Polizeihauptmeister Mathias Vieth (41) war erst wenige Stunden tot, ermordet im Siebentischwald – da dachten die Ermittler, sie hätten eine heiße Spur. Zwei Männer wurden aufgegriffen, die frühmorgens an unterschiedlichen Stellen in der Nähe des Tatortes waren. Beide Männer waren verdächtig, doch in beiden Fällen stellte sich heraus: Die Männer hatten gezecht und waren auf dem Nachhauseweg. Einer war gestürzt und deshalb schmutzig – was auch von einer Flucht durch den Wald hätte herrühren können.
Die Polizei nahm die Sache zunächst sehr ernst. Zumindest bei einem der Männer, einem 25-Jährigen, rückte nach Informationen unserer Zeitung ein Einsatzkommando an und stürmte dessen Wohnung. Dabei soll die Wohnungstür eingeschlagen worden sein. Angeblich wurde auch eine Blendgranate geworfen. Doch in der Wohnung fanden die Männer keine bewaffneten Gangster – sondern die Mutter des Mannes, Mitte 50, die vorm Fernseher saß und Hausarbeit erledigte. Ihr sitze der Schreck zwei Wochen später noch in den Knochen, sagt Anwalt Michael Weiss, der Mutter und Sohn vertritt.
Der Rechtsanwalt will der Polizei wegen der Stürmung der Wohnung keinen Vorwurf machen. Es gab einen Durchsuchungsbefehl. Und die Situation sei kurz nach dem Mord und der Flucht zweier schwer bewaffneter Täter natürlich sehr angespannt gewesen. Weiss will Mutter und Sohn aber dabei unterstützen, eine Entschädigung zu erhalten – vor allem für den Schaden, der durch den Einsatz in der Wohnung entstanden sei. Er spricht von einem vermutlich vierstelligen Betrag.
Inzwischen steht fest: Beide Männer, die am Tattag ins Visier der Polizei gerieten, sind unschuldig. Mit dem Mord haben sie nichts zu tun. Ebenso ist es im Fall zweier 30 und 35 Jahre alten Männer, die am Donnerstagabend in einem Königsbrunner Einkaufsmarkt festgenommen wurden. Eine Kundin hatte gehört, wie die Männer sich unterhielten. Einer sagte diesen Satz: „Als er nach der Tasche gegriffen hat, habe ich ihm in den Kopf geschossen.“ Die Frau brachte den Satz sofort mit dem Polizistenmord vom 28. Oktober in Verbindung. Nachdem die Täter Mathias Vieth erschossen hatten, waren sie in jener Nacht mit einer schwarzen Tasche geflüchtet.
Die Polizei nahm die Männer im Einkaufsmarkt fest und durchsuchte deren Wohnungen. Es stellte sich heraus: Es bestand kein Zusammenhang, die Männer wollten sich nur „wichtig“ machen. „Die Polizei rät dringend, vor ähnlichem Verhalten Abstand zu nehmen“, heißt es in einer Pressemitteilung.
Unterdessen gibt es aus der Soko „Spickel“, die den Polizistenmord untersucht, wenig Neues. Gestern teilte die Polizei allerdings mit, dass die Schutzweste von Mathias Vieth alle Schüsse abgehalten habe, die tödlichen Kugeln trafen ihn an anderen Stellen – angeblich am Kopf und am Hals. Die Polizei geht nach wie vor davon aus, dass die Täter ein Verbrechen planten und dabei von der Polizeistreife gestört wurden. Die Spekulationen reichen weit: von einem Drogengeschäft bis hin zu einem Anschlag. „Zur Motivlage der Täter, was eine mögliche anschließende Tat betrifft, haben wir keine Erkenntnisse“, sagt Polizeisprecher Udo Dreher. An Spekulationen beteilige sich die Polizei nicht.