Die Kameras können die Tat nicht verhindern, aber sie zeichnen alles genau auf. So können die Ermittler der Kriminalpolizei genau nachvollziehen, wie der 49-jährige Feuerwehrmann am Freitagabend am Königsplatz attackiert und getötet worden ist. Die Bilder helfen auch dabei, die sieben tatverdächtigen Jugendlichen und jungen Männer – sie sind zwischen 17 und 20 Jahre alt – schnell zu überführen. Die Kameras werden von der Polizei betrieben und sind seit Dezember vorigen Jahres installiert. Der Kö ist nach Einschätzung der einzige Kriminalitätsschwerpunkt in Augsburg, an dem die Häufung von Straftaten eine Videoüberwachung rechtfertigt.
Insgesamt leuchten 15 Kameras fast jeden Winkel des Platzes aus. Elf Geräte sind wahre Adleraugen, sogenannten Multifokal-Kameras. Sie können auch aus weiter Entfernung Gesichter und Details so genau erfassen, dass man die Bilder gut als Fahndungsbilder nutzen kann. Eine Kamera lässt sich auch schwenken. Auch die Bilder aus der Tatnacht sind so gut, dass sich die Gesichter der Verdächtigen erkennen lassen. Eine Aufnahme etwa zeigt die Jugendlichen vor der Tat, wie sie mit Pappbechern in den Händen scherzend über den Platz gehen.
Am Königsplatz passieren die meisten Gewalttaten in Augsburg
Der Königsplatz gilt als Treffpunkt von Jugendlichen mit teils schwierigem sozialen Hintergrund. Auch Kleindealer und die Süchtigenszene suchen den Platz auf. Tatsächlich gibt es hier auch – im Vergleich zu anderen Plätzen in der Stadt – die meisten Gewalttaten. Im Zeitraum von Januar bis September dieses Jahres zählte die Polizei am Kö 86 sogenannte Rohheitsdelikte – darunter fassen die Beamten Taten wie Körperverletzungen, Raubdelikte und Nötigung zusammen. Sie gelten als bedeutend für das Sicherheitsgefühl der Menschen. Von 80 Tatverdächtigen, die dabei ermittelt worden sind, hatten 41 Personen einen deutschen Pass. Unter den 39 Tatverdächtigen mit ausländischem Pass waren 33 Flüchtlinge. Zum Vergleich: Am Rathausplatz gab es im selben Zeitraum in diesem Jahr 39 Rohheitsdelikte, auf dem Helmut-Haller-Platz waren es 22 und auf dem Moritzplatz sieben solche Taten. Kam es zu Gewalt, so spielte sich das bisher meist innerhalb der Milieus ab – etwa in der Süchtigenszene. Vereinzelt wurden allerdings auch Passanten angepöbelt.
Die Polizei beobachtet die Sicherheitslage auf den Plätzen seit Jahren genau. Zuletzt stellten die Beamten nur wenige Veränderungen fest. Die Straftaten bewegen sich seit Jahren auf einem ähnlichen Niveau. Vor zwei Jahren, 2017, war die Zahl der Rohheitsdelikte am Kö mit 123 Fällen auch schon einmal deutlich höher.
Ordnungsreferent Dirk Wurm (SPD) sagt, die Stadt habe in den vergangenen Jahren einiges unternommen, um für Sicherheit zu sorgen – gerade in der Innenstadt. So sei die Zahl der Mitarbeiter des städtischen Ordnungsdienstes von 12 auf aktuell 25 mehr als verdoppelt worden. Außerdem spreche die Stadt seit einiger Zeit auch Betretungsverbote für die Innenstadt aus. Wer durch Gewalttaten im Nachtleben oder Angriffe auf Beamte auffällt, kann freitags, samstags und vor Feiertagen zwischen 22 und 6 Uhr aus der Innenstadt verbannt werden. Denn immer wieder ist es die sogenannte „Partyszene“, die durch Gewalt auffällt. In den vergangenen Jahren gab es auch Schwerpunkteinsätze in der Partyszene. Die Beamten des Innenstadtreviers wurden an den Wochenenden von der Bereitschaftspolizei unterstützt, um verstärkt Präsenz zeigen zu können.
Was die Stadt Augsburg für die Sicherheit tut
Die Tatverdächtigen vom Königsplatz durften sich in der Innenstadt aufhalten. Ein Betretungsverbot lag gegen keinen vor. Und sie wollten am Freitagabend hier feiern gehen. Es war erst der Beginn des Abends. Einige aus der Gruppe hatten aber wohl schon mit Hochprozentigem „vorgeglüht“. Nach Informationen unserer Redaktion war ein Teil von ihnen zwar bereits polizeibekannt, darunter auch der mutmaßliche 17-jährige Haupttäter mit deutschem, türkischem und libanesischem Pass. Als sogenannter jugendlicher Intensivtäter, im Polizeijargon nur kurz „Juit“ genannt, der wiederholt durch schwerere Straftaten auffällt, galt bisher aber keiner der Tatverdächtigen.
In einer aktuellen Folge unseres Podcasts erklärt Reporter Stefan Krog die Hintergründe der Tat am Königsplatz – und erzählt, wie Journalisten mit dem Fall umgehen.
Ordnungsreferent Dirk Wurm sagt, die Stadt habe, was die Sicherheit angehe, ihre Hausaufgaben gemacht. Es sei aber illusorisch zu glauben, man könne jede Gewalttat verhindern. Wurm spricht sich aber dennoch dafür aus, den städtischen Ordnungsdienst in den kommenden Jahren weiter auszubauen. „Ich bin überzeugt, dass die Präsenz von Polizei und Ordnungsdienst am meisten bewirken kann.“ Kameras, das zeige auch die aktuelle Tat, könnten ein wichtiges Werkzeug für die Aufklärung sein. Verhindern könnten sie Straftaten aber eher nicht, so Wurm. In aggressivem Zustand denke ein Täter wohl er nicht daran, dass es die Kameras gibt.
Im bundesweiten Vergleich gilt Augsburg aktuell als zweitsicherste Großstadt in Deutschland – nach dem benachbarten München. Das bezieht sich auf die Gesamtzahl aller Straftaten, vom Mord bis zum Fahrraddiebstahl. Betrachtet man nur die Gewalttaten, schneidet Augsburg nicht mehr ganz so gut ab. Bei Gewalttaten landet Augsburg in der Sicherheitsrangliste auf Rang 37 der 81 deutschen Großstädte – mit 307 Taten je 100.000 Einwohner im vorigen Jahr. Im Bayernvergleich schneidet München (12.) besser ab, Nürnberg (49.) dagegen schlechter.
Zur Gewaltkriminalität werden alle Straftaten gezählt, die mit einem gravierenden Angriff auf eine Person verbunden sind – etwa Mord, Raub, Vergewaltigung oder gefährliche Körperverletzung. Schaut man auf die schweren Sexualstraftaten wie Vergewaltigung oder besonders schwere Fälle von sexuellen Übergriffen, liegt Augsburg im Sicherheitsranking auf Rang 32 mit 13 Taten je 100.000 Einwohner. Einen traurigen Platz belegt Augsburg bei Gewalttaten, die sich gegen Polizeibeamte richten. In keiner bayerischen Großstadt wurden voriges Jahr so viele Beamte angegriffen wie hier. Auch diese Übergriffe ereignen sich oft im Nachtleben, die Täter sind meist betrunken.
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