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Kommunalwahl 2020: Parteien und Themen: Der Countdown für die Wahl in Augsburg läuft

Kommunalwahl 2020

Parteien und Themen: Der Countdown für die Wahl in Augsburg läuft

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    Wer wird Augsburg künftig regieren?
    Wer wird Augsburg künftig regieren? Foto: Silvio Wyszengrad

    Der Countdown für die Kommunalwahl 2020 läuft: In acht Wochen werden die Augsburger bestimmen, wer die Stadt in den kommenden sechs Jahren regieren wird. Mit 15 Parteien und Gruppierungen ist der Andrang auf den Sprung in den Stadtrat so groß wie nie, erstmals stehen sich im Rennen um den OB-Sessel mit Eva Weber (CSU) und Martina Wild (Grüne) zwei Frauen auf aussichtsreichen Plätzen gegenüber, und zum ersten Mal seit 18 Jahren ist kein Amtsinhaber unter den Oberbürgermeister-Kandidaten.

    Acht Wochen vor der Kommunalwahl nehmen wir eine vergleichende Standortbestimmung vor, welche Parteien auf welche Themen setzen, wie sich bundesweite Trends auf das Abschneiden der Rathausfraktionen auswirken könnten und – noch reichlich spekulativ – wer mit wem nach der Wahl ein Bündnis bilden könnte. In den kommenden Wochen wird sich unsere Zeitung intensiv mit einzelnen Themen – etwa Wohnen, Mobilität oder Umwelt – und den Parteipositionen dazu befassen.

    Für Sie zur Übersicht: Für dieses Leitthema stehen Parteien und Gruppierungen in Augsburg

    Werden sich Augsburger Parteien im Wahlkampf scharf positionieren?

    „Insgesamt ist das Wählerverhalten flexibler und unberechenbarer geworden, und das schlägt auch bei Kommunalwahlen durch. Und wir haben eine stärkere Polarisierung und Ideologisierung in der politischen Landschaft, wobei die Frage sein wird, ob sich die Parteien im Augsburger Wahlkampf scharf zueinander positionieren oder ob sie – im Wissen, hinterher miteinander regieren zu müssen – einen milden Wahlkampf führen“, sagt der Augsburger Politikwissenschaftler Prof. Rainer-Olaf Schultze, früher Lehrstuhlinhaber an der Uni Augsburg.

    Das Wahlprogramm der CSU ist „grüner“ als noch vor sechs Jahren, fand beim Parteitag aber mit 100 Prozent die volle Zustimmung der Delegierten. Klimaschutz und Nachhaltigkeit nehmen zwölf Seiten ein – so viel wie kein anderer Programmpunkt. Teils werden Dinge gefordert, die die CSU zu Beginn der laufenden Periode noch bekämpft hatte, etwa ein Konzept zur sozialgerechten Bodennutzung, das der Stadt gegenüber Wohnungsinvestoren mehr Mitsprache einräumt. Und es tauchen auch Dinge wie Bekämpfung von Flächenfraß oder Verkehrsberuhigung von Innenstadtstraßen auf – selbst höhere Parkgebühren schließt die CSU nicht aus.

    Wirtschaft und Arbeit steht bei Augsburgs CSU ganz oben

    Doch tief greifende Einschränkungen für Bürger lehnt die CSU – wie auch in der Programmatik auf Landesebene – weitgehend ab. Klimaschutz müsse ein „Mitmachprogramm“ werden, das nicht von Ideologie getrieben sei, sondern die Bürger in ihrer Lebenswirklichkeit abhole, heißt es im Programm. „Jeder ist für Klimaschutz, aber wenn es darauf ankommt, fährt manch einer doch mit dem Auto“, sagt Weber, die – wohl kein Zufall – aktuell häufig betont, selbst kein Auto mehr zu besitzen. Im gleichen Atemzug sagt sie, als Innenstadtbewohnerin leichter auf eines verzichten zu können als andere.

    Beim Klimaschutz verweist die CSU auch auf das eigentliche Leitmotiv ihres Wahlkampfes – nämlich Wirtschaft und Arbeit. Es steht im Wahlprogramm nicht umsonst an oberster Stelle. Technologie und Innovation könnten Arbeitsplätze, Wirtschaftskraft und Klimaschutz gleichzeitig garantieren, so die Botschaft.

    SPD setzt auf soziale Komponente

    Die SPD mit ihrem OB-Kandidaten Dirk Wurm setzt stark auf eine soziale Komponente mit Sozialpolitik, Wohnen, Bildung und günstigem Nahverkehr. Im Wahlprogramm steht das Soziale – anknüpfend an das Agieren von Sozialbürgermeister Stefan Kiefer (SPD) – an erster Stelle. Das Thema „Einsamkeit“ soll zu einem Schwerpunkt der städtischen Sozialpolitik werden, etwa ein Mittagstisch in allen Sozialregionen. Auf das Thema Klimaschutz geht die SPD nur am Rande ein – zum Zeitgeistthema finden sich nicht allzu viele Aussagen, wobei die SPD beim Verkehr teils drastische Lösungen vorschlägt, etwa eine großzügige Erweiterung der Fußgängerzone.

    Ein Problem der SPD ist, das Regierungshandeln aus der auslaufenden Periode nicht offensiv angreifen zu können. Sie hat es in weiten Teilen als Koalitionspartner mitgetragen. Darum schwingt eine taktische Komponente mit, wenn die SPD in der Kommunikation vor allem auf die Themen AVV-Tarifreform und Wohnen losgeht. Die Sozialdemokraten stimmten gegen die Tarifreform, unter anderem wegen der Verschlechterungen für Senioren.

    Auch beim Thema Wohnen ging die SPD auf Konfrontation zur CSU, um mehr Sozialwohnungen durchzusetzen. Das ist in Teilen auch gelungen. Im Februar wird Baureferent Gerd Merkle (CSU) dem Stadtrat ein Papier zu sozialgerechter Bodennutzung vorlegen, das Teile der SPD-Forderungen aufnimmt. Vermutlich wird die SPD dann ein Feuerwerk abbrennen wollen, wobei das Thema sperrig in der öffentlichen Kommunikation ist.

    Die Grünen nahmen sich als kleiner Regierungspartner mehr Freiheiten heraus

    Es gibt ein Wahlplakat, das exemplarisch aufzeigt, was die Grünen aktuell beschäftigt. Ihre Themen liegen im Trend. Politisch kann man das als Erfolg sehen, gleichzeitig stürzen sich auch die Mitbewerber offensiver als in der Vergangenheit auf die Themen Umwelt und Klima. Die Botschaft des Plakates ist kurz: „Klimaschutz: Das Original“.

    Die Grünen setzen auf konkrete Forderungen, die über das hinausgehen, was die anderen großen Parteien in ihren Wahlprogrammen stehen haben, etwa die Parkplätze im öffentlichen Raum in der Innenstadt jährlich um drei Prozent zu reduzieren. Auf Landesebene sehe man, dass ein „grün ummantelter Söder“ noch keine ökologische Politik mache, sagt OB-Kandidatin Martina Wild, die für sich auch in Anspruch nimmt, die Überlegungen zur Verkehrsberuhigung der Karlstraße als erste Politikerin aufgegriffen zu haben. Mehr als 30 Seiten nimmt das Thema Klima- und Naturschutz, das im Wahlprogramm der Grünen ganz oben steht, ein.

    Für die Grünen ist es ein Stück einfacher, Forderungen zu stellen oder die Stadtregierung zu kritisieren. Als dritter kleiner Regierungspartner, der es auch immer beim unverbindlicheren Kooperations-Status beließ, nahmen sie sich in vielen Fragen mehr Freiheiten heraus.

    Die Frage der Wahlprogramme ist nicht zuletzt deshalb interessant, weil sie in gewissem Maß Auskunft darüber gibt, wer nach der Wahl mit wem koalieren könnte. Denkbar sind, solange keine Ergebnisse vorliegen, natürlich alle möglichen Konstellationen, doch man kann zum heutigen Stand schon ein paar spekulative Überlegungen anstellen.

    Was ein Politikwissenschaftler über die Parteien sagt

    Die CSU – bei der Stadtratswahl seit 1990 immer stärkste Kraft – hat bei der Bundestagswahl 2017, der Landtagswahl 2018 und der Europawahl 2019 in Augsburg nur noch Stimmanteile um die 30 Prozent erzielt. „Die CSU wird gegenüber der letzten Kommunalwahl wohl deutlich verlieren“, glaubt Politikwissenschaftler Schultze. Auch wenn sich der Trend der vergangenen Landtagswahl nicht eins zu eins übertragen lasse, spiele er eine Rolle, gepaart mit der Tatsache, dass bei Kommunalwahlen deutlich mehr kleine Gruppierungen um die Wählergunst werben. Dies gehe zulasten der etablierten Parteien. Zulegen werde wohl die AfD. Für spannend hält der Professor die Frage, ob die Grünen ihren Höhenflug aus Landtags- und EU-Wahl bei der Kommunalwahl fortsetzen können.

    Insgesamt, sagt Schultze, operierten CSU und Grüne mit denselben Schlagwörtern, allerdings unter unterschiedlichen Prämissen. Während bei den Grünen deutlich sei, dass sie ihr Handeln der Klimapolitik unterwerfen und dabei auch Vorschriften machen wollen, insbesondere auf dem Feld der Verkehrspolitik, um den Vorrang von ÖPNV und Fahrrad in der Stadt durchzusetzen, stehe bei der CSU das Thema Wirtschaft im Zentrum; es gehe ihr um Umweltschutz durch technologische Innovation. „Bei der Mobilität wird viel auf Freiwilligkeit gesetzt“, analysiert Schultze.

    In Augsburg wäre eine bürgerliche Koalition denkbar

    Sollte die CSU auch bei der Stadtratswahl bei etwa 30 Prozent liegen, wäre das spürbar weniger als vor sechs Jahren und würde bedeuten, dass etwa 20 Sitze im 60-köpfigen Stadtrat möglich wären. Denkbar wäre eine sogenannte bürgerliche Koalition mit Pro Augsburg, FW und FDP, mit der es inhaltlich Schnittmengen gibt, aber die Mehrheit im Stadtrat wäre wohl knapp und gäbe den kleinen Partnern ein Druckmittel innerhalb der Koalition an die Hand. Eine Zusammenarbeit mit der AfD hat die Augsburger CSU kategorisch ausgeschlossen.

    Die Verhältnisse machen es andersherum auch für ein Bündnis nach Vorbild des Regenbogens aus der Periode 2002 bis 2008 schwierig, als ein Fünf-Parteien-Bündnis unter Führung von SPD und Grünen regierte. Auch ein solches „linkes“ Bündnis – sollte es denn rechnerisch unter Einbeziehung von diversen kleinen Gruppen überhaupt zustande kommen – hätte nur eine knappe Mehrheit.

    Es ist also keine ganz fernliegende Annahme, dass die jetzt handelnden Akteure im Regierungsbündnis zumindest teilweise auch die Partner eines neuen Regierungsbündnisses werden könnten, wenn auch nicht eins zu eins in der bestehenden Besetzung und möglicherweise mit einem anderen dritten Partner.

    Bei der CSU hält man sich vieles offen. Man habe kein Klein-Klein im Wahlprogramm haben wollen, sondern wolle große Linien aufzeigen, sagt Eva Weber. Doch die visionäre Sichtweise hat einen handfesten Hintergrund. Es sei wahrscheinlich, dass man einen Koalitionspartner bekomme, der in manchen Punkten andere Vorstellungen hat. Ein Wahlprogramm, das zu jedem Punkt viele ganz konkrete Ziele nennt, lasse sich – das sei heute schon absehbar – von niemandem eins zu eins umsetzen. Und Politikwissenschaftler Schultze weist auch noch auf einen anderen Punkt hin: In den Wahlprogrammen stünden „immense Forderungen“. Die Umsetzung werde teuer.

    Lesen Sie auch: Kommunalwahl 2020: Warum in Augsburg so viele Gruppen antreten

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