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Prozess in Augsburg: Corona-Soforthilfe: Freispruch für Augsburger DJ deutet Politikversagen an

Prozess in Augsburg

Corona-Soforthilfe: Freispruch für Augsburger DJ deutet Politikversagen an

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    Ein DJ und Barkeeper aus Augsburg stand wegen eines angeblichen Subventionsbetrugs vor Gericht. Doch er wurde freigesprochen. Die Corona-Soforthilfe darf er auch behalten.
    Ein DJ und Barkeeper aus Augsburg stand wegen eines angeblichen Subventionsbetrugs vor Gericht. Doch er wurde freigesprochen. Die Corona-Soforthilfe darf er auch behalten. Foto: Ralf Lienert (Symbolbild)

    Amtsrichter Markus Eberhard steht auf und verkündet "im Namen des Volkes" das Urteil: Freispruch. Der Angeklagte Stefan F. (Name geändert), der kurz zuvor noch mit emotional zitternder Stimme sein "letztes Wort" gesprochen hat, ist sichtlich erleichtert. Weil er sich im Zuge der Corona-Soforthilfe 5000 Euro Staatsgeld erschlichen haben soll, war gegen ihn wegen Subventionsbetrugs ein Strafbefehl über 4500 Euro (150 Tagessätze zu je 30 Euro) erlassen worden, der nach dem Urteil nun null und nichtig ist. Der Freispruch ist eine kleine juristische Sensation.

    Denn Stefan F., 31, Barkeeper auf der Partymeile Maxstraße und Event-Manager einer Ein-Mann-Firma, profitiert von dem anfangs rechtlich völlig unausgegorenen Corona-Hilfsprogramm, das der Staat Hals über Kopf im März 2020 aufgelegt hat, um akut vor allem in Not geratene kleine Firmen und Selbstständige im ersten Lockdown zu unterstützen.

    In dem Prozess in Augsburg ging es um die Corona-Soforthilfe

    Die Soforthilfe war am 17. März 2020 gestartet worden. "Wir sollen schnell, unbürokratisch und möglichst großzügig verfahren, das war die Ansage von ganz oben", erinnert sich vor Gericht ein Beamter der Regierung von Schwaben im Zeugenstand an die "damals turbulente Zeit". "Wir sind in einer Flut von Anträgen untergegangen, die Telefone liefen heiß, teils arbeiteten 20 Leute in der Hotline, um Fragen zu beantworten." Insgesamt habe die Regierung von Schwaben rund 40.000 Bescheide im Zuge der Corona-Soforthilfe erlassen. Anfangs sei die große Linie gewesen, dass antragsberechtigt jene Solounternehmer seien, denen die Einnahmen wegen des Lockdowns von heute auf morgen weggebrochen sind. "Da haben wir nicht groß quergeprüft", räumt der Beamte ein, dass anfangs die meisten Anträge schlicht durchgewinkt wurden.

    Der Barkeeper und DJ Stefan F. (Verteidiger: Thomas Reutemann) war unter den Ersten, die einen Antrag stellten. "Von einem Tag auf den anderen hatte ich keine Einnahmen mehr. Die Clubs waren zu, bereits geplante Veranstaltungen, wo ich als DJ auflegen konnte, fanden nicht mehr statt", schildert der 31-Jährige seine berufliche Situation in jenen Märztagen 2020. Stefan F. machte es sich nicht leicht. Die Kernfrage war: Ist er überhaupt antragsberechtigt? "Ich wollte genau wissen, ob ich darunterfalle. Ich habe mich im Internet kundig gemacht, viel recherchiert, dann bei der Regierung von Schwaben angerufen", erzählt er. Am Ende sei er "100-prozentig sicher gewesen", dass er in den Kreis der Berechtigten falle. Seine persönlich finanzielle Situation habe er nicht als "problematisch" angesehen. Schulden, die er zu dieser Zeit hatte, habe er nicht thematisiert.

    Es wurden 5000 Euro auf das Konto des DJs überwiesen

    Am 18. März stellte der Barkeeper bei der Regierung seinen Antrag auf Soforthilfe, die umgehend genehmigt und am 6. April mit einer Summe von 5000 Euro auf das Konto des DJ überwiesen wurde. Weil Stefan F. damit gleich Steuerschulden beim Finanzamt in Höhe von 1500 Euro beglich, mit denen sein Konto durch Pfändungsbeschlüsse belastet war, ermittelte die Staatsanwaltschaft. Und kam zum Ergebnis, dass Stefan F. sich des Subventionsbetrugs schuldig gemacht habe, weil er bereits lange vor der Antragsstellung überschuldet gewesen sei. Er sei nicht erst durch den Lockdown in einen Liquiditätsengpass geraten und habe überdies kaum Fixkosten zu begleichen.

    Durch die Vernehmung des Regierungsbeamten wird allerdings offenbar, dass die von der Staatsanwaltschaft angenommenen genauen Voraussetzungen für den Bezug der Soforthilfe anfangs - politisch gewollt oder einfach in Kauf genommen - relativ großzügig ausgelegt waren. Erst am 3. April hatte das Bayerische Wirtschaftsministerium rückwirkend zum 31. März genaue Richtlinien veröffentlicht, die Rechtslage änderte sich. Der Zeuge der Regierung: "Jetzt waren die Vorgaben konkretisiert, und es war klar, dass nur angefallene Fixkosten ersetzt werden." Konkret also etwa Miete für Geschäftsräume oder Versicherungen. Ab April habe man da auch nachgehakt bei den Anträgen. Der Beamte sagt am Ende seiner Aussage klipp und klar: Zu dem Zeitpunkt, als der Angeklagte seinen Antrag gestellt habe, sei er auch berechtigt gewesen.

    Augsburger DJ muss 5000 Euro nicht zurückzahlen

    Dieses Fazit stellt das Verfahren quasi auf den Kopf. Dem Angeklagten sei kein Vorwurf zu machen, fasst Staatsanwalt Andreas Breitschaft den Verlauf der Verhandlung zusammen. "Was will man noch mehr machen, als sich vorher erkundigen. Die Politik wollte es so." Da braucht Verteidiger Reutemann nicht allzu viel hinzuzufügen. "Mein Mandant hat nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt." In der Urteilsbegründung sagt Richter Eberhard: "Die Verordnung war für den Laien nicht so ohne Weiteres verständlich, Richtlinien anfangs nicht existent." Die 5000 Euro Hilfe braucht der DJ übrigens nicht zurückzuzahlen. Das Urteil mit Freispruch hat keine Auswirkungen auf Verdachtsfälle, die auf Anträgen nach dem 3. April basieren. In einigen Verfahren sind bereits Solounternehmer zu Geldstrafen verurteilt worden.

    Hören Sie sich dazu auch unsere Podcastfolge über das (un)gerechte Leben in deutschen Gefängnissen an:

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