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Augsburg: Nach dem Pflege-Skandal: Was hat sich im Seniorenheim geändert?

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Nach dem Pflege-Skandal: Was hat sich im Seniorenheim geändert?

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    Dieses Pflegeheim an der Schäfflerbachstraße stand im Sommer in der Kritik. Angehörige hatten öffentlich auf die schlimmen Zustände in der Einrichtung des Konzerns Korian hingewiesen – und sie haben dadurch einiges bewegt. Die Heimleitung wurde ausgewechselt und auch sonst gab es einige Änderungen.
    Dieses Pflegeheim an der Schäfflerbachstraße stand im Sommer in der Kritik. Angehörige hatten öffentlich auf die schlimmen Zustände in der Einrichtung des Konzerns Korian hingewiesen – und sie haben dadurch einiges bewegt. Die Heimleitung wurde ausgewechselt und auch sonst gab es einige Änderungen. Foto: Leonie Küthmann

    Drei Monate sind seit Berrin Berkers Hilferuf auf Facebook vergangen. In einem langen Beitrag hatte die Augsburgerin Ende Juni ihrem Frust über die Missstände im Haus am Schäfflerbach freien Lauf gelassen. In dem Seniorenheim im Textilviertel lebt ihre 80-jährige Mutter. Mit diesem Hilferuf, der im sozialen Netzwerk über 2500 Mal verbreitet wurde, hat Berker weitere Angehörige ermutigt, an die Öffentlichkeit zu gehen. Doch was hat sich seitdem im Heim getan?

    Offenbar viel. Berrin Berker und ihre „Mitstreiterin“ Anita Pampel-Gholar sagen beide, dass sie inzwischen gerne in das Seniorenheim gehen, um ihre Mütter zu besuchen. Das sah bis vor einigen Wochen noch anders aus. Berker berichtete von einem „Fraß“, der den Bewohnern aufgetischt werde. Sie kritisierte unter anderem, dass am Essen gespart wurde und so gut wie nie Obst oder frisches Gemüse auf den Tisch kam. Ihre Beschwerden seien immer ignoriert worden. Pampel-Gholar prangerte die hygienischen Zustände an, veröffentlichte Bilder von verkoteten Toilettensitzen. Zudem berichtete sie von einem Vorfall mit ihrer demenzkranken Mutter.

    Der Augsburger Pflege-Skandal schlug hohe Wellen

    Sind zufrieden damit, was sie erreicht haben: Berrin Berker und Anita Pampel-Gholar (l.) hatten die Missstände im Seniorenheim angeprangert.
    Sind zufrieden damit, was sie erreicht haben: Berrin Berker und Anita Pampel-Gholar (l.) hatten die Missstände im Seniorenheim angeprangert. Foto: Leonie Küthmann

    Die Seniorin kam damals aus dem Krankenhaus ins Heim zurück, wo sie Blut erbrach. Doch anstatt medizinische Hilfe zu holen, sei lediglich die Kleidung der Heimbewohnerin gewechselt worden. Erst auf das Bitten der Tochter hin wurde der Notarzt gerufen. „Der war fassungslos über den Zustand meiner Mutter. Er sagte, sie hätte verbluten können,“ berichtete Pampel-Gholar. Der Skandal, den beide Frauen öffentlich machten, schlug hohe Wellen. Der private Träger Korian, eine europäische Aktiengesellschaft mit Sitz in Paris und allein 234 Pflegeheimen in Deutschland, reagierte umgehend.

    Schnell wurde betont, dass diese Umstände nicht den Ansprüchen Korians entsprächen. Man räumte Fehler ein und entschuldigte sich bei Angehörigen. Korian schickte Mitarbeiter des Qualitätsmanagements nach Augsburg. Sie nahmen den Heimbetrieb vor Ort unter die Lupe. Laut Korian wurden Schulungen und fachliche Beratungen durchgeführt. Es dauerte keine zwei Wochen, da wechselte die Heimleitung. Für die Angehörigen Berrin Berker und Anita Pampel-Gholar war dies der Beginn des Neuanfangs im Haus am Schäfflerbach.

    „Mit der neuen Heimleitung bemerkten wir innerhalb weniger Tage Veränderungen“, berichtet Berker. Den Schilderungen der beiden Frauen zufolge, steht jetzt Wasser auf den Tischen. Es gibt geschnittenes, frisches Obst, am Eingang sorgen Wellensittiche in einer Voliere für eine nette Stimmung. „Das Haus riecht anders, nicht mehr nach Urin wie vorher.“ Die alten Teppichböden verschwinden nach und nach, den Bewohnern werde mehr Programm geboten, wie unlängst ein hausinternes Oktoberfest. Auch Hygiene und Pflege hätten sich spürbar verbessert.

    Unter der neuen Leitung wurde vieles besser

    „Früher kam ich ins Heim, um meiner Mutter die Nägel zu schneiden und ihre Wäsche zu wechseln. Heute komme ich nur auf Besuch, weil schon alles gemacht ist“, beschreibt Anita Pampel-Gholar die Veränderung. Beide Frauen finden, dass unter der neuen Heimleitung wieder eine gute Atmosphäre und eine professionellere Pflege eingekehrt sind. So wie früher, als das Heim noch Casa Reha hieß und einen anderen Träger hatte.

    „Diese Frau hat mit ihren 30 Jahren alles im Griff“, loben die Angehörigen die Heimleiterin. Sie habe nicht nur ein herzliches Gemüt, sondern fordere von ihren Mitarbeitern klar ein, was in der Pflege nötig ist. „Sie langt auch mal selbst mit an“, hat Berker beobachtet. Die neue Einrichtungsleiterin Samantha-Sandy Burgmeier hat selbst eine genaue Vorstellung vom Ablauf im Haus am Schäfflerbach.

    Wie sie sagt, legt sie Wert auf offene Kommunikation, Weiterbildung und den regelmäßigen Austausch mit den Mitarbeitern. Froh sei sie, dass die Kollegen mit ihren Sorgen und Verbesserungsvorschlägen inzwischen zu ihr kämen. „Die Mitarbeiter sind unser wichtigster Faktor“, betont Burgmeier. „Geht es ihnen gut, geht es auch den Bewohnern gut.“ Für Korian, so sagt eine Unternehmenssprecherin, sei das oberste Ziel, das Vertrauen der Bewohner und ihrer Familien wieder zu gewinnen. Heimleiterin Burgmeier weiß, dass der Weg noch weit ist. „Vertrauen braucht Zeit.“

    Ein Pflege-Experte ist überrascht

    Wer vom Verhalten des Trägers überrascht ist, ist der bekannte Pflegeexperte Claus Fussek. Der 66-jährige Münchner stand mit den Augsburgerinnen Berker und Pampel-Gholar in Kontakt. „Korian geht überraschend professionell und selbstkritisch mit dem Fall um“, findet er. Dies sei in der Pflegelandschaft ungewöhnlich. Es hätte ihn weniger gewundert, wenn der Träger mit Anwälten gegen die Frauen vorgegangen wäre. Ihnen zollt Fussek großen Respekt. „Dass jemand mit Gesicht und Namen an die Öffentlichkeit geht und Missstände benennt, obwohl sich die Angehörigen in Obhut des Heims befinden, ist äußerst selten.“

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar von Ina Marks: Mit ihrem Mut setzten sie Träger unter Druck

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