Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Prozess in Augsburg: Blutbad in Gögginger Asylheim: Nabi S. zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt

Prozess in Augsburg

Blutbad in Gögginger Asylheim: Nabi S. zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt

    • |
    Aus Wut über die Trennung seiner Frau hat Nabi S. seinen 15 Jahre alten Schwager ermordet. Zudem wollte er weitere Angehörige töten. Jetzt fiel das Urteil gegen den Afghanen vor dem Augsburger Schwurgericht.
    Aus Wut über die Trennung seiner Frau hat Nabi S. seinen 15 Jahre alten Schwager ermordet. Zudem wollte er weitere Angehörige töten. Jetzt fiel das Urteil gegen den Afghanen vor dem Augsburger Schwurgericht. Foto: Silvio Wyszengrad

    Nabi S. zeigt keine Regung, als die Vorsitzende Richterin Sabine Konnerth am Dienstagnachmittag das Urteil verkündet. Über viele Wochen hatte sich der Mordprozess gegen den 30 Jahre alten Afghanen am Augsburger Landgericht hingezogen - auch weil manche Verhandlungstermine wegen Corona verschoben werden mussten. Meist hatte Nabi S. den Prozess, bei dem ihm ein Dolmetscher zur Seite gestellt war, konzentriert verfolgt, hin und wieder besprach er sich mit seinem Verteidiger Jörg Seubert. Im Mordprozess gab es nur wenige Momente, in denen der Angeklagte Emotionen zeigte.

    Etwa am ersten Tag des Prozesses Anfang Dezember, als seine Ehefrau (23) unter Tränen das Blutbad schilderte, das Nabi S. in ihrer Familie angerichtet hatte. Auch dem Angeklagten kamen da Tränen. Oder an jenem Verhandlungstag im Februar, an dem ein medizinischer Gutachter ausführlich von den tödlichen Verletzungen berichtete, die Nabi S. seinem 15 Jahre alten Schwager in der Asylunterkunft im Haus Noah in Göggingen zufügte. Zwei Mal hatte er mit einem Messer dem arglosen Jungen die Kehle durchgeschnitten. Der Teenager starb noch am Tatort. Zeitweise vergrub der Angeklagte seinen Kopf auf dem Tisch unter seinen Armen, als wolle er das alles nicht hören, was er getan hatte. Am Dienstag fiel nun das Urteil: Nabi S. muss nicht nur lebenslänglich ins Gefängnis.

    Blutbad in Göggingen: Schwager ermordet, Schwiegermutter verletzt

    Das Gericht setzte zudem eine besondere Schwere der Schuld fest. Das bedeutet, dass er nicht, wie sonst bei lebenslanger Haftstrafe, nach 15 Jahren auf Bewährung freikommen kann. Nabi S. wurde nicht nur wegen des Mordes an seinem jungen Schwager verurteilt, sondern auch wegen des versuchten Mordes an seiner Schwiegermutter, versuchten Totschlags an einer Schwägerin sowie der gefährlichen Körperverletzung im Falle seines Schwiegervaters und einer weiteren Schwägerin. Sie alle hatte er mit einem Messer angegriffen und zum Teil schwer verletzt. Die Schwiegermutter schwebte vorübergehend in Lebensgefahr.

    Der Mordprozess gegen Nabi S. in Augsburg fand wegen der Corona-Pandemie unter besonderen Bedingungen statt und zog sich über Monate.
    Der Mordprozess gegen Nabi S. in Augsburg fand wegen der Corona-Pandemie unter besonderen Bedingungen statt und zog sich über Monate. Foto: Silvio Wyszengrad

    Ein Teil der Familie des getöteten 15-Jährigen verfolgte die Urteilsverkündung am Dienstag im Zuschauerraum des Augsburger Landgerichts.

    Mordprozess in Augsburg: Afghane Nabi S. fühlte sich in seiner Ehre verletzt

    Sein Mandant habe das Geschehen nicht geplant gehabt, hatte Anwalt Jörg Seubert noch am vergangenen Verhandlungstag für Nabi S. plädiert. Der Angeklagte habe sich an jenem Tag nur mit dem Schwiegervater aussprechen wollen. Dann sei es zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen, die eskalierte. Doch für das Schöffengericht steht fest: Hier sitzt ein Mann auf der Anklagebank, der aus blankem Hass und von Rachegedanken getrieben seine Frau und deren Familie Schaden zufügen wollte.

    Nabi S.' Stolz hatte es demnach nicht verkraftet, dass sich seine Frau 2019 von ihm getrennt hatte und mit dem gemeinsamen Sohn bei ihrer Familie in der Augsburger Asylunterkunft Zuflucht suchte. Ihm war es vor allem wichtig, seinen 15 Jahre alten Schwager zu töten, weil dieser der einzige männliche Nachkomme in der afghanischen Familie seiner Frau war, so sieht es das Gericht. Nicht nur diese Denkweise zeigte in dem Prozess, welche fatalen Entwicklungen sogenannte Ehrenkulturen befeuern können. Schnell wurde während der Verhandlungen auch deutlich, wie wenig Bedeutung Frauen in solch patriarchalischen Kulturen zukommt.

    Frau durchlitt in ihrer Ehe mit Nabi S. offenbar eine Hölle

    Die 23-jährige Afghanin muss in ihrer Ehe mit dem Verurteilten eine jahrelange Hölle durchlitten haben, das wurde vor Gericht immer wieder klar. Ihr Martyrium begann im Iran, wo sich beide afghanische Familien einst aufhielten. Bereits im Alter von rund elf Jahren wurde das Mädchen an den Mann verheiratet. Mit der Vermählung sollte eine Feindschaft, die wohl zwischen beiden Familien herrschte, begraben werden. Der Vater hatte seinem Schwiegersohn eine Morgengabe dafür gezahlt, dass dieser die älteste der drei Töchter zur Frau nimmt. Schon im Iran soll Nabi S. seine junge Frau geschlagen haben.

    Auch als das Ehepaar erst in Schweden, dann in Deutschland eine neue Heimat suchte, gingen die Drangsalierungen weiter. Immer wieder bekam die Familie der 23-Jährigen, die inzwischen auch in Deutschland lebte, mit, wie die älteste Tochter geschlagen, misshandelt und gedemütigt wurde. Doch offenbar schritt niemand ein. Erst als die Gewalt an einem Abend 2019 eskalierte und die Ehefrau um ihr Leben fürchtete, verließ sie den Tyrann. Das Drama gipfelte in dem entsetzlichen Blutbad, das Nabi S. am 4. April 2020 im Haus Noah in Göggingen anrichtete.

    Lesen Sie auch:

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden