Als die Begeisterung für die Bühne in die Gewissheit umschlug, die Berufung darin gefunden zu haben, dieser Moment ist für Lukas Mayer so gegenwärtig, als sei er gestern gewesen. Mit Eltern und Schwester saß er vor drei Jahren im Musicaltheater in Stuttgart in einer Rebecca-Vorstellung. Das Orchester spielte sich ein, die Ränge füllten sich und Lukas spürte diese Spannung. „Ich war wie im Fieber, aber es hat sich sehr gut angefühlt“, erinnert sich der 16-Jährige. Pia Douwes, eine der Hauptdarstellerinnen, trat hinter einem durchsichtigen Vorhang auf. „Ich hatte Gänsehaut, so viel Energie verströmte sie. Ich wusste, da will ich auch einmal stehen, will eine andere Person darstellen und damit Menschen berühren.“
Aus dem Mund von Lukas klingt das nicht wie die Starträumerei eines Jugendlichen, sondern wie eine Selbstverständlichkeit, so, als würde er sagen, dass er Medizin studieren möchte oder eine Schreinerlehre beginnen. Die Mischung aus Professionalität und Enthusiasmus, die er ausstrahlt, lässt einen kaum daran zweifeln, wie ernst er es mit seinem Vorhaben, Musicaldarsteller zu werden, meint. Andere Menschen damit glücklich zu machen, ist das eine, das ihn daran reizt, die damit verbundene Selbsterfahrung das andere. „Zu sehen, wie sich eine Rolle entwickelt, wie immer etwas von meiner Person einfließt, finde ich spannend. Es gibt mir die Möglichkeit, meine verschiedenen Seiten kennenzulernen.“
Blockflöte mit fünf Jahren, Klavier in der Grundschule – die musikalische Entwicklung von Lukas verlief wie bei vielen anderen Kindern und deutete nicht darauf hin, dass der Junge eine Bühnenkarriere anstrebe, erzählt seine Mutter Claudia Mayer. Allerdings fiel ihr immer schon auf, dass Lukas eine große Lust am Verkleiden, am Rollenspiel und an Vorführungen im Familien- und Freundeskreis hatte. Als er einmal beim Klavierunterricht vor sich hin sang, empfahl ihm die Lehrerin, doch Gesangsstunden zu nehmen.
Damit trat Elisabeth Haumann auf den Plan, Sängerin und eine der Lehrerinnen bei Young Stage, einem Verein in Augsburg, der junge Talente auf die Bühne vorbereitet. Lukas kam zur Probestunde und war „berauscht“, wie er sagt. Zwei Stunden Gesangsübungen stehen nun jeden Tag auf dem Programm, als Pflicht möchte er das nicht bezeichnen. „Ich muss nicht üben, ich darf.“ Im Keller des Hauses in Horgau haben ihm seine Eltern einen Raum eingerichtet, in dem er das ungestört und ohne andere zu stören tun kann.
Viel seiner Zeit verbringt Lukas in den Räumen von Young Stage in der Bahnhofstraße, übt dort mit Tänzer Daniel Zaboj Ballett, nimmt bei Regisseurin Susanne Reng Schauspielunterricht und absolviert Sprechtraining bei Moderator Gerd Meyer. Die Kombination aus Gesang, Tanz und Schauspiel begeistert Lukas am Musical. „Die Verbindung der drei Formen gibt viele Möglichkeiten, Geschichten zu erzählen.“ Einmal im Monat fährt er nach München zu Michael Kohn, einem Dozenten der August Everding Akademie, und arbeitet mit ihm an der Interpretation von Musicalliedern. Gerade ist er von einem Workshop aus Graz zurückgekommen. Für Ferienaufenthalte dieser Art verwendet er das Geld, das er zum Geburtstag und zu Weihnachten geschenkt bekommt.
All dies macht der Schüler des Maria-Ward-Gymnasiums nebenbei. In zwei Jahren will er Abitur machen, um entweder an der August Everding Akademie oder der Essener Folkwangschule Musical zu studieren. Lukas hat für seine Bewerbungen einige Trümpfe in der Hand: In diesem Jahr wurde er mit der Höchstpunktzahl Bundessieger in der Kategorie Musical bei „Jugend musiziert“. Beim Wettbewerb „Musical-StarT“ in Speyer hat er schon zweimal gewonnen. Der Preis war ein Workshop mit Pia Douwes. Wer ihn davon erzählen hört, weiß, dass der Gänsehautmoment, den sein Vorbild ihm in Stuttgart bescherte, nachwirkt.