwischen belastet. Die Aussagen zeigen, wie der ehemalige DJ offenbar zu so viel Geld kommen konnte.

    Der Dreh- und Angelpunkt für die Betrügereien soll der Anklage zufolge der Pflegedienst PZA GmbH gewesen sein. Das Kürzel steht für Pflegezentrum Augsburg. Marc S. konnte selbst nicht Geschäftsführer sein, weil er schon zuvor Ärger mit der Justiz hatte. Deshalb soll er Strohmänner und -frauen eingesetzt haben. Tatsächlich aber soll der heute 39-Jährige alles kontrolliert haben - davon sind die Ermittler der Soko "Eule", die bei der Augsburger Kripo gebildet wurde, überzeugt. Eine 35-jährige Frau, die bei der PZA zumindest auf dem Papier als Geschäftsführerin fungierte, sagte am Freitag vor dem Landgericht aus, sie sei in der Realität nur eine Angestellte gewesen. Kennengelernt hatte sie Marc S. vor gut zehn Jahren bei der Arbeit in einer Discothek. Sie jobbte damals an der Bar, er war Discjockey. Später habe sie S. zufällig wieder getroffen. Sie habe ihm erzählt, dass sie auf Jobsuche sei. So sei sie zur PZA gekommen. Obwohl sie mit der Pflegebranche bis dato nichts zu tun hatte.

    Eine Zeugin sagt, die Betrügereien bei dem Pflegedienst hätten sie belastet

    Die Zeugin räumt vor Gericht ein, sie habe gewusst, dass bei dem Pflegedienst nicht alles mit rechten Dingen zuging. Das habe sie so belastet, dass sie sich 2019 schließlich habe krankschreiben lassen. Wie viel sie aber genau wusste und wie bereitwillig sie bei dem Betrug mitwirkte, dass lässt sich bei ihrer Befragung nur schwer klären.

    Die 35-Jährige gibt auch an, von Marc S. unter Druck gesetzt worden zu sein. Er habe ihr gedroht, dass sie den Job verliert und sie ein Darlehen über 25.000 Euro, das er ihr gewährt hatte, sofort zurückzahlen müsse. In einer Chatnachricht an eine andere Mitarbeiterin hatte sie damals auch geschrieben, der "Saftladen" müsse "dicht gemacht" werden. S. macht in dem Prozess keinen Hehl daraus, was er von der Aussage der Frau hält. Er schüttelt so oft den Kopf, dass ihn Richter Wolfgang Natale ermahnt, er beeinflusse damit die Zeugin.

    Prozess um Pflege-Betrug: Angestellte pflegten ausschließlich eigene Angehörige

    Allerdings ist sie nicht die einzige Zeugin, die S. belastet. Auch ein Mann berichtet, dass er von Betrügereien gewusst habe. Zeitweise sei es bei der PZA nur sein Job gewesen, im Büro Leistungsnachweise abzuzeichnen. Eigentlich müssen diese Nachweise aber bei den Pflegebedürftigen vor Ort sein - und dort auch ausgefüllt und unterzeichnet werden. Im Kern geht es bei den Vorwürfen der Anklage darum, dass Menschen für die Kassen kränker gemacht worden sein sollen, als sie es in Wirklichkeit waren. So soll der Pflegedienst dann Tätigkeiten abgerechnet haben, die in Wahrheit nicht oder nur teilweise erbracht worden sein sollen. Zudem stellte der Pflegedienst offenbar in mehreren Fällen Menschen an, die ausschließlich einen eigenen Angehörigen pflegten - und die dafür ein kleines Gehalt von einigen Hundert Euro bekamen. Der Pflegedienst aber, so die Anklage, habe für diese Patienten dann monatlich mehrere Tausend Euro mit den Kassen abrechnen können.

    Womöglich wird Marc S. sein Schweigen noch brechen. Sein Anwalt Peter Witting hat angekündigt, dass sich S. seiner Verantwortung stellen werde. Womöglich stelle sich aber nicht alles so dar, wie in der Anklage beschrieben. Und mancher Zeuge habe offenbar die Chance genutzt, sich selbst möglichst reinzuwaschen und im Gegenzug den 39-Jährigen zu belasten, so der Verteidiger.

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