Ohne seinen Zollstock hat man Kuka-Manager Michael Jahn-Kozma in den vergangenen Monaten kaum angetroffen. Der "Corporate-Risk-Manager" des Augsburger Roboterbauers ist für die Corona-Maßnahmen in dem Weltkonzern zuständig. Und hat in der Augsburger Zentrale jeden einzelnen Schreibtisch, jede Werkbank und jeden Produktionsarbeitsplatz eigenhändig vermessen. Denn selbst wenn die Inzidenzzahlen in den nächsten Wochen weiter sinken, bleibt "Abstand" eine der wichtigsten Regeln der "neuen Normalität", wie der Manager betont.
Kuka wurde vor über einem Jahr bereits mit Corona konfrontiert, als in Deutschland gerade die ersten Informationen dazu durch die Medien liefen, sagt Jahn-Kozma. Denn der Roboter-Bauer hat Standorte in China und ist unter anderem in der chinesischen Autostadt Wuhan engagiert. Die Stadt wurde, wie weitere chinesische Metropolen, von einem Tag auf den anderen abgeriegelt. "Mitte Januar, als man noch von einer lokalen Epidemie ausging, hatten wir Mitarbeiter bei Kunden vor Ort" erinnert er sich.
Im Nachhinein habe sich die frühe Konfrontation mit der Pandemie als großer Vorteil für das Unternehmen herausgestellt. "Wir hatten sehr früh Wissen aus erster Hand, das uns geholfen hat, die Krise bis heute gut durchzustehen", so der Risikomanager. Durch Erfahrungsberichte aus anderen Ländern habe man beispielsweise einschätzen können, wie es ist, den ganzen Tag mit Maske zu arbeiten. Auch welche Probleme auf Familien mit der Isolation zukommen, habe man früh gewusst.
Innerhalb von einer Woche gingen bei Kuka 1500 Mitarbeiter ins Home-Office
Als die Krise endgültig in Deutschland angekommen war, konnte man bei Kuka schnell reagieren. "Innerhalb einer Woche haben wir im März 1500 Mitarbeiter ins Home-Office geschickt", berichtet der Manager. Derzeit seien 95 Prozent der Home-Office fähigen Mitarbeiter auch von zuhause aus tätig. Für den Konzern habe die Corona-Krise vor allem einen großen Spagat bedeutet, zwischen dem Schutz der Mitarbeiter einerseits, und den vertraglichen Verpflichtungen gegenüber den Kunden, auf der anderen Seite, sagt Jahn-Kozma.
"Eines unserer Erfolgsrezepte war es, sehr früh eine unternehmensweite Task-Force einzurichten, in der alle wichtigen Bereiche an einem Tisch sitzen", so der Manager. 15 Bereiche, von der Geschäftsleitung über das Risikomanagment, die Produktion, aber auch Betriebsrat und Personalabteilung arbeiteten von Anfang an eng zusammen, um Informationen über die Pandemie zusammenzutragen und Maßnahmen zu beschließen. Herausgekommen ist ein Drei-Phasen-Plan, der je nach Inzidenzwerten klare Handlungsanweisungen für alle Kuka-Standorte in der ganzen Welt enthält. Auf diese Weise müsse nicht immer wieder von Neuem auf Veränderungen reagiert werden - jeder Mitarbeiter wisse, was zu tun ist.
Trotz aller Vorkehrungen, sei auch Kuka nicht von Corona-Fällen verschont geblieben. "Wir sind ja ein Spiegelbild der Gesellschaft", so Jahn-Kozma. Zu Hochzeiten der Pandemie im Oktober und November vergangenen Jahres, habe es auch Fälle im Unternehmen gegeben. "Aber unser Ziel, dass sich niemand an seinem Arbeitsplatz ansteckt, haben wir zu 90 Prozent erreicht." Im November habe man nach mehreren Infektionsfällen die Mitarbeiter in einem Teil der Roboterproduktion für drei Tage in Kurzarbeit geschickt. "Von Mittwoch bis Freitag war dieser Bereich geschlossen und am Montag konnten wir mit einer gesunden, getesteten Mannschaft wieder starten." Seitdem habe es auch keinen weiteren Ausbruch im Unternehmen gegeben.
Corona-Strategie: Phase 1 steht für hohe Infektionszahlen
Derzeit herrsche nach dem Kuka-Plan in Deutschland noch die Phase 1, was für "hohe Infektionszahlen" steht. Sie gilt für eine Inzidenz über 50. Für die Mitarbeiter bedeutet das unter anderem, Home-Office wo immer es geht, strenge Einhaltung der Abstandsregeln und ein angepasstes Schichtmodell in der Produktion. Reisen werden auf das Minimum beschränkt. "Wenn einer unserer Kunden ein Problem hat, muss unter Umständen ein Techniker dort hinreisen, auch die Baustellen laufen weiter", erläutert er.
Die Schulungen der Kunden an den Robotern, die in der Zentrale an der Zugspitzstraße stattfinden, wurden auf ein Minimum beschränkt. "Und kein Externer betritt das Gelände ohne Corona-Test", unterstreicht der Manager. Die Schulungsräume der Kuka sind von der Straße aus gut zu sehen. "Wenn dort Menschen ohne Maske sitzen, sind diese getestet, haben genügen Abstand voneinander und setzen die Maske sofort wieder auf, wenn sie den Schulungsraum verlassen."
Das Phasen-Modell ist auf andere Standorte übertragbar und richtet sich nach den dortigen Regelungen. "Diese werden in den Standorten behördenkonform umgesetzt", so Jahn-Kozma.
Kuka musste in Augsburg hunderte Räume umbauen
Selbst wenn die Inzidenzzahlen unter 35 fallen, was zu Phase 3 - "stabile Infektionszahlen" - führen würde, gibt es bei Kuka ein "New-Normal". So würden beispielsweise die Abstände von 1,5 Metern zwischen den Arbeitsplätzen weiter beibehalten. In den neueren Gebäuden, wie dem 2016 eingeweihten Entwicklungs- und Technologiezentrum an der Zugspitzstraße, sei das problemlos möglich - hier konnten 90 Prozent aller Arbeitsplätze erhalten bleiben, so der Risiko-Manager.
Enger gehe es in älteren Standorten zu - dort müssten sich bei normalem Betrieb die Mitarbeiter künftig arrangieren. Das "neue Normal" war auch für die Mitarbeiter des Facility-Managements eine Herausforderung. So mussten alleine am Standort in Augsburg 453 Besprechungsräume abstandsgerecht umgeräumt werden. Michael Jahn-Kozma freut sich auf die Phase 3. Denn dann kann man auch wieder in der Kuka-Kantine mit Kollegen essen. Natürlich mit dem nötigen Abstand.
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