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Augsburg: Prozess in Augsburg: Paketfahrer als Scheinselbstständige

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Prozess in Augsburg: Paketfahrer als Scheinselbstständige

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    Häufig sind Paketfahrer als sogenannte Scheinselbstständige beschäftigt, für die keinerlei Sozialabgaben bezahlt werden. Jetzt musste sich deswegen ein Subunternehmer vor Gericht verantworten.
    Häufig sind Paketfahrer als sogenannte Scheinselbstständige beschäftigt, für die keinerlei Sozialabgaben bezahlt werden. Jetzt musste sich deswegen ein Subunternehmer vor Gericht verantworten.

    Die Zahl klingt unglaublich: Jeden Tag schicken Deutschlands Paketdienste sage und schreibe zehn Millionen Sendungen auf Reise. Es sind dann zumeist die Fahrer von Subunternehmern, die Pakete und Päckchen von Online-Bestellungen letztendlich zu den Empfängern bringen. Und das häufig zu unsozialen Bedingungen als sogenannte Scheinselbstständige, für die keinerlei Sozialabgaben bezahlt werden. Ein Schöffengericht unter Vorsitz von Roland Fink urteilte jetzt in einem Fall, bei dem der Subunternehmer eines Paketdienstes rund 350.000 Euro an

    Gleich zu Beginn der Beweisaufnahme macht Richter Fink klar, dass es sich bei dem Verfahren keineswegs um einen Einzelfall handelt: „Der Paketausfahrer ist der Musterentwurf eines Scheinselbstständigen.“ Angeklagt sind der 51-jährige Prokurist des inzwischen pleitegegangenen Kleintransportunternehmens und seine Schwester, 49, die er auf dem Papier als Geschäftsführerin angestellt hatte. Im Jahr 2010 war der bei einer Spedition beschäftigte Angeklagte von einem großen Paketdienst angefragt worden, ob er sich nicht als Subunternehmer selbstständig machen wolle. Was er dann auch tat. Er übernahm, wie

    Fahrer galten laut Vertrag als Subunternehmern und nicht als Angestellte

    Die GmbH des Angeklagten beschäftigte insgesamt Dutzende von Ausfahrern, die zumeist aus Osteuropa stammten. Diese Fahrer unterschrieben Verträge als weitere Subunternehmer mit der Verpflichtung, ihren Status bei der Rentenversicherung klären zu lassen. Was allerdings kein Einziger tat und was auch die beiden Angeklagten nicht interessierte. Jeder Ausfahrer lieferte täglich rund 100 Sendungen bei den Empfängern ab, erhielt dafür pro Paket zwischen einem Euro und 1,30 Euro. So bekamen sie am Monatsende an die 2000 Euro netto ausbezahlt. Dem Angeklagten wiederum schrieb der Paketdienst pro Sendung 1,45 Euro gut. Eine Rechnung, die nur aufgeht, wenn eine enorm hohe Zahl von Sendungen abgewickelt wird.

    Gericht glaubt dem Angeklagten nicht

    Der Angeklagte (Verteidiger: Klaus Bader) beteuert, er habe nicht gewusst, dass seine Fahrer Scheinselbstständige seien. „Sonst hätte ich das nicht gemacht.“ Eine Aussage, die ihm Richter Fink nicht abnimmt. Erst später, so der Angeklagte, habe er gemerkt, „dass das so nicht läuft“ und er habe 2012 dieses System beendet. Seine mitangeklagte Schwester (Verteidiger: Klaus Rödl) sagt, sie habe zu der Bitte ihres Bruders, als Geschäftsführerin zu fungieren, nicht nein sagen können. Sie habe kein Gehalt bekommen, sich über die Pflichten einer derartigen Funktion nicht erkundigt. „Ich habe meinem Bruder vertraut.“

    Ein Unfall brachte die Scheinselbstständigkeit ans Licht

    Der Fall kam erst lange Zeit später, mehr oder weniger durch Zufall, ins Rollen. Ein Ausfahrer hatte offenbar nach einem Unfall durch eine Klage beim Sozialgericht erreicht, dass ihm der Status eines regulären Arbeitnehmers zugesprochen wurde, für den Sozialbeiträge hätten gezahlt werden müssen. So begann der zuständige Zoll zu ermitteln und errechnete für Dutzende von Ausfahrern der GmbH eine hinterzogene Summe von rund 350.000 Euro, die Rentenversicherung, Krankenkassen, die Arbeitslosenversicherung und die Berufsgenossenschaft nun neben dem Strafverfahren von den Angeklagten zurückfordern.

    Bewährungsstrafen für Angeklagte

    Nach der Beweisaufnahme ist für Staatsanwältin Cornelia Seidl klar, dass es sich bei den Ausfahrern um abhängig Beschäftigte gehandelt hat, die in den Betriebsablauf des Kleinunternehmens eingebunden waren. Der Angeklagte sei von dem Paketdienst „etwas überrumpelt“ worden, seine Schwester habe sich von ihm vor den Karren spannen lassen. Das Gericht spricht Strafen aus, die zwischen den Anträgen der Anklage und der beiden Verteidiger Klaus Bader und Klaus Rödl liegen: Der Prokurist wird zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, seine Schwester zu acht Monaten verurteilt. Beide Strafen sind zur Bewährung ausgesetzt.

    Bundesarbeitsminister Hubertus Heil will das Problem der scheinselbstständigen Paketausfahrer mit einem eigenen Gesetz bekämpfen. So sollen in Zukunft die großen Paketdienste dafür haftbar gemacht werden, wenn Subunternehmer für ihre Fahrer keine Sozialbeiträge bezahlen.

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