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Augsburg: Problem-Immobilie am Schmiedberg: Dunkle Geschäfte ums Geisterhaus?

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Problem-Immobilie am Schmiedberg: Dunkle Geschäfte ums Geisterhaus?

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    Das Haus am Schmiedberg 6 in Augsburg hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich.
    Das Haus am Schmiedberg 6 in Augsburg hat eine wechselhafte Geschichte hinter sich. Foto: Bernd Hohlen

    Der Mann aus Dubai muss wohlhabend sein, nein: reich. Ein Multimillionär, der Immobilien und Firmen auf der ganzen Welt besitzt, in London, in Dubai, in den USA, in Ghana, in München, in Augsburg. Ihm gehört hier in der Stadt nicht irgendein Gebäude, sondern ein Gewerbeobjekt mit einem gewissen Ruf: die wegen ihrer endlosen Leerstands-Geschichte als "Geisterhaus" bekannte Immobilie am Schmiedberg. Eine Dauerbaustelle, hinter der Fragezeichen stehen. Und möglicherweise fragwürdige Geschäfte.

    2011 hat der Geschäftsmann das Gebäude erworben, das zu dem Zeitpunkt bereits Jahre lang ungenutzt war. Passiert ist seither eine Menge und doch wenig. Erst wollte der Geschäftsmann es wieder verkaufen, dann ein Stadthotel aus der maroden Baubrache machen. Nun sollen in dem Gebäude 55 kleine Apartments, zwei Penthäuser und Gewerbeflächen entstehen, und vergangenes Jahr gab es tatsächlich immerhin Baufortschritte zu sehen. Nach Informationen unserer Redaktion gehört dem Mann aus Dubai das Gebäude zu 70 Prozent, im Grundbuch steht mit einem Anteil von 30 Prozent zudem ein Verwandter des Mannes. Teils hatten Firmen des wohlhabenden Geschäftsmannes ihren Sitz in der Baubrache ohne Briefkasten, darunter eine namens „AKA Petroleum“, die sich auf einer mittlerweile abgeschalteten Internetseite als „multinationaler Energiekonzern“ präsentierte und in seiner jüngsten Bilanz eine Bilanzsumme von erstaunlichen 70 Millionen Euro aufweist. Für das „Geisterhaus“ selbst ist nach Informationen unserer Redaktion im Grundbuch eine Eigentümergrundschuld von 24 Millionen Euro eingetragen. Es geht um viel Geld.

    "Geisterhaus" am Schmiedberg in Augsburg gibt Rätsel auf

    Woher es stammt, war lange eine offene Frage – und eine, der Journalisten international nachgingen. Denn die Geschäfte des Mannes erregten Aufsehen, nicht nur in Deutschland. Im zentralasiatischen Land Kirgistan etwa fragten sich mehrere Medien, warum der Name einer der bis dahin unbekannten AKA-Firmen gemeinsam mit dem des chinesischen Mobilfunkkonzerns Huawei im Zuge eines mittlerweile wieder abgeblasenen Projekts auftauchte, das den Namen „Smart City“ trug, und in dem es darum ging, in den größten kirgisischen Städten tausende Überwachungskameras zu installieren. Wer steht dahinter, und woher kam das Geld? Wer suchte, fand Antworten, doch viele Fragen blieben auch offen.

    In einer groß angelegten, monatelangen Recherche hat nun ein internationaler Rechercheverbund viel Licht ins Dunkel gebracht. Beteiligt waren mehr als 20 Journalisten, die für das „Organized Crime and Corruption Reporting Project“ (OCCRP), Radio Azattyk – dem kirgisischen Ableger von „Radio Free Europe“ – und dem kirgisischen Nachrichtenportal Kloop.kg arbeiten. Was sie aufgedeckt haben, klingt nicht besonders gut.

    Bericht: Hundert Millionen von US-Dollar von Kirgistan außer Landes gebracht

    Demnach sollen von Kirgistan aus hunderte Millionen US-Dollar illegal außer Landes gebracht worden sein, teils über Kuriere, die Bargeld bei sich trugen, teils nach Auskunft eines Informanten des Verbundes über Schein-Darlehensverträge mit Firmen im Ausland. Darunter sollen, wie Dokumente zeigen, AKA-Firmen mit Bezug zum oder Adresse am Schmiedberg sein. Ohnehin sollen hohe Summen in das Netzwerk des Mannes aus Dubai geflossen sein, dem in Augsburg die Immobilie gehört.

    Der Fall ist komplex. Der Geschäftsmann ist ein gebürtiger Chinese mit kasachischem Pass, der zur uigurischen Minderheit gehört. Er soll sein Geld mit Import-Export-Handel im zentralasiatischen Raum gemacht haben, etwa mit Textilien. Ein florierendes Geschäft offenbar, das den Recherchen des Verbundes zufolge vor allem deshalb so gut ging, weil es auf Schmuggel und Korruption basiert haben soll – und darauf, dass speziell der kirgisische Zoll durch Bestechungsgelder kooperierte. Ein früherer hochrangiger Beamter des Zolls war demnach einer der größten Profiteure des Systems. Fragen der Journalisten beantworteten die Beteiligten nicht. Auch unsere Redaktion erhielt von einem Sprecher keine Antwort.

    Die Recherchen des Verbundes basieren maßgeblich auf den Aussagen und Unterlagen eines Informanten, der zuletzt in der Türkei lebte. Der Mann, nach dem Interpol fahndete, beschrieb sich selbst als professioneller Geldwäscher und sagte, er habe die Geldtransfers mitorganisiert und mehr als 700 Millionen US-Dollar von Kirgistan in andere Länder geschafft. Befragen kann man ihn nicht mehr: Im November wurde er in Istanbul erschossen. Laut türkischen Medien wurden drei Tatverdächtige verhaftet, zwei Kirgisen und ein Syrer, die bei der Polizei offenbar angaben, der Mann habe ihnen viel Geld geschuldet.

    Bauarbeiten am Schmiedberg gingen in den vergangenen Tagen weiter

    In Kirgistan haben die Recherchen zu Demonstrationen, Protesten und Ermittlungen geführt. In Augsburg gingen die Bauarbeiten am Schmiedberg in den vergangenen Tagen weiter, Arbeiter waren auf der Baustelle zu sehen. Der Mann aus Dubai scheint ein ernsthaftes Interesse daran zu haben, das Projekt fertigzustellen. Zum etwas diffusen Gesamtbild gehört auch, dass sich der Geschäftsmann keine große Mühe gegeben hat, seine Existenz zu verschleiern, was angesichts der Recherchen erstaunen könnte – sein Name findet sich etwa in öffentlichen Registern und auf Bautafeln, seine Firmengruppe trägt seine Initialen. Sein Immobilienvermögen ist beträchtlich, der Rechercheverbund listet Gebäude in aller Welt auf, die ihm oder seiner Familie gehören, darunter Luxus-Häuser. Es ist nach Auskunft von Experten nicht ungewöhnlich, dass Geschäftsleute und möglicherweise auch Kriminelle aus instabilen Ländern Gelder in deutsche Immobilien stecken. Dort ist das Geld vergleichsweise sicher.

    Zum Gesamtbild gehört auch: Die Tätigkeiten des Geschäftsmannes erregten bei deutschen Behörden bisher nicht mehr als ein Stirnrunzeln. Ermittelt wird gegen ihn in Deutschland nicht, er ist strafrechtlich nie in Erscheinung getreten. Nach Informationen unserer Zeitung überprüfte die Staatsanwaltschaft München I vor Jahren zwar, ob sie gegen den Mann aus Dubai und zwölf weitere Personen ein Ermittlungsverfahren eröffnen soll. Ausgangspunkt war offenbar eine routinemäßige Geldwäscheverdachtsanzeige. Die Behörde sah aber 2018 von der Eröffnung eines Verfahrens ab, sie sah offenbar keinen Anfangsverdacht für eine Straftat.

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