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Polizistenmord Augsburg: Ofenspray und Seesack: Kistenweise belastendes Material gegen Brüder

Polizistenmord Augsburg

Ofenspray und Seesack: Kistenweise belastendes Material gegen Brüder

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    Im Indizienprozess gegen die Brüder gibt es viel belastendes Material.
    Im Indizienprozess gegen die Brüder gibt es viel belastendes Material. Foto: Peter Kneffel dpa

    Nehmen wir das Backofenspray. Es wurde beim mutmaßlichen Polizistenmörder Rudi R. zu Hause gefunden. Nicht ungewöhnlich, wenn man einen Backofen hat. Doch mit dem Wissen, dass bei den Raubüberfällen, die R. und sein Bruder Raimund M. ebenfalls verübt haben sollen,

    In Verstecken gefunden

    Tag 6 im Polizistenmord-Prozess. Zehn Polizeibeamte berichteten, was sie alles in den Verstecken der angeklagten Brüder gefunden haben. Und wie das so ist in Indizienprozessen: Wirken die einzelnen Spuren für sich betrachtet vielleicht noch etwas verloren, ergibt die Summe doch eine stark belastende Tendenz für die beiden Brüder.

    Der Mord am Augsburger Polizisten Mathias Vieth

    Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird am frühen Morgen des 28. Oktober 2011 im Augsburger Siebentischwald von unbekannten Tätern erschossen.

    Der Streifenbeamte und seine Kollegin wollen an diesem Freitagmorgen gegen drei Uhr auf einem Parkplatz am Augsburger Kuhsee ein Motorrad mit zwei Männern kontrollieren.

    Die beiden Verdächtigen flüchten sofort in den nahen Siebentischwald, die Beamten nehmen mit ihrem Streifenwagen die Verfolgung auf.

    Im Wald stürzen die Motorradfahrer. Dann kommt es zu einem Schusswechsel zwischen Beamten und Tätern. Der 41-jährige Polizeibeamte wird trotz Schutzweste tödlich am Hals getroffen, seine Kollegin durch einen Schuss an der Hüfte verletzt.

    Die Täter flüchten. Eine anschließende Großfahndung, an der sich mehrere hundert Polizeibeamte beteiligen, bleibt ohne Erfolg.

    Die Augsburger Polizei richtet noch am gleichen Tag eine Sonderkommission ein. Der Soko "Spickel", benannt nach dem Augsburger Stadtteil, in dem die Tat geschah, gehören zunächst 40 Beamte an.

    Zwei Tage nach dem Polizistenmord geben die Ermittler bekannt, dass das Motorrad der beiden Täter in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober 2011 im Stadtgebiet von Ingolstadt gestohlen worden war. Dabei wurde die rund 15 Jahre alte Honda kurzgeschlossen.

    Drei Tage nach dem tödlichen Schusswechsel rückt die Polizei erneut mit einem Großaufgebot im Augsburger Spickel an. Taucher von Polizei und Feuerwehr suchen in den Kanustrecken des Eiskanals nach Gegenständen.

    Am 3. November wird Mathias Vieth bestattet. Am gleichen Tag stockt die Polizei die Soko "Spickel" auf 50 Beamte auf. Zugleich wird die Belohnung, die zur Aufklärung des Polizistenmordes ausgesetzt ist, auf 10.000 Euro erhöht.

    Ein Abgleich von DNA-Spuren, die am Tatort gesichert werden konnten, mit der bundesweiten DNA-Datenbank ergibt laut Polizei keinen Treffer.

    Am 7. November findet im Augsburger Dom die offizielle Trauerfeier für Mathias Vieth statt. Auch Bayerns Innenminister Joachim Herrmann nimmt an ihr teilt.

    Zehn Tage nach dem Augsburger Polizistenmord greift die Sendung "Aktenzeichen XY" den Fall auf. Zwar gehen daraufhin mehrere Hinweise ein, eine heiße Spur ist aber nicht darunter.

    Dezember 2011: Die Belohnung für Hinweise, die zur Ergreifung der Täter führen, wird auf insgesamt 100.000 Euro erhöht.

    Am 29. Dezember 2011 nimmt die Polizei in Augsburg und Friedberg zwei Verdächtige fest. Es handelt sich um die Brüder Rudi R. (56) und Raimund M. (58). Schnell wird bekannt: Der Jüngere hat bereits 1975 einen Augsburger Polizisten erschossen.

    Nach der Festnahme entdecken die Fahnder etliche Waffen und auch Sprengstoff. Belastet wird einer der Verdächtigen durch DNA-Spuren, die am Tatort gefunden wurden.

    Auf die Spur der beiden Männer kamen die Ermittler über ein Fahrzeug. Der Wagen war in Tatortnähe beobachtet worden. Im Zuge der Ermittlungen stellte sich heraus, dass die beiden Brüder des Öfteren mit diesem Wagen unterwegs waren.

    Mitte Januar ergeht auch Haftbefehl gegen die Tochter von Raimund M.. Bei ihr wurden Anfang Januar drei Schnellfeuergewehre und acht Handgranaten gefunden, die ihr Vater und dessen Bruder Rudi R. versteckt haben sollen.

    Im Juli 2012 wird die Tochter von Raimund M. verurteilt. Das Gericht spricht sie wegen Verstößen gegen das Waffen- und Kriegswaffengesetz, wegen Geldwäsche, Hehlerei und Diebstahl schuldig.

    August 2012 Die Augsburger Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen die Brüder Raimund M., 60, und Rudi R., 58, wegen Mordes am Polizisten Mathias Vieth. Außerdem listet die Anklage fünf Raubüberfälle auf.

    Es zeichnet sich ein Mammutprozess ab. Das Landgericht Augsburg setzt mehr als 49 Verhandlungstage an.

    21. Februar 2013: Der Mordprozess gegen die Brüder beginnt unter großen Sicherheitsvorkehrungen - und mit einem Eklat. Rudi R. beschimpft den Staatsanwalt als "Drecksack".

    August 2013: Das Gericht hat den Mordkomplex abgearbeitet und beginnt mit der Beweisaufnahme zu den Raubüberfällen. Viele Beobachter rechnen mit einem Mordurteil.

    September 2013: Ein Gutachter stellt fest, dass sich M.s Gesundheitszustand nach 15-monatiger Isolationshaft so verschlechtert hat, dass er verhandlungsunfähig ist.

    November 2013: Das Gericht setzt den Prozess gegen M. aus. Er bleibt vorerst in Haft. Gegen seinen Bruder Rudi R. wird normal weiterverhandelt.

    Februar 2014: Rudi R. wird zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Das Gericht sieht bei ihm eine besondere Schwere der Schuld und ordnet die anschließende Sicherungsverwahrung an.

    September 2014: Der neue Prozess gegen Raimund M. beginnt.

    Februar 2015: Der Bundesgerichtshof bestätigt das Augsburger Urteil gegen Rudolf R.

    Denn es ist nicht nur das Backofenspray, die Ermittler haben eine Vielzahl weiterer Gegenstände und Spuren gesichert. Einige haben Gewicht. An einem dunkelgrauen Seesack beispielsweise finden sich Blutspuren des ermordeten Polizisten Mathias Vieth und DNA-Spuren an den Gurten von Rudi R. Ein Beamter der Spurensicherung sagte, die Blutspuren hätten wie Spritzer ausgesehen. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass die Angeklagten in diesem

    Ein ähnlich gewichtiges Indiz ist eine DNA-Spur von Raimund M. am Tatort. Das Genmaterial fanden die Spurensicherer innen am Visier eines Motorradhelms, das in der Nähe einer am Tatort zurückgelassenen Pistole der Marke Tokarev lag. Munition, die zu dieser Pistole passt, wurde ebenfalls gefunden. Unter den zwei Dutzend Waffen – darunter Maschinengewehre und Handgranaten – , die in Verstecken gefunden wurden, waren drei Kalaschnikows, die nach Angaben eines Waffenexperten des Landeskriminalamts (LKA) aus Ex-Jugoslawien stammen. Die Ermittler haben recherchiert, dass Raimund M. und Rudi R. mindestens zweimal auf Vermittlung eines Kontaktmannes in Bosnien-Herzegowina waren.

    DNA-Vernichtungsmittel und Auslandswährung aus Überfall

    Weiter beschlagnahmten die Kripo-Leute Fläschchen mit „DNA away“ – ein Mittel, das DNA-Spuren vernichtet. Im Bauernhof eines Verwandten in Friedberg stießen sie auf Video-Kassetten. Darauf zu sehen ist unter anderem, wie der Eingang zur Sparkasse in Dachau längere Zeit gefilmt wurde. Wie ein Ermittler erklärte, gab es einen Überfall-Versuch auf diese Bank.

    Im Bauernhof außerdem sichergestellt: Bargeld in gut einem Dutzend teils exotischer Fremdwährung. Die Summen und Währungen entsprachen denen, die bei einem Raubüberfall gestohlen worden sind. Außerdem fanden die Polizisten Zeitungsartikel über Werttransport-Unternehmen. Überfälle auf solche Firmen werden den beiden auch zur Last gelegt. Bei Überfällen sollen auch unbedruckte Jutetaschen zum Einsatz gekommen sein. Bei Raimund M.s Tochter wurden unbedruckte Jutetaschen gefunden.

    28. Oktober 2011: Der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth wird im Augsburger Siebentischwald erschossen.
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    Im Oktober 2011 wurde der Augsburger Polizeibeamte Mathias Vieth im Dienst erschossen. Die beiden Täter werden später verurteilt.

    Ein besonders interessanter Fund: Die Angeklagten hatten Schlüssel zu diversen Schächten in Lechbrücken. Normalerweise haben nur wenige Menschen zwecks Wartungsarbeiten Zutritt zu diesen Schächten. Solche Hohlräume finden sich auch in Brücken in Tatortnähe. Ein gutes Versteck.

    Fesselung von Raimund M. aufgehoben

    Während es juristisch enger für die Angeklagten wird, hat Raimund M. auf dem medizinischen Sektor einen Erfolg erzielt. Seine Verteidiger Adam Ahmed und Werner Ruisinger haben erreicht, dass der an Parkinson leidende M. während der Verhandlung keine Fesseln mehr tragen muss. Die ständige Fesselung lasse die Gliedmaßen anschwellen.

    Nebenklagevertreter Walter Rubach befürchtet, dass M. sich Verhandlungsunfähigkeit attestieren lassen und sich so „aus dem Verfahren schleichen“ will. Rubach: „Ich empfinde den ständigen Griff in die Elendsharfe als besonders erbärmlich und peinlich angesichts des Elends und des Unglücks, das Herr M. anderen Menschen zugefügt hat.

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