Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Pflege: Pflegedienst unter Betrugsverdacht: Ermittlungen sind schwierig

Pflege

Pflegedienst unter Betrugsverdacht: Ermittlungen sind schwierig

    • |
    Viele Senioren sind auf die Hilfe von Pflegediensten angewiesen.
    Viele Senioren sind auf die Hilfe von Pflegediensten angewiesen. Foto: Ralf Lienert

    Pflegedienste, die sich auf russlanddeutsche Patienten spezialisiert haben, sind wegen mutmaßlicher Betrügereien bundesweit in die Schlagzeilen geraten. Das Bundeskriminalamt hat den Verdacht, dass es sich teilweise sogar um Organisierte Kriminalität handelt. Von einer „Pflege-Mafia“ war deshalb bereits die Rede. Die Ermittlungen gegen verdächtige Pflegedienste gestalten sich aber schwierig. Das zeigt ein Fall aus Augsburg.

    In Augsburg ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen ein Pflegeunternehmen, dem Betrügereien an Krankenkassen und Sozialhilfeträgern mit einem Schaden von über 200000 Euro zur Last gelegt werden. Der Pflegedienst soll abgerechnete Leistungen teils gar nicht erbracht haben. Inzwischen ist Anklage gegen die beiden Geschäftsführerinnen erhoben worden. Ein Prozesstermin vor dem Amtsgericht steht aber offenbar noch nicht fest. Außerdem sind auch insgesamt zehn Beschäftigte des Pflegedienstes ins Visier der Justiz geraten. Sie sollen Beihilfe zum Betrug geleistet haben. Gegen fünf Frauen und einen Mann fand nun ein erster Prozess statt – mit ungewöhnlichen Begleiterscheinungen und ohne Ergebnis.

    Richter unterschreibt Strafbefehle nicht

    Der zuständige Strafrichter Fabian Espenschied hatte die von der Staatsanwaltshaft angepeilten Strafbefehle gegen die sechs Beschuldigten nicht unterschrieben. Ihm reichte offensichtlich die Beweislage gegen die Pflege-Mitarbeiter nicht aus. Die Staatsanwaltschaft beschwerte sich beim Landgericht. Und diese Richter eröffneten das Verfahren schließlich, sodass es nun doch noch zur Verhandlung kam.

    Ungewöhnlich war, dass die sechs betroffenen Mitarbeiter des Pflegedienstes bis zuletzt von keinem Anwalt vertreten wurden. Beim Prozessauftakt erschienen dann allerdings doch sechs Verteidiger.

    Allein die Verlesung der Anklageschriften durch Staatsanwalt Alexander Porsche dauerte fast eine Stunde. Er warf den Angeklagten – fünf von ihnen stammen aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion – insgesamt knapp 150 Einzelfälle der Beihilfe zum Betrug vor. Mit einem Gesamtschaden von etwa 9000 Euro. Sie sollen allesamt nicht erbrachte Leistungen wie Medikamentenabgabe an Patienten, An- und Ausziehen von Kompressionsstrümpfen, Insulin spritzen oder Körperpflege in den Leistungsnachweisen mit ihrem Namenskürzel abgezeichnet haben.

    Verteidiger: Anklage ist mangelhaft

    Gleich zu Beginn stellte einer der Verteidiger, Anwalt Wolfgang Polster, den Antrag, das Verfahren einzustellen, weil die Anklage mangelhaft sei und nicht den Vorschriften entspreche. Das Gericht lehnte ab. Hinter verschlossenen Türen kam es dann zu einem Gespräch über eine mögliche Verfahrensabsprache zwischen dem Anklagevertreter, den Anwälten und dem

    Rechtsanwalt Felix Dimpfl, der den verdächtigen Pflegedienst insgesamt juristisch vertritt, sagte am Rande des Prozesses: „Alles andere als einen Freispruch für alle Angeklagten wird nicht akzeptiert, da an den Vorwürfen nichts dran ist.“ Für die Anklage wird die Beweisführung schwierig werden. Denn die Leistungsnachweise sind lediglich mit einem Namenskürzel abgezeichnet und so schwer zuzuordnen. Richter Florian Espenschied setzte den Prozess schließlich aus. Alle Verteidiger bekommen nun erst einmal Akteneinsicht. Dann wird sich entscheiden, wie es weitergeht.

    Vieles bleibt laut Insidern im Verborgenen

    Insider gehen davon aus, dass die Justiz in vielen Fällen gar nichts von betrügerischen Aktivitäten der Pflegedienste erfährt. Es gebe auch in Augsburg Betrugsfälle, in denen die Patienten Bescheid wissen und das System decken, heißt es. Auch Ärzte seien offenbar verwickelt, weil sie Patienten gezielt Dienste empfehlen. Die Arbeiterwohlfahrt hat schon versucht, Pflegebedürftigen, die sich gegen ein Betrugssystem wehren wollten, beizustehen – allerdings vergebens. In einem Fall wurde offenbar ein kranker Mann, der sich beschwert hatte, von zwei Männern auf der Straße angesprochen – mit entsprechenden Hinweisen und einem vorgehaltenen Messer. Wer das erlebt, überlebt es sich genau, ob er Strafanzeige erstatten soll.

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden