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Neuerscheinung: Der Friedhof als Tor zur Geschichte

Neuerscheinung

Der Friedhof als Tor zur Geschichte

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    Der Wahl-Augsburger Yehuda Shenef hat mit „Das Haus der drei Sterne“ den zweiten Band einer Buchreihe über die jüdischen Friedhöfe in Augsburg geschrieben.
    Der Wahl-Augsburger Yehuda Shenef hat mit „Das Haus der drei Sterne“ den zweiten Band einer Buchreihe über die jüdischen Friedhöfe in Augsburg geschrieben. Foto: Michael Hochgemuth

    Eigentlich wollte Yehuda Shenef Bücher über die Geschichte der jüdischen Bevölkerung in der Region Augsburg schreiben. Dieses Projekt bestimmt schon länger das Leben des Gründers und Ersten Vorsitzenden des Jüdisch-Historischen Vereins

    So schrieb er seine Buchreihe anhand der jüdischen Friedhöfe in Augsburg. Gerade erschien der zweite Titel „Das Haus der drei Sterne“ über den Friedhof in Kriegshaber. Vier Bücher sind bisher geplant, Tendenz nach oben offen. „Wenn es die Bücher nicht gibt, die man gerne lesen möchte, dann muss man sie eben selber schreiben“, sagt Shenef.

    Urkunden, Rechnungen, Briefe – ein wahrer Schatz tat sich auf

    Die drei Sterne sind eine Anspielung auf das Wappen der berühmten jüdischen Familie Ulmo (zu sehen auf dem Buchcover). Sie stellte in den jüdischen Gemeinden der Augsburger Umgebung die Vorsteher und Rabbiner, auf ihre Initiative hin wurde der Friedhof in Kriegshaber 1627 gegründet. So bekamen die im 15. Jahrhundert aus der Stadt vertriebenen Juden eine angemessene Ruhestätte für ihre Toten. Die Gemeinden waren zu dieser Zeit schon verhältnismäßig groß, in Kriegshaber waren etwa 80 Prozent der Häuser an der Hauptstraße in jüdischem Besitz. Bis 1951 fanden auf dem Friedhof Beerdigungen statt.

    Das Buch begleitet seine wechselvolle Geschichte, erzählt von Augsburger Anfeindungen, österreichischem Schutz, Ruhe im Königreich Bayern und Übergriffen während der NS-Herrschaft. Unter anderem führte der Bau eines Wächterhäuschens zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem Augsburger Domkapitel und dem österreichischen Bezirk Burgau, auf dessen Hoheitsgebiet die Gemeinden im 17. Jahrhundert lagen.

    Seine Recherche führte Shenef von den Friedhöfen in die Häuser. Dort fragte er die Bewohner der Ortschaften nach alten Schriftstücken. Und siehe da: Urkunden, Rechnungen, Tagebücher, Briefe - ein wahrer Schatz tat sich auf. „Für diese Quellen interessiert sich selten jemand, denn sie sind in Hebräisch geschrieben. Unter den Historikern hierzulande gibt es wenig Bereitschaft, dafür die Sprache zu lernen“, erklärt Shenef. „Und es findet sich auch kaum jemand, der sie angemessen übersetzen würde.“

    Shenef hat 14 Jahre in Israel gelebt, für ihn ist Hebräisch die zweite Muttersprache. Die erste ist Englisch. Aufgewachsen ist der Autor in den USA, wohin seine Vorfahren aus Polen emigriert sind. Als Teenager ist er, erfüllt vom amerikanischen Patriotengeist, nach

    Hier ist er nun hängen geblieben. Fasziniert von der reichen Alltagsgeschichte, von der seiner Meinung nach viel zu wenig Leute wissen. Durch sein vielseitiges Engagement hat er einen gewissen Bekanntheitsgrad erlangt. „Fast täglich kontaktieren mich Menschen, die möchten, dass ich für sie übersetzte oder ihnen bei Nachforschungen über ihre Familie helfe“, erzählt Shenef.

    Der Tag beginnt mit dem Studium des Talmud

    Für ihn als orthodoxen Juden hat die Beschäftigung mit Geschichte eine religiöse Bedeutung, sie bestimmt einen großen Teil seines Lebens. „Jeder Tag beginnt für mich mit dem Studium des Talmud“, sagt er. Der Talmud ist die erhaltene und fortdauernde Diskussion über die Anwendung der jüdischen Bibel, vergleichbar einer juristischen Urteilssammlung. Aus dieser reichen Überlieferung lernte Yehuda Shenef den respektvollen Umgang mit der Vergangenheit. Er erklärt: „Derjenige, der nicht fest auf dem Grund der Geschichte steht, geht in der Gegenwart verloren.“

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