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Prozess in Augsburg: Macheten-Angriff im Univiertel: Hat der Drogen-Wahn ihn dazu getrieben?

Prozess in Augsburg

Macheten-Angriff im Univiertel: Hat der Drogen-Wahn ihn dazu getrieben?

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    Ein 27-jähriger Mann aus Augsburg hat im März mit einer Machete auf Passanten eingeschlagen. Der Prozess gegen ihn hat begonnen.
    Ein 27-jähriger Mann aus Augsburg hat im März mit einer Machete auf Passanten eingeschlagen. Der Prozess gegen ihn hat begonnen. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

    Da war diese Frau im Park mit der getönten Sonnenbrille. Er dachte, sie sei eine Spionin und stelle ihm nach, sagt er. Er habe Angst um sein Leben gehabt, sich verfolgt gefühlt. Die Schwurgerichtskammer des Augsburger Landgerichts unter dem Vorsitz von Richterin Susanne Riedl-Mitterwieser hat am Donnerstag einen ersten Einblick in das offenbar wirre Seelenleben eines jungen Mannes erhalten. Der 27 Jahre alte Student steht wegen zweifachen versuchten Totschlags vor Gericht. Der Vorfall Ende März im Augsburger Univiertel hatte für Aufsehen gesorgt. Mit einer Machete und einer Axt bewaffnet war der gebürtige Tunesier erst auf einen Linienbus, dann auf eine Autofahrerin losgegangen.

    Prozess in Augsburg: Mit der Machete schlug er auf einen Bus ein

    In dem Prozess, für den mehrere Verhandlungstage angesetzt sind, wird es in erster Linie um die Schuldfähigkeit des Studenten (Verteidiger: Werner Ruisinger) gehen und inwieweit der Drogenkonsum des Mannes am Tattag zu einer psychischen Ausnahmesituation geführt hat. Aus der Anklageschrift geht hervor, dass die Steuerungsfähigkeit des Mannes aufgrund einer drogeninduzierten Psychose aufgehoben gewesen sei - ein Gutachter sieht das so.

    Laut Anklage ging der Mann mit Machete und Axt bewaffnet auf den Linienbus zu und sagte durch die geöffnete Fensterscheibe zum Busfahrer, dass er und seine Familie bedroht würden. Zunehmend aufgebracht schlug er ein paar Mal mit Axt und Machete gegen die Frontscheibe. Dem Busfahrer gelang es, weiterzufahren. Der Student zwang aber kurze Zeit später eine Autofahrerin dazu, abzubremsen. Er soll mit den Waffen auf das Auto eingeschlagen und geschrien haben, die Fahrerin zu töten. Mit der Axt zertrümmerte er die Scheibe an der Fahrerseite.

    Staatsanwalt Michael Nißl geht davon aus, dass er die Frau töten wollte. Ein Passant hörte aber die Schreie der Frau, umklammerte den Angreifer von hinten und zog ihn weg. Die Ermittler werfen dem Angeklagten vor, mit der Machete einen wuchtigen Hieb gegen dessen Kopf geführt zu haben. Dabei habe er billigend in Kauf genommen, den 28-Jährigen zu töten. Der Mann erlitt eine blutende Wunde an der Schläfe. Es gelang ihm trotzdem, den Angreifer zu überwältigen. Dann traf die Polizei ein.

    Angeklagter Student: Seine Drogenkarriere startete auf einer Party

    Vor Gericht macht der Student, der seit der Tat im Bezirkskrankenhaus in Kaufbeuren untergebracht ist, einen aufgeräumten Eindruck. In ihm selbst allerdings muss vor ein paar Monaten noch Chaos geherrscht haben. In gutem Deutsch erzählt der Tunesier, der seit acht Jahren in Deutschland lebt und Mechatronik studiert, dass er sich vor der Tat in einer Ausnahmesituation befunden habe. Einige Jahre schon rauchte er regelmäßig Marihuana. Es fing mit einem Joint auf einer Studentenparty an, die Menge, die er konsumierte, steigerte sich. Dabei geriet der Mann, der vor Gericht mit akkurat rasiertem Bart und in grauem Hemd mit gleichfarbigem Pulli erschien, offenbar in ein Dilemma. Als gläubiger Moslem habe er nämlich Gott einen Eid geschworen, mit den Drogen aufzuhören, berichtet er. Er habe es aber nicht geschafft. Das schlechte Gewissen nagte an ihm. Wie er schildert, bekam er im Jahr 2019 seine erste Psychose, hatte Angst, sterben zu müssen. Es folgte ein Aufenthalt im Bezirkskrankenhaus.

    Im Augsburger Univiertel kam es im März 2020 zu einem Großeinsatz der Polizei.
    Im Augsburger Univiertel kam es im März 2020 zu einem Großeinsatz der Polizei. Foto: Silvio Wyszengrad

    Wenige Tage vor der Tat im Univiertel spitzte sich seine psychische Lage offenbar weiter zu. Wieder einmal hatte er mit dem Kiffen aufgehört und litt deshalb unter Schlafstörungen. Am Tag vor der Tat habe ihn eine Frage seines Mitbewohners aus der Bahn geworfen: "Er fragte mich, was ich glaube, wann Corona vorbei ist." Offenbar hatte der Mitbewohner einen wunden Punkt getroffen. Wie der Angeklagte berichtete, hatte er sich Anfang März Axt, Wasserfilter und einen Schlafsack gekauft. "Ich hörte, was in China passierte, und hatte Angst um mein Leben. Ich war nicht sicher, was noch geschehen wird."

    Um sich zu entspannen ging er nach dem Gespräch mit dem Mitbewohner in einen Park. Dort sah er die Frau mit der getönten Brille. Er habe sie für eine Spionin gehalten. Wie der Angeklagte erzählt, fühlte er sich verfolgt. Er ging davon aus, dass man glaube, er sei an Corona schuld und man müsse ihn töten. Selbst Flugzeuglärm interpretierte er als Bedrohung. "Ich dachte, man will mich bombardieren."

    Als er abends bei einer Tankstelle Zigaretten holte, hielt er ein Paar mit zwei Hunden für Geheimagenten. Als eine Frau in der Tankstelle ihn anlächelte, dachte er, sie wolle ihn einer Vergewaltigung beschuldigen. Wie wirr sein Zustand gewesen sein muss, belegen seine selbst gedrehten Videoschnipsel vom Vorabend der Tat, die sich das Gericht ansieht. Unter anderem spricht er darin panisch in seiner Muttersprache, teilweise den Tränen nahe.

    Ausraster im Univiertel: Angeklagter glaubte, überall seien Scharfschützen

    Am Tattag gegen 3.20 Uhr habe er in seinem Zimmer die Busse von draußen gehört. "Ich dachte, jetzt kommen Busse, um alle zu evakuieren, und ich werde bombardiert", sagt er dem Gericht. Da er nicht sterben wollte, sei er raus auf die Straße. Zuvor habe er zur Sicherheit die Axt und die Machete aus seinem Schrank mitgenommen. Letztere hatte er beim Helfen bei einer Wohnungsauflösung mal geschenkt bekommen. Auf der Straße glaubte er, überall seien Scharfschützen. "Ich bin zu dem Busfahrer und habe bestimmt zehn Mal gerufen, er soll die Polizei holen." Dann sei das Auto gekommen. "Ich schrie zur Frau, sie solle die Polizei rufen, und ich schlug auf die Motorhaube. Ich dachte mir, warum schreit sie denn so und ruft nicht die Polizei." Dann sei er von dem Mann umklammert worden. "Ich glaubte, jetzt werde ich umgebracht." Selbst im Polizeiarrest habe er die Beamten auch noch für Geheimagenten gehalten.

    Bei seinen Erzählungen bestreitet der Angeklagte jedoch den gezielten Hieb gegen den Kopf des Passanten. Die Wunde sei beim Gerangel entstanden. Auch habe er die Autofahrerin nicht töten wollen. Die Verhandlung wird kommende Woche fortgesetzt.

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