Der Prozess, der an diesem Dienstag vor dem Augsburger Landgericht beginnen soll, hat es in sich. Und das in mehrfacher Hinsicht. Das Verfahren ist geeignet, die Busbranche in der Region Augsburg durcheinander zu wirbeln. Denn angeklagt sind insgesamt acht Verantwortliche von sechs Busfirmen. Sie sollen, so der Vorwurf, durch Absprachen den Wettbewerb im öffentlichen Nahverkehr torpediert haben – letztlich zulasten der Allgemeinheit. Gleichzeitig ist der Prozess aber auch ein Stresstest für die Justiz in Corona-Zeiten. Denn vier der acht Angeklagten haben den 80. Geburtstag bereits gefeiert. Sie gehören damit zur Risikogruppe, die sich auf keinen Fall mit dem Coronavirus infizieren sollte. Auch das sorgte schon im Vorfeld für Wirbel.
Die Wirtschaftskammer des Landgerichts hat sich für das Verfahren einen großen Saal im Justizgebäude Am Alten Einlass reserviert. Nach Informationen unserer Redaktion haben aber mehrere Verteidiger dennoch ihre Bedenken geäußert, ob ein solcher Mammutprozess angesichts der Corona-Pandemie vertretbar ist, zumal die Mehrzahl der Angeklagten bereits im Seniorenalter ist. Aller Voraussicht nach wollen sie das auch zum Prozessauftakt noch einmal vorbringen. Das Gericht hatte eigens einen Hygienespezialisten damit beauftragt, ein Corona-Konzept für den Prozess zu erstellen. Es gelten nun strenge Abstandsregeln und eine Maskenpflicht für alle Beteiligten auf dem Weg zu ihren Plätzen. Außerdem werden alle Plätze vor jedem Prozesstag desinfiziert.
Prozess um mutmaßliches Bus-Kartell in Augsburg: Die Vorgeschichte reicht weit zurück
Dass die Angeklagten teils schon älter als 80 Jahre sind, liegt auch daran, dass die Vorgeschichte des Prozesses weit zurückreicht. Im Zentrum des Kartellverdachts steht die Regionalbus Augsburg GmbH, kurz RBA. Einst ein Staatsbetrieb, der zur Bahn gehörte. Vor rund drei Jahrzehnten wurde die RBA von der damals schwarz-gelben Bundesregierung privatisiert. Sie ging – mit Unterstützung der Politik – mehrheitlich an regionale Busfirmen. Von da an waren die RBA-Besitzer Platzhirsche in der Region. Und sie sollen später, so sehen es die Ermittler, auch das Kartell gebildet haben.
Ins Rollen kam alles im Jahr 2015 durch einen anonymen Hinweis, der beim Bundeskartellamt einging. Ein Jahr später durchsuchten Ermittler unter anderem die RBA-Zentrale in Augsburg. Die Beamten stießen bei ihren Ermittlungen auf ein 14 Jahre altes Dokument, welches nach Ansicht der Staatsanwaltschaft den Verdacht belegt. Die Busunternehmer hatten vereinbart, sich bei Regionalbuslinien keine Konkurrenz zu machen. Wer sich nicht daran hielt, sollte 100.000 Euro Strafe zahlen. In der Anklage werden Linien im Bereich des Augsburger Verkehrsverbunds (AVV) und im Kreis Dillingen aufgezählt, bei denen die Absprache gegriffen haben soll. Es geht dabei nur um Fälle aus den Jahren 2015 bis 2017, das Volumen dieser Aufträge liegt laut Staatsanwaltschaft bei rund 70 Millionen Euro.
Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft gegen über 20 Personen ermittelt. Gegen einige Beschuldigte wurden die Verfahren aber eingestellt. Mehrere Verantwortliche zweier Busunternehmen agieren als Kronzeugen, sie haben sich gegenüber den Ermittlern zu den Absprachen in der Branche geäußert. Im Gegenzug wurden die Verfahren gegen sie eingestellt, sie haben damit strafrechtlich eine weiße Weste. Als Auflage mussten sie aber nach Informationen unserer Redaktion eine sechsstellige Summe zahlen, bei einem war es sogar ein Millionenbetrag. Die nun angeklagten Busunternehmer sind offenbar aber der Ansicht, sich nicht strafbar gemacht zu haben. Ein wichtige Frage im Prozess wird sein, ob die Kartell-Vereinbarung nur auf dem Papier existierte - oder ob sie auch, wie angeklagt, in die Tat umgesetzt wurde.
Der AVV ist von dem Fall betroffen – und prüft Schadenersatzforderungen
Von dem mutmaßlichen Buskartell soll vor allem der Augsburger Verkehrsverbund (AVV) betroffen gewesen sein, der Aufträge dann mangels weiterer Angebote möglicherweise zu teuer vergeben musste. Der Verbund wird von Stadt und Landkreis Augsburg sowie den Kreisen Aichach-Friedberg und Dillingen getragen. Eine Sprecherin des Verbunds kündigt an, dass der AVV den Prozess genau beobachten werde und sich vorbehalte, bei den Firmen auch Schadenersatzansprüche geltend zu machen.
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