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Müllberg-Serie (9 und Ende): Der Augsburger Müllberg: Ein Lager wertvoller Ressourcen

Müllberg-Serie (9 und Ende)

Der Augsburger Müllberg: Ein Lager wertvoller Ressourcen

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    Der Augsburger Müllberg, im Bild hinter der Autobahn gelegen) ist ein Lager für wertvolle Ressourcen. Ob und wie sie jemals geborgen werden, dürfte allerdings eine Frage sein, die erst künftige Generationen beantworten können.
    Der Augsburger Müllberg, im Bild hinter der Autobahn gelegen) ist ein Lager für wertvolle Ressourcen. Ob und wie sie jemals geborgen werden, dürfte allerdings eine Frage sein, die erst künftige Generationen beantworten können. Foto: Ulrich Wagner

    Nicht die Höhe von Müllbergen, sondern deren Inhalt interessierte 2013 eine Forschergruppe der Technischen Universität Braunschweig. Stillgelegte Müllkippen bezeichnen sie als „heimliche Wertstoff-Ressourcen“. Sie errechneten, dass sich in deponierten Siedlungsabfällen Rohstoffe im Wert von mindestens 60 Milliarden Euro verbergen. In Deutschland lagern insgesamt rund 2,5 Milliarden Tonnen Altmüll. Die Wissenschaftler zogen ihre Erkenntnisse aus einem aufwendigen Pilotprojekt: Sie analysierten rund 8000 Tonnen gemischtes Deponiegut einer 20 Jahre zuvor versiegelten Mülldeponie nördlich von Minden.

    Der Studie zufolge enthalten stillgelegte Müllkippen energiereiche Materialien, die als Ersatzbrennstoffe für Öl oder Gas verwertbar wären. Es könnten bis zu zehn Prozent des Mülls sein. Daneben verbergen sich darin Edelmetalle, Kupfer, Zinn, Zink, Blei, Aluminium und Cadmium. Auch Phosphor, Quecksilber und geringe Mengen wertvollster Metalle aus „Seltenen Erden“ schlummern in solchen von Menschen angehäuften „Schatzbergen“, wie sie Deponien mit Siedlungsmüll bezeichneten.

    Bergbau in der Stadt

    Für die Nutzbarmachung von Menschen erzeugter Rohstoffe hat sich der Fachbegriff „Urban Mining“ (Übersetzung: „Bergbau im städtischen Bereich“) entwickelt. Der Rückbau von Deponien stellt nur einen Teil dieses „Urban Mining“ dar. „Landfill Mining“ nennt sich diese Sparte. Sie umfasst die Wertstoffgewinnung durch Rückbau und Aufbereitung von Deponiegut. Diesem Spezialgebiet widmeten 2013 sich die Wissenschaftler in Minden.

    2013 war eine Verwertung von gemischtem Deponiegut wirtschaftlich noch nicht gewinnbringend. Stiegen die Rohstoffpreise im selben Maße wie bisher, lohne sich die Verwertung von Altdeponien eines Tages aber, prophezeiten die Wissenschaftler. Ökologisch sei ein Rückbau mit Rückführung des deponierten festen Materials in den Stoffkreislauf ohnehin wünschenswert. Technologisch ist dies erst in der Erprobung, bei Deponiegasen ist die Verwertung wie in Augsburg bereits Standard.

    Der Augsburger Müllberg entspricht als Altdeponie dem Muster der Studie. Von 1955 bis 1994 wurde dort gemischter Siedlungs- und Gewerbemüll deponiert. Es konnte alles abgekippt werden. Im Müllberg liegen Autobatterien genauso wie Kühlschränke, Gegenstände aus Holz und Metalle. Ein Teil bestand aus organischem Material aus dem Hausmüll, Baumschnitt und Gartenabfällen. Darum „gärt“ es noch immer im Berg. Das belegen die nach wie vor in großen Mengen entstehenden Gase. In Bayern wurden bereits Deponie-Rückbauten durchgeführt. Sie waren durch Verkehrsprojekte, Sanierungen, wegen Grundwasserproblemen oder durch anderweitige Nutzung der Deponieflächen nötig geworden. Dabei wurde die Problematik solcher Projekte offenbar. Ob sich Recycling wirtschaftlich lohnt, konnte selbst durch Erkundungsbohrungen im Vorfeld nicht festgestellt werden.

    Im Mai 2002 lag zu „Landfill Mining“ ein erster bayerischer Arbeitsbericht vor. Eine Erkenntnis daraus: Es müssten erst spezielle Arbeits- und Sortiermethoden zur Beherrschung der beim Abbau gefährlicher Stoffe auftretender Emissionen entwickelt werden. Das wurde auch 2013 festgestellt.

    Bleibt der Müllberg ein Aussichtsberg oder wird er recycelt?

    Deponierückbauten zur Gewinnung von Rohstoffen im Müll wurden mit Ausnahme von zwei kleineren firmeneigenen Deponien in Bayern bislang noch nicht durchgeführt. Deshalb wollten 2017 Fachleute die Frage, ob die Augsburg-Gersthofer Deponie dauerhaft ein Aussichtsberg und ein Müll-Endlager bleibt oder irgendwann recycelt wird, nicht beantworten. Soviel sei klar: Auf diese Deponie träfen alle Unsicherheitsfaktoren zu, die sich bislang bei Rückbauprojekten gezeigt hatten. Ob sich der Müllberg irgendwann für „Landfill Mining“ lohnt, darüber entscheiden wohl erst künftige Generationen.

    Bis dahin bleibt die Augsburg-Gersthofer Deponie die gewaltigste von Menschen angehäufte Erhebung in der Region. Dass der künstliche Berg aus Abfall und anderem entsorgten Material besteht, ist ihm großteils nicht mehr anzusehen. Der große rekultivierte Teil ähnelt einem natürlichen breiten Hügel mit einem Waldgürtel, überragt von sanften grünen Graskuppen. Für seine Nutzung als Erholungslandschaft gibt es in Deutschland nicht nur bei Schutt- und Müllbergen Parallelen: Etliche durch den Braunkohleabbau entstandene Seenlandschaften wurden zu Erholungsgebieten umgewandelt. Sie werden oftmals als „Paradiese aus zweiter Hand“ bezeichnet.

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