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Prozess in Augsburg: Prostituierten-Mord: Reicht es für ein Urteil gegen Stefan E.?

Prozess in Augsburg

Prostituierten-Mord: Reicht es für ein Urteil gegen Stefan E.?

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    So berichtete unsere Zeitung vor 25 Jahren: An dieser Bahnunterführung im Landkreis Augsburg wurde die Leiche von Angelika Baron gefunden.
    So berichtete unsere Zeitung vor 25 Jahren: An dieser Bahnunterführung im Landkreis Augsburg wurde die Leiche von Angelika Baron gefunden. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Sie müssen bald darüber entscheiden, ob Stefan E., 50, wegen Mordes zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt werden soll. In den vergangenen Wochen haben die Richter der Augsburger Schwurgerichtskammer deshalb auch Dutzende Zeugen aus dem Umfeld von Stefan E. befragt. Einer dieser Zeugen, ein Bekannter des Angeklagten aus den 1990er-Jahren, hat kürzlich Stefan E. schwer belastet. Doch wird der Angeklagte, dem der Mord an der Augsburger Prostituierten Angelika Baron im Jahr 1993 vorgeworfen wird, deshalb auch verurteilt?

    Während der Mordprozess langsam auf die Zielgerade einbiegt, scheint der Ausgang noch immer offen zu sein. Einen eindeutigen Beweis dafür, dass Stefan E. die Prostituierte mit einem Möbelfuß geschlagen und sie erwürgt hat, gibt es nicht. Es bleibt, das zeichnet sich ab, bei Indizien. Am Ende müssen die Richter alle Puzzleteile anschauen und bewerten, ob das Bild, das sich daraus ergibt, für eine Verurteilung reicht. Voraussetzung für ein Urteil ist aber nicht eine absolute Gewissheit der Richter. Er reicht, so hat es der Bundesgerichtshof formuliert, ein „nach der Lebenserfahrung ausreichendes Maß an Sicherheit, das vernünftige Zweifel nicht aufkommen lässt“.

    Hatte Stefan E. es auf das Geld von Angelika Baron abgesehen?

    Im Fall von Stefan E. läuft es auf vor allem zwei Indizien hinaus, die entscheidend sein werden. Am Körper der Ermordeten wurden DNA-Spuren des Angeklagten gesichert. Sie fanden sich an mehreren Stellen. Das ist aus Sicht der Ermittler ein Hinweise, dass Stefan E. nicht nur bezahlten Sex mit dem Opfer hatte, sondern es umgebracht hat. Wichtig ist nach Ansicht von Kripo und Staatsanwaltschaft eine DNA-Spur im Bereich eines Sockens. Dort versteckte Angelika Baron üblicherweise das Geld der Freier. Eine These der Ermittler ist, dass es Stefan E. auf die Einnahmen der Prostituierten abgesehen hatte und deshalb dort hin griff, um nach Geld zu suchen. Klaus Rödl, der Verteidiger von Stefan E., hält dagegen. Die Prostituierte selbst könnte sich genausogut an den Socken gegriffen haben und dabei E.s DNA mit übertragen haben.

    Es könnte das entscheidende Beweisstück sein: Der Mörder hat die Prostituierte damit geschlagen, womöglich auch vergewaltigt. Zeugen wollen solch ein Holzteil bei Stefan E. gesehen haben.
    Es könnte das entscheidende Beweisstück sein: Der Mörder hat die Prostituierte damit geschlagen, womöglich auch vergewaltigt. Zeugen wollen solch ein Holzteil bei Stefan E. gesehen haben. Foto: Polizei

    Das zweite wichtige Indiz ist ein Möbelfuß, der am Fundort der Leiche neben einem Bahndamm in der Nähe von Gessertshausen im Kreis Augsburg lag. Der rund gedrechselte, etwa 20 Zentimeter lange Stab diente dem Täter als Schlagstock. Verletzungen am Kopf des Opfers zeigen laut Rechtsmedizin eindeutig, dass die Prostituierte damit geschlagen worden ist. Am dem Möbelfuß finden sich keine Spuren von Stefan E. Aber es gibt einen Zeugen, der für die Anklage extrem wichtig ist. Es handelt sich um einen früheren Bekannten des Angeklagten. Der Zeuge sagt, er habe mit Stefan E. damals einen kleinen Beistelltisch entsorgt. Er könne sich daran so gut erinnern, weil es das einzige Mal gewesen sei, dass er bei Stefan E. zuhause war und dessen Eltern getroffen habe. Draußen hätten sie die Beine aus dem Tisch gebrochen. Stefan E. habe ein Tischbein genommen und es in sein Auto neben den Fahrersitz gelegt. Damals hätten viele irgendeine Art Schlagstock im

    Wie glaubwürdig ist der Hauptzeuge im Prostituiertenmord-Prozess?

    Doch wie glaubwürdig ist der Zeuge, von dem es womöglich mit abhängt, ob Stefan E. als Mörder verurteilt wird? Andere ehemalige Bekannte aus der damaligen Zeit beschreiben den Zeugen als „Schwätzer“ und als „Angeber“. Ein Mann, der mit dem Belastungszeugen zur Schule gegangen ist, sagt, man habe „immer 50 Prozent abziehen müssen“ von dem, was er erzählt habe. Er habe zum Beispiel von einem neuen, tollen Job geprahlt – und sei die Stelle aber wenige Wochen später wieder los gewesen. Verteidiger Michael Zapf hat beantragt, dass ein Gutachter die Glaubwürdigkeit des wichtigen Zeugen untersuchen soll. Zapf gibt auch zu bedenken, dass der Zeuge über Jahrzehnte intensiv Drogen genommen habe, unter anderem Marihuana. Das könne sich stark auf dessen Erinnerungsvermögen ausgewirkt haben.

    Angelika Baron wurde vor mehr als 25 Jahren ermordet.
    Angelika Baron wurde vor mehr als 25 Jahren ermordet. Foto: Bernd Hohlen

    Von Verteidiger Klaus Rödl kam zudem noch der Antrag, ein Fachmann solle den Möbelfuß untersuchen und feststellen, woher er vermutlich stammt. Bereits kurz nach dem Mord hatte die Kripo schon einmal einen Schreiner dazu befragt. Er konnte den Fuß nicht klar zuordnen, vermutete aber, dass der Möbelfuß von einem Schränkchen stammt – von einem Beistelltisch sprach er damals nicht. Ob das Gericht den Beweisanträgen der beiden Verteidiger folgen wird, ist allerdings noch nicht entschieden.

    An dieser Bahn-Unterführung in Gessertshausen (Landkreis Augsburg) wurde die Leiche von Angelika Baron im Jahr 1993 gefunden.
    An dieser Bahn-Unterführung in Gessertshausen (Landkreis Augsburg) wurde die Leiche von Angelika Baron im Jahr 1993 gefunden. Foto: Marcus Merk

    Die Kripo hat mit enormem Aufwand ermittelt, als vor rund zwei Jahren wegen eines DNA-Treffers der Verdacht gegen Stefan E. aufkam. Sie setzen sogar zwei verdeckte Ermittler auf den Verdächtigen an. Die Beamten freundeten sich mit Stefan E. an. Sie erzählten auch von Kontakten ins kriminelle Milieu. Einer der verdeckten Ermittler verriet Stefan E. irgendwann sogar, dass die Kripo ihn wegen des Mordes im Visier habe. Doch der Verdächtige gestand seinem vermeintlichen Freund die Tat nicht. Im Gegenteil: In einem Telefonat mit einem anderen Bekannten beklagte sich Stefan E. darüber, dass er zu Unrecht im Visier von Mordermittlern sei. Das Telefonat ist in den Akten nachzulesen. Die Ermittler konnten zuhören, weil sie Stefan E.s Telefongespräche überwachten.

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