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Manroland: Nach der Übernahme: Die Angst der Mitarbeiter bleibt

Manroland

Nach der Übernahme: Die Angst der Mitarbeiter bleibt

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    Die Lübecker Possehl-Gruppe wird den Augsburger Standort des insolventen Druckmaschinenherstellers übernehmen. Rund 1500 Jobs bleiben erhalten, 500 werden gestrichen.
    Die Lübecker Possehl-Gruppe wird den Augsburger Standort des insolventen Druckmaschinenherstellers übernehmen. Rund 1500 Jobs bleiben erhalten, 500 werden gestrichen.

    Es war der Tag der Entscheidung bei Manroland. Seit gestern steht fest: Das insolvente Unternehmen wird weitergeführt. Die Lübecker Possehl-Gruppe wird den Augsburger Standort übernehmen. Bei Gewerkschaft, Beschäftigten und in der Politik wird die Nachricht am Abend mit Erleichterung aufgenommen. „Das ist ein erster wichtiger Schritt“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Jürgen Bänsch. OB Kurt Gribl freut sich, dass ein „zuverlässiger Investor“ gefunden wurde. Possehl hat auch den Augsburger Sortier- und Kuvertiermaschinenhersteller Böwe Systec aus der Pleite geführt. „Wir haben hier nur gute Erfahrungen gemacht“, betont Wirtschaftsreferentin Eva Weber.

    Doch in die Freude mischt sich auch Bedauern. Denn künftig wird es nur noch 1500 Jobs bei Manroland in Augsburg geben. 500 Mitarbeiter müssen gehen. Derzeit sind am Standort noch 2400 Beschäftigte tätig, darunter 200 Auszubildende, die MAN übernehmen will, und etwa 200 Beschäftigte, die über Altersteilzeit ausscheiden. Wen wird es treffen? Am Montag sollen die Beschäftigten informiert werden. Dementsprechend gedrückt ist die Stimmung rund um das Werk auch gestern an dem für das Unternehmen so wichtigen Tag.

    12.58 Uhr „Die Nerven liegen blank“, berichtet Betriebsratschef Jürgen Bänsch. In vielen Abteilungen werde mehr diskutiert als gearbeitet. Die Frage, welcher der Interessenten – die von den Gewerkschaften favorisierte Possehl-Gruppe oder die US-Beteiligungsgesellschaft Platinum Equity – den Zuschlag bekommt, sei wichtig, so Bänsch. Aber: „Damit weiß der Einzelne noch immer nicht, wie es für ihn weiter geht.“

    13.45 Uhr Auf dem Parkplatz am Tor 2 des Werks kommen nach und nach Hunderte Mitarbeiter zusammen. IG Metall und Betriebsrat informieren hier über die bevorstehende Entscheidung der Gläubiger.

    14.06 Uhr Jürgen Bänsch betritt das provisorische Podium – und muss die Belegschaft gleich enttäuschen: „Die Antwort, die jeder hier gerne hätte, werden wir nicht geben können.“ Die Antwort auf die Frage, welche und wie viele Mitarbeiter gehen müssen. Doch Bänsch macht deutlich, dass dieser Mittwoch dennoch ein „wichtiger Tag“ für das Unternehmen sein wird – der Tag, „an dem entschieden wird, wie es für Manroland weitergeht“. Es gibt verhaltenen Applaus.

    14.11 Uhr IG-Metall-Chefin Christiane de Santana war in den vergangenen Wochen die Antreiberin, die Kämpferin. Sie hat mit ihren Reden die Mitarbeiter aufgepeitscht. An diesem Mittwoch schlägt sie nüchterne Töne an. Sie rät den Mitarbeitern, sich schon jetzt „gedanklich und emotional“ auf eine Kündigung einzustellen. „Ich will euch nicht in Verzweiflung stürzen“, sagt sie zu den Beschäftigten. „Aber so tun wir uns leichter, wenn der schlimmste Fall eintritt.“ Sie fordert die Belegschaft auf, weiter zusammenzustehen. „Auch die, die gehen müssen, bleiben Manroländer im Herzen.“

    14.25 Uhr Die Informationsveranstaltung ist zu Ende, die Diskussionen unter den Mitarbeitern gehen weiter. „Ich setzte mich damit auseinander, dass es für mich nicht weitergeht“, sagt Günther Maier. Der 47-jährige Familienvater ist Alleinverdiener, er hat eine Hypothek auf seinem Haus und will endlich Gewissheit. Andere, die mit ihm auf dem Parkplatz zusammenstanden, fürchten dagegen die Endgültigkeit einer Entscheidung. „Die Welt wird danach anders aussehen“, sagt einer der Kollegen.

    14.30 Uhr Im Verwaltungsgebäude tritt der Gläubigerbeirat zusammen. Vertreter der Banken, Lieferanten, der Arbeitnehmer und der Arbeitsagentur diskutieren die Angebote der Interessenten.

    17.33 Uhr Fast drei Stunden wird hinter verschlossenen Türen beraten. Am Ende bekommt Possehl den Zuschlag. Der Betriebsratsvorsitzende Bänsch, der selbst mit am Verhandlungstisch sitzt, zeigt sich hinterher erleichtert. „Aber ich empfinde noch keine Freude“, sagt er. Denn seinem Unternehmen stehe der „größte Personalabbau, den wir jemals hatten“ bevor.

    Das ist Manroland

    Die Ursprünge des Druckmaschinenbauers Manroland reichen bis in das Jahr 1845 zurück und sind eng mit Augsburg verbunden. Hier sitzt heute die Zentralverwaltung des Unternehmens.

    Am 5. Mai 1845 liefert die C. Reichenbach’sche Maschinenfabrik & Eisengiesserei in Augsburg, eine Vorgängerfirma des MAN-Konzerns, ihre erste Schnellpresse an die Augsburger Druckerei von Nikolaus Hartmann aus.

    In der heutigen Form entsteht Manroland am 1. Juli 1979 durch den Zusammenschluss der Roland Offsetmaschinenfabrik Faber & Schleicher AG in Offenbach mit dem Druckmaschinenbereich der Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg AG (MAN). Nach der Wiedervereinigung kommt die frühere Plauener Maschinenbau AG (Plamag) hinzu.

    2006 gliedert die MAN AG ihren Druckmaschinenbereich aus und verkauft Anteile an die Alllianz AG, die von der ACP-Beteiligungsgesellschaft des Versicherungsriesen verwaltet werden.

    Im Boomjahr 2008 hat Manroland weltweit etwa 8600 Mitarbeiter. Doch die zunehmende Digitalisierung lässt den Druckmarkt schrumpfen. Es folgen immer wieder Kurzarbeit und Stellenstreichungen. Im November 2011 folgt dann das Aus. Manroland meldet Insolvenz an.

    Von der Pleite sind zu diesem Zeitpunkt noch etwa 6500 Beschäftigte betroffen, davon rund 2400 in Augsburg. Insolvenzverwalter Werner Schneider gelingt es, Teile des Unternehmens zu retten. Die Standorten in Offenbach und Plauen werden zerschlagen.

    In Augsburg steigt die Lübecker Possehl-Gruppe ein. Manroland Websystems, wie das Werk nun heißt, hat noch 1500 Mitarbeiter. Manroland schreibt nach eigenen Angaben wieder positive Zahlen. Doch der Markt ist nach wie vor schwierig.

    Anfang 2017 wird bekannt, dass Manroland 280 der bis dato noch verbliebenen 1070 Mitarbeiter am Standort Augsburg in eine Produktionsgesellschaft ausgliedern will. Zu gleichen Konditionen wie bisher. Die Gewerkschaft ist allerdings skeptisch.

    17.34 Uhr Insolvenzverwalter Werner Schneider tritt vor die Kameras. „Der Gläubigerausschuss hat sich einstimmig für das Angebot von Possehl entschieden“, sagt er: „Das ist ein erfreuliches Ergebnis, auch wenn es trotzdem zum Stellenabbau kommt.“

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