Herr Prof. Beyer, wie geht es Ihnen und Ihren Mitarbeitern am Uniklinikum Augsburg nach einem Jahr Corona?
Prof. Michael Beyer: Der Grad der Belastung der Mitarbeiter am Augsburger Uniklinikum ist sehr hoch, da sie über Monate hinweg einer übermenschlichen Belastung ausgesetzt sind. Diese Belastung wird zusätzlich verschlimmert durch den hohen Zustrom an behandlungsbedürftigen Nicht-Covid-Patienten. Unser Dank und unsere Anerkennung gilt allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die Außerordentliches leisten, um unsere Patienten bestmöglich zu versorgen.
Wie ist die aktuelle Lage am Uniklinikum?
Beyer: Auf der Covid-Normalstation hat sich die Situation leicht entspannt. Auf der Covid-Intensivstation ist die Belegung aber leider durchgehend hoch. In den letzten Wochen wurden für die Versorgung von Covid-19-Patienten pro Tag etwas mehr als hundert Betten benötigt, davon circa 30 bis 32 auf Intensivstation. Auch die Schwere der Fälle ist unverändert, viele der Intensivpatienten sind lebensbedrohlich erkrankt.
Wie alt sind die Patienten?
Beyer: Das durchschnittliche Alter der Patienten mit einer Covid-19-Erkrankung hat am Uniklinikum Augsburg in den vergangenen Monaten um die 65 Jahre betragen. Abzuwarten bleibt, ob die neuen Mutationen – wie zum Beispiel die anscheinend leichter übertragbare Variante aus Großbritannien – nicht zu einem erneuten Anstieg der Infektionen und somit des R-Wertes führen.
Chef der Augsburger Uniklinik in Sorge vor Mutationen
Bleiben wir kurz bei den Mutationen. Gab es in Augsburg da schon Fälle?
Beyer: Glücklicherweise bisher nicht. Allerdings bereitet mir insbesondere die Variante B117 aus Großbritannien große Sorgen, die sich zwischenzeitlich auf Augsburg zubewegt.
Wie viele Normalstationen sind derzeit noch zu Covid-Stationen umfunktioniert? Hat sich die Lage hier entspannt?
Beyer: Erfreulicherweise konnten wir bereits von sechs Normalpflegestationen auf fünf Normalpflegestationen für den Covid-Betrieb reduzieren und damit Betten generieren, die wir dringend zur Versorgung von Nicht-Covid-Erkrankten benötigen.
Im November und Dezember mussten Sie aus Kapazitätsgründen oft Patienten an andere Kliniken verlegen. Ist das nach wie vor so?
Beyer: Erfreulicherweise besteht eine enge Zusammenarbeit mit den umliegenden Kliniken, die je nach Lage einen gegenseitigen Austausch von Patienten ermöglichen. Große Sorgen bereitet uns allen aber nach wie vor die Knappheit an intensivmedizinischen Behandlungsplätzen für Nicht-Covid-Patienten.
Impfungen bringen Augsburger Uniklinik noch keine Erleichterung
Auch in Deutschland haben die Impfungen gegen Covid-19 begonnen. Spüren Sie, dass sich dies positiv auf die Psyche Ihrer Mitarbeiter auswirkt?
Beyer: Leider müssen wir feststellen, dass die Todesrate im Covid-Bereich sehr hoch war in den vergangenen Wochen und Monaten. Ich glaube, es ist nachvollziehbar – insbesondere wenn wir über einen längeren Zeitraum um einen erkrankten Patienten kämpfen, der am Ende dann doch stirbt –, dass dies eine hohe psychische Belastung ist. Wir hoffen, dass wir zeitnah nicht nur die priorisierten Bereiche unseres Universitätsklinikums impfen können, sondern auch alle Mitarbeiter, um ihnen damit ein höheres Maß an Sicherheit am Arbeitsplatz gewähren zu können.
Ihre persönliche Einschätzung: Wie wird sich die Lage entwickeln?
Beyer: Ich würde gerne Hoffnung geben, weil ich selbst sehr ein Ende dieser Pandemie-Situation herbeisehne. Wir alle leiden unter den schwierigen Rahmenbedingungen. So kann ich an dieser Stelle nur sagen: Ihr müsst noch etwas Geduld haben.
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