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Augsburg: Mord in Gögginger Asylheim: Das Drama begann mit der Eheschließung

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Mord in Gögginger Asylheim: Das Drama begann mit der Eheschließung

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    Rechtsanwalt Jörg Seubert (rechts) vertritt den Angeklagten. Der hat ein Teilgeständnis abgelegt, bestreitet aber, dass er jemanden töten wollte.
    Rechtsanwalt Jörg Seubert (rechts) vertritt den Angeklagten. Der hat ein Teilgeständnis abgelegt, bestreitet aber, dass er jemanden töten wollte. Foto: Stefan Puchner

    Der Vater sitzt nahezu gebückt im Zeugenstand. Nur wenige Meter von ihm entfernt ist der Mann, der seinen einzigen Sohn ermordet haben soll. Als der 41-Jährige dem Gericht schildert, wie der Angeklagte mit einem Messer auf seinen 15-jährigen Sohn losging und dem Jungen die Kehle durchschnitt, verliert er die Fassung. Er versucht, seine Schreie zu unterdrücken. Sie sind erfüllt von Wut und unsagbarem Schmerz. Dann weint er laut, zittert am ganzen Körper. Für einen kurzen Moment wird es still im Saal 101 des Augsburger Landgerichts. Dort fand am Montag der zweite Verhandlungstag im Mordprozess gegen einen 30-jährigen Afghanen statt.

    Im April kam es zu dem Tötungsdelikt im Gögginger Asylheim.
    Im April kam es zu dem Tötungsdelikt im Gögginger Asylheim. Foto: Peter Fastl

    Dieser soll Anfang April im Gögginger Asylheim "Haus Noah" nicht nur seinen jungen Schwager umgebracht haben. Dem Angeklagten (Verteidiger Jörg Seubert) wird neben dem Mord auch versuchter blutige Tat in der Unterkunft der Caritas. Er beleuchtet aber auch ein Drama innerhalb eines fremden Kulturkreises, das wie berichtet schon viel früher begann. Nämlich als vor rund elf Jahren die damals zwölfjährige Tochter der afghanischen Familie mit dem Afghanen verheiratet wurde, der Jahre später zum mutmaßlichen Mörder werden sollte.
     

    Heirat, um die Feindschaft zwischen Familien zu begraben

    Was beim Prozessauftakt vor zwei Wochen schon deutlich wurde, bestätigt sich am zweiten Verhandlungstag mit den Aussagen des Vaters: Für die junge Frau muss die Ehe eine Hölle gewesen sein. Die älteste der drei Töchter wurde mit dem Afghanen im Mädchenalter offenbar aus nur einem Grund verheiratet. "Ich habe ihm meine Tochter zur Frau gegeben, damit die Feindschaft, die zwischen unseren beiden Familien herrschte, begraben wird", erklärt der Vater der Vorsitzenden Richterin Sabine Konnerth, die nochmal nachfragte, ob dies tatsächlich der Grund für die Eheschließung war. Doch die Heirat habe nicht für Entspannung zwischen den beiden afghanischen Familien gesorgt, die zu diesem Zeitpunkt noch im Iran lebten.

    "Mit diesem Mann hatten wir von Anfang an Streit." Mithilfe eines Dolmetschers erzählt der Vater (Opferanwalt Roland Aigner), dass der Angeklagte seine Tochter immer wieder 'gefoltert' und geschlagen habe. Auch als das junge Ehepaar zunächst nach Schweden und dann nach Deutschland flüchtete, während er, der Vater, mit der restlichen Familie in

    Vater vor Augsburger Landgericht: "Mann folterte unsere Tochter"

    Immer wieder hätten er und seine Frau über Dritte erfahren, dass die Tochter von ihrem Ehemann misshandelt werde. Doch offenbar wollten sich die Eltern mit der Not ihrer Ältesten nicht weiter auseinandersetzen, das wird am zweiten Prozesstag deutlich. "Wir sagten, okay. Es wird die Zeit kommen, in der sie sich wieder vertragen", erzählt der Vater. Und, dass der Angeklagte ein undankbarer Mensch sei. Schließlich habe er als Vater die Feierlichkeiten für die Eheschließung übernommen und den Schwiegersohn auch finanziell unterstützt.

    "Als es hieß, er habe die Haare unserer Tochter abgeschnitten, haben wir das auch ignoriert." Die Misshandlungen hätten aber nicht aufgehört. "Wir hatten immer die Hoffnung, dass er ein besserer Mensch wird." Dann aber kam es zu jenem Abend, als der Angeklagte nach einem neuerlichen Gewaltausbruch in der Wohnung im Großraum München seiner Ehefrau gedroht haben soll, sie umzubringen. Die Polizei rückte an, die Frau floh mit dem gemeinsamen Kind zu ihrer Familie ins Asylheim nach Göggingen. Laut Richterin Konnerth erwirkte sie sogar ein gerichtliches Kontaktverbot nach dem Gewaltschutzgesetz gegen ihren Mann.

    Zeuge: Er schnitt dem Jungen die Kehle durch

    Doch trotz des Verbots und trotz Drohungen in der Vergangenheit, haben die Eltern nach wenigen Monaten den Bitten ihres Schwiegersohnes nachgegeben. Er wollte nach Göggingen zu Besuch kommen, angeblich um seinen kleinen Sohn zu sehen. Aus dem Besuch wurde ein Blutbad. Wie der Zeuge schildert, hat der Schwiegersohn plötzlich ein Messer hervorgezogen, auf die Mutter eingestochen, ihn verletzt, als er dazwischen ging, wie auch zwei Töchter. Die Älteste, die Ehefrau des Angeklagten, hielt sich zu dem Zeitpunkt in der Anlage bei Nachbarn auf. Als der 15 Jahre alte Sohn aus einem Zimmer kam und seinem Vater helfen wollte, habe ihn der Afghane zu Boden gebracht und die Kehle durchgeschnitten. Was sich genau in der kleinen Wohnung abspielte, da haben Gericht, Staatsanwalt Michael Nißl und die Anwälte an dem Verhandlungstag noch viele Fragen. Zwar hat der Angeklagte bereits in einem Teilgeständnis zugegeben, für die tödlichen Verletzungen verantwortlich zu sein. Aber er sagte aus, er habe niemanden töten wollen. Die Verletzungen seien aus einem Tumult heraus entstanden. Der Prozess wird im Januar fortgesetzt.

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    Im Podcast berichtet der langjährige Polizeireporter Klaus Utzni über schwere Kriminalfälle in Augsburg:

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