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Moskauer Weihnachtscircus: Für ihre Tiger ist sie Mutter und Vorbild

Moskauer Weihnachtscircus

Für ihre Tiger ist sie Mutter und Vorbild

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    Wenn Carmen Zander mit ihren Tigern auf Kuschelkurs geht, stockt den Zuschauern des Moskauer Weihnachtscircus der Atem.
    Wenn Carmen Zander mit ihren Tigern auf Kuschelkurs geht, stockt den Zuschauern des Moskauer Weihnachtscircus der Atem. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Spannende Tage für Sandokan: Am Donnerstag feierte der junge Tiger seinen zweiten Geburtstag, kurz darauf hatte er sein Manegen-Debut bei der Premiere des „Moskauer Weihnachtscircus“ an der Rockfab-rik, und dann war auch noch Sturm und alle Welt in Vorweihnachts-Laune! „Sturm mögen Tiger gar nicht“, verrät Carmen Zander, die Sandokan und seine fünf Kolleginnen trainiert.

    Wie ihre Tiger drauf sind, ist für Carmen Zander bei jedem Auftritt eine spannende Frage: „Ich merke schon, wenn sie durch den Tunnel kommen, wie sie miteinander kommunizieren. ,Na, wie arbeiten wir heute?‘ Dann kommt es darauf an, die Aufmerksamkeit der Tiere zu bekommen. Das ist eine schwere Kunst, deshalb gibt es nicht viele Dompteure und schon gar keine Frauen!“

    Als 2006 bekannt wurde, dass Zander die viereinhalb Monate alten Bengaltiger-Schwestern Face, Aschanti, Imani und Kiara gekauft hatte, ging daher auch ein Raunen durch die Zirkuswelt: Konnte sie, eine Frau und noch nicht mal aus einer Zirkusfamilie stammend, es schaffen, eine eigene Nummer aufzubauen? Spätestens gleich drei Preise beim 42. Monte-Carlo-Festival, darunter eine besondere Auszeichnung durch Prinzessin Stéphanie, gaben Zander Recht – aber bis dahin war es ein langer Weg. Von Raubkatzen war schon die kleine Carmen fasziniert, aber sie dachte zunächst eher daran, Tierärztin zu werden. Daneben trainierte sie im Leistungskader der DDR rhythmische Sportgymnastik für Olympia. Dann das verletzungsbedingte Aus und der Wille, irgendwie im Rampenlicht zu bleiben.

    Als eine von sechs Glücklichen aus 200 Kandidatinnen wurde sie aufgenommen und blieb auch nach der Wende auf diesem Weg: Ab 1993 arbeitete sie als freiberufliche Artistin am Schwungtrapez, mit Hula-Hoop-Reifen und Jonglage – und tanzte in der Show „Der Tiger von Eschnapur“ neben Raubkatzen. Immer wieder stieß sie auf Dompteur-Nummern und ließ sich schließlich selbst ausbilden. Um dann ganz anders zu arbeiten: näher an den Tieren dran. Deshalb fühlt sie sich auch weder von den Tierrechts-Protesten gegenüber dem Zirkuszelt noch gehässige Kommentare auf Facebook wirklich gemeint, aber es verletzt sie, wenn jemand ihr Vorwürfe macht, sie würde die Tiere schlecht behandeln.

    Für ihre nun sechs Raubkatzen ist sie Mutter und Vorbild: Anfangs kroch sie mit durch den Tunnel oder balancierte über Balken, dabei immer eine große Tasche voll Leckerlis, damit nur ja die Tiere nicht sie für eines halten. „Ich kann sie nicht bändigen, sondern nur führen und locken. Es ist ein jahrelanger Prozess, bis sich die Tiere an einen gewöhnen und man ihnen vertrauen kann. Und das muss ich zu 100 Prozent, wenn ich zum Beispiel ein Stück Fleisch auf ein kurzes Bambusstöckchen spieße, die freie Seite selbst in den Mund nehme, und einen Tiger damit füttere.“

    Es schwingt jedes Mal eine enorme Gefahr mit: Wenn der Tiger nur kurz hinter mich greifen will, weil da irgendetwas Interessantes liegt, und mich erwischt, kann es aus sein.“ Ihre Tiere seien extrem gut ausgebildet und könnten fast jeden Trick – aber nicht jeder jeden, da komme es auch auf den Charakter an: Einer stellt sich gerne in Pose, ein anderer ist ein Draufgänger und liebt Action, wieder ein anderer kuschelt lieber.

    Das alles zeigten sie dann auch bei der Premiere des 5. Moskauer Weihnachtszirkus: Aschanti sprang mit ihren 170 Kilo zugleich muskulös und graziös durch Reifen und über Carmen Zander oder ihre Schwestern hinweg, Saphira, die weiße Amurtigerin, die Zander später zur Vierergruppe aufgenommen hatte, posierte auf den Postamenten. Kiara gab ihrer „Mutti“ sogar Küsschen und stand dabei ganz dicht hinter ihr. Diese Nähe und dieser Kontakt zu den Tieren sind es auch, was Carmen Zander die Schufterei und die Gefahr in Kauf nehmen lässt. Der Preis dafür ist hoch: Auf eine eigene Familie hat Zander verzichtet, 365 Tage im Jahr kümmert sie sich mehr oder weniger alleine um sie, fährt den Lkw mit 40 Tonnen selbst, baut auf und ab, ist für Sicherheit und Requisiten zuständig und muss in der Manege im knappen Glitzeroutfit dann auch noch gut aussehen. Aber wie hat sich nun Sandokan bei seinem Manegen-Debüt geschlagen? Gut. Er war sichtlich aufgeregt, aber Zander bekam ihn immer wieder auf seinen Platz, wo Sandokan sich gerne Richtung Liveband drehte und den Musikern zusah. Und so waren Sandokan und seine Kolleginnen die Top-Stars inmitten eines bunten Programms mit dreifachen Saltos und Menschen-Pyramiden auf dem Trampolin, am Trapez schwingenden Superhelden wie Batman oder Captain America, schillernden Seiltänzern, Clowns und tierischen Nummern mit Pferden, Elefanten oder Dromedaren.

    bis 6. Januar täglich um 16 und 19:30 Uhr (Ausnahmen an den Feiertagen), Karten und Infos unter 0177/6096410.

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