Der Einzelhandel gehört auch in Augsburg zu den großen Verlierern der Krise. Erste Filialisten wie Reno und Bonita haben die Stadt verlassen, ortsansässige Geschäftsinhaber bangen weiter um ihre Läden und Immobilienexperten rechnen auch in 1a-Lagen mit mehr Leerständen. Doch es gibt auch Hoffnung, denn trotz Krise machen immer wieder Neueröffnungen von sich reden - wenn sie auch manchmal spontan sind und mutig erscheinen.
Das trifft auf die "Ninnerl Trachtenmanufaktur" am Vorderen Lech zu. Inhaberin Martina Miller hat den leer stehenden Laden im November im Vorbeifahren entdeckt und am 5. Dezember eröffnet - mitten in der Corona-Krise und wohl wissend, dass sie womöglich bald wieder schließen muss. "Natürlich habe ich zunächst schon etwas gehadert, ob das der richtige Zeitpunkt ist, aber ich habe es durchgerechnet und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass ich in meiner Situation den Laden stemmen kann, auch wenn einige Zeit nicht geöffnet ist." Zuvor hatte Miller einen Pop-up-Store in der Gögginger Straße, ehe sie in die ehemaligen Räume der Julück Butik (jetzt in der Philippine-Welser-Straße) zog.
Augsburger Händler glauben an ihre Geschäfts-Modelle
Mittlerweile kann Miller Kunden immerhin per Click and Meet betreuen, also mit Termin. Weil sie maßgeschneiderte Dirndl und Lederhosen anbietet, war das auch schon bisher eine gängige Vorgehensweise. "Die Anprobe eines solchen Kleidungsstücks dauert. Das muss geplant werden", sagt sie. Der Zuspruch der Kunden sei deshalb auch in der jetzigen Zeit gut.
Ähnlich bewertet Oliver Mienert die Situation. Er ist Shop-Inhaber des "Absolute Run" in der Annastraße und wollte ursprünglich am 5. Februar starten. Seit 8. März bespielt er die ehemaligen Räume des Modehaus Benesch - dieses wiederum ist in die Flächen des ehemaligen Esprit-Ladens umgezogen - immerhin im Click-and-Meet-Verfahren. Sein Haus bietet unter anderem Laufschuhe an, die individuell auf den Kunden abgestimmt würden. Ebenso wie Dirndl ein beratungsintensives Produkt, das nicht so leicht online bestellt werden könne. Darauf hat Mienert schon vor der Krise gesetzt und sich für ein stationäres Ladengeschäft entschieden. Obwohl er neu in Augsburg gestartet ist, gebe es Zuspruch über Click-and-Meet. "Das ist zwar deutlich weniger als bei einer normalen Neueröffnung, aber prinzipiell bestätigt das den eingeschlagenen Weg."
Gerade beratungsintensive Produkte und Dienstleistungen gelten bei Branchenexperten wie dem Bezirksgeschäftsführer des Handelsverbands, Andreas Gärtner, als erfolgsversprechende Konzepte, die auch in Krisenzeiten Potenzial haben, sich zu behaupten. Wer individuelle Ware wolle, könne nicht auf den Online-Handel ausweichen, so das Argument. Dazu gehen Branchenkenner in einem aktuell von der Regio Augsburg Wirtschaft GmbH veröffentlichten Marktreport davon aus, dass es in Innenstädten eine Nutzungsverschiebung geben wird - weg vom Modehandel hin zu Systemgastronomie und Nahversorgung. Hier bestünden Chancen, Leerstände wieder zu füllen. Die Eröffnung von Royal Donuts in der Steingasse oder der Werkstatt für Genuss in der Maximilianstraße - beide übrigens auch in Lockdown-Phasen - sind auch in Augsburg erste Anzeichen dafür.
Enkel von Konrad Adenauer setzt auf Augsburg
Dass man klassische Branchen trotz aller aktuellen Schwierigkeiten nicht abschreiben muss, zeigt die baldige Eröffnung von "Adenauer & Co" in der Annastraße. Das Modehaus wurde vom Enkel des ersten deutschen Bundeskanzlers, Konrad Adenauer, gegründet und als Franchise-Unternehmen angelegt. Andreas Adenauer hat sich auch dafür eingesetzt, dass es ab 29. März in Augsburg maritime Freizeitmode von "Adenauer & Co" zu kaufen gibt. "Schon im ersten Lockdown haben wir nach einer passenden Immobilie gesucht, weil wir vom Standort Augsburg überzeugt sind", sagt Achim Kalmbach, dessen Frau Zara Inhaberin des Shops sein wird und bereits das Modegeschäft "Oui" im Antoniushof leitet. Das Risiko, dass man coronabedingt vorerst nur eingeschränkt öffnen kann, habe man einkalkuliert. Danach gehe man von einem erfolgreichen Geschäft aus.
Die Innenstädte werden nach der Krise also anders aussehen, der Besatz an Mietern wird sich verändern. Weil an vielen Stellen die Mieten schon jetzt teils drastisch zurückgehen, hätten künftig auch wieder mehr inhabergeführte Läden die Chance, sich in besten Lagen niederzulassen, sagen Handelsexperten. Das böte Chancen. Die aktuellen Neueröffnungen, dazu gehört seit Herbst auch der syrische Spezialitätenladen „Al-Shahba" in der Altstadt, seien schon jetzt ein positives Signal, so traurig gleichzeitig jede einzelne Geschäftsaufgabe während der Krise sei.
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