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Müllberg-Serie (6): Der Müllberg liefert Strom für 312 Haushalte

Müllberg-Serie (6)

Der Müllberg liefert Strom für 312 Haushalte

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    Am Weg zur höchsten Kuppe des Müllbergs begleiten Gassammelschächte mit zentnerschweren Betondeckeln die Bergbesteiger.
    Am Weg zur höchsten Kuppe des Müllbergs begleiten Gassammelschächte mit zentnerschweren Betondeckeln die Bergbesteiger. Foto: Sammlung Häußler

    In Mülldeponien werden organische Stoffe durch biochemische Prozesse abgebaut. Dadurch entstehen Gase. Eine Tonne Hausmüll produziert im Lauf von rund 20 Jahren zwischen 150 und 250 Kubikmeter „Deponiegas“. Es ist eine Mischung aus Methangas, Kohlenstoffdioxid und Stickstoff sowie – je nach Zusammensetzung des Mülls – einer Reihe weiterer Gase und flüchtiger Stoffe in geringen Mengen.

    Der Großteil dieser Gase ist umweltschädlich. Deponiegas aus Siedlungsmüll steht jüngsten Forschungen zufolge aufgrund des hohen Methangasgehaltes weltweit an sechster Stelle der Methangas-Produzenten, die das Klima am stärksten beeinträchtigen. Der Klimakiller Methan ist jedoch auch ein wertvoller regenerativer Energieträger.

    Augsburger Klärwerk erzeugt Strom für einen ganzen Stadtteil

    In Augsburg geschieht die Methangas-Verwertung am effektivsten im Klärwerk. Dort werden leistungsstarke Motoren mit biologisch entschwefeltem Methangas betrieben, das in großen Mengen bei der Abwasserreinigung entsteht. Die Gasmotoren treiben Stromgeneratoren an. Die im Klärwerk erzeugte Elektrizität würde den Bedarf des Stadtteils Kriegshaber decken, wird aber überwiegend als Betriebsstrom verbraucht.

    Das in der Altmülldeponie Augsburg-Nord entstehende Deponiegas wird in ähnlicher Weise verwertet. Das Gemisch wird über Sammelleitungen abgesaugt. Seit Februar 1995 wird die Energiequelle Methangas in Kleinkraftwerken „verstromt“.

    Das heißt: Gas fließt rein, Elektrizität kommt raus. Das Gas treibt einen Motor an, an den ein Stromgenerator gekoppelt ist. Das geschieht am Rande des Müllbergs in einem kleinen Betriebshof beim südlichen Publikumseingang.

    Rohre im Müllberg fangen Gase auf

    Um die in dem riesigen Hügel der Altdeponie produzierten Gase abzufangen, wurden ab 1988 senkrecht und waagrecht Kunststoffrohre im Berg verlegt. Die perforierten Rohre führen zu Betonschächten, in denen sich die Gase sammeln. Rund 60 Kilometer Kunststoffrohre und 104 mit einer Betonplatte gedeckelte Gasschächte gibt es inzwischen.

    Die Gase werden durch leichten Unterdruck zur Verwertungsstelle beim Firnhaberauer Müllberg-Zugang gesogen. Die energetische Nutzung von Deponiegasen ist ab einem Methangas-Anteil von etwa 40 Prozent sinnvoll. In der Augsburger Mülldeponie liegt er derzeit bei 48,8 Prozent.

    Die alle drei Jahre veröffentlichte „Konsolidierte Umwelterklärung“ der Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetriebe enthält detaillierte Informationen zum Deponiegas und dessen Verstromung.

    Daraus nur einige Zahlen: 2011 „lieferte“ der Müllberg 1,71 Millionen Kubikmeter Gase, 2012 noch 1,63 Millionen Kubikmeter. 2013 folgte ein Einbruch auf 822.000 Kubikmeter. Seither hat sich die abgesaugte Menge auf etwas unter 900.000 Kubikmeter pro Jahr stabilisiert.

    Gas muss getrocknet werden, ehe es verwendet wird

    Das im Müll erzeugte Deponiegas ist nicht unbehandelt als Treibstoff verwendbar. Es muss getrocknet und verdichtet werden, ehe es in den Motor gepresst wird. Sollte mehr Deponiegas anfallen, als der Motor verbraucht, oder wenn dieser ausfällt, erfolgt die Verbrennung in speziellen Hochtemperatur-Gasfackelanlagen.

    Giftige oder ozonzerstörende Bestandteile werden dabei umweltschonend und rückstandsfrei zerstört. Zwei solche kaminartige Verbrennungsanlagen befinden sich beim Südeingang zum Müllberg, nur noch eine Fackel ist in Betrieb.

    Bis zum Jahr 2006 speiste das von deponiertem Müll produzierte Gas drei Gasmotoren mit einer Spitzenleistung von 2060 Kilowatt (kW). 2017 reicht das Deponiegas nur mehr für einen Motor, der einen Stromgenerator mit einer Leistung von 170 kW antreibt. Er ist in einem mobilen schallisolierten Container „eingehaust“.

    Gasproduktion im Müllberg sinkt

    So wie die Gasproduktion im Berg abnimmt, gehen die erzeugbaren Strommengen zurück. 1996, im ersten vollen Betriebsjahr, waren es 14,6 Millionen Kilowattstunden (kWh). 2006 betrug die Stromerzeugung lediglich noch 2,1 Millionen kWh. Tendenz: weiter sinkend.

    2012 gab es nur mehr 1,25 Millionen kWh, 2014 wurde die Million knapp unterschritten. Im Jahr 2015 reichte das Deponiegas für 754.400 kWh Strom, 2016 für 749.864 kWh. Diese Strommenge entspricht dem Jahresbedarf von 312 Augsburger Durchschnittshaushalten (je 2400 kWh).

    Einen Teil des Stroms verbraucht die Anlage selbst

    Die Lechwerke AG (LEW) betrieb über zwei Jahrzehnte lang die Deponiegas-Verstromung. Im Juni 2017 ging das Gas-Kleinkraftwerk in den Besitz der Stadt Augsburg über. Der Abfallwirtschafts- und Stadtreinigungsbetrieb der Stadt ist nun dafür zuständig.

    Ein Teil des elektrischen Stroms (bislang rund 130.000 kWh pro Jahr) wird vor Ort als Eigenbedarf verbraucht, der Großteil ins Netz eingespeist.

    Gasverstromung der Mülldeponie lohnt sich

    Die Gasverstromung lohnt sich trotz zurückgehender Gasproduktion in der Mülldeponie weiterhin. Die Gründe: Der Altmüll dürfte noch etliche Jahre Methangas kostenlos liefern und die Einnahmen aus dem damit in der automatisierten, fernüberwachten Anlage erzeugten Ökostrom übersteigen die mit der Stromproduktion verbundenen Kosten. Dazu trägt die Förderung nicht unerheblich bei.

    Ökologische Gründe, Deponiegase nicht nutzlos „abzufackeln“, sondern im Kleinkraftwerk zu Strom zu machen, gibt es viele: Der Einsatz fossiler Brennstoffe in Großkraftwerken verringert sich und dezentrale Stromerzeugung (nicht nur in Wasserkraftwerken) garantiert die Unabhängigkeit der Region.

    Andere Ressourcen werden geschont – und ein anderer Aspekt: Das Verstromen von Methangas spart in Augsburg jährlich über 7000 Tonnen klimaschädliches Kohlenmonoxid.

    Aus Umweltschutzgründen müssen bei Altdeponien noch Jahrzehnte nach der Stilllegung Deponiegase „abgefangen“ werden. Dabei ist je nach Zusammensetzung des Mülls die Stromerzeugung oftmals wirtschaftlich die sinnvollste Entsorgungsart.

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