Es ist ein Abendtermin im Februar. Einer von vielen Abenden im Wahlkampf , an denen Dirk Wurms Frau und seine Söhne auf ihn verzichten müssen. Als Familienmensch falle ihm das schwer, sagt er. Aber er wolle darüber nicht klagen. Ihm sei klar gewesen, was es bedeute, sich um das Amt des Augsburger Oberbürgermeisters zu bewerben. Er habe darüber intensiv mit seiner Ehefrau Tatjana gesprochen. Wurm sagt: „Hätte sie Nein gesagt, dann wäre ich sicher nicht angetreten.“
An dem Abend im Februar sitzt Wurm, 40, also nicht auf der Couch im Haus der Familie in Pfersee . Er steht in einem Saal des Hotels Alpenhof in der Donauwörther Straße . Der Bund der Selbständigen hat eingeladen zur Podiumsdiskussion, mit ihm diskutieren die beiden anderen Favoriten für die OB-Wahl, Eva Weber ( CSU ) und Martina Wild (Grüne). Der Saal ist mäßig gefüllt. Selbstständige, Chefs von kleineren Unternehmen – das ist nicht unbedingt die Klientel der SPD . Doch Wurm kann punkten, weil seine Sprache nicht bürokratisch oder verschwurbelt klingt. „Wenn eine normale Familie sich keine Wohnung mehr leisten kann, dann ist das ein Skandal“, sagt er zum Beispiel. Am Ende kommt ein Mann auf ihn zu und outet sich als FDP-Wähler. „Ich habe mit den Roten eigentlich nichts zu tun, aber Sie haben mich heute überzeugt.“
OB-Kandidat in Augsburg: Dirk Wurm wurde die SPD in die Wiege gelegt
Wurm sagt, so etwas bekomme er in persönlichen Gesprächen immer wieder zu hören . Es freut ihn. Zugleich aber sagt er den Leuten dann auch, dass sie nicht nur ihn wählen sollen, sondern auch die SPD . Das ist nicht immer einfach, die SPD ist weit entfernt von älter Stärke. Aber Wurm sagt: „Ich bin aus tiefer Überzeugung Sozialdemokrat.“ Nur mit einer starken Fraktion im Rücken könne er seine Ziele umsetzen. Dass Wurm bei der SPD gelandet ist, ist kein Zufall.
Es wurde ihm vererbt, sein Elternhaus war sozialdemokratisch. Sein Onkel ist der ehemalige städtische Ordnungsreferent Klaus Kirchner , ebenfalls SPD . So bekam er schon als Kind und Jugendlicher mit, wie Kommunalpolitik gemacht wird. Als Schüler, er besuchte das Holbein-Gymnasium, half er auch mit. Er kümmerte sich zum Beispiel darum, Berichte über die SPD aus der Zeitung auszuschneiden und zu archivieren.
Dass er einmal Ordnungsreferent und OB-Kandidat werden würde, das sei für ihn damals unvorstellbar gewesen, sagt er. Die Politik aber wurde sein Lebensthema. Er studierte Politikwissenschaft in München und Berlin , schloss mit Diplom ab. Und dann wäre der gebürtige Augsburger fast in Costa Rica gelandet und nicht wieder in seiner Heimatstadt. Er hatte das Angebot, dort für ein Büro der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in der politischen Bildung zu arbeiten.
Doch dann entschied er sich gegen Sandstrand und Palmen – und doch für Augsburg . Er wurde direkt nach dem Studium, mit 26 Jahren, Geschäftsführer der SPD-Stadtratsfraktion in Augsburg , lernte seine Frau Tatjana kennen – und so kristallisierte sich schnell heraus, dass Augsburg sein Lebensmittelpunkt bleibt. Heute haben Wurm und seine Frau drei Söhne, zwei, sechs und acht Jahre alt. Er tritt nicht allzu häufig mit seiner Familie im Wahlkampf auf, er versteckt sie aber auch nicht. Denn er sieht seine eigenen Lebensumstände als Pluspunkt. „Ich stehe mitten im Leben und bekomme mit, was Familien bewegt. Sei es im Kindergarten, in der Schule, in der Freizeit.“
Kommunalwahl 2020: Sollte Wurm gewinnen, kennt er die Stadtverwaltung schon
In der SPD gab es zu Beginn seiner politischen Karriere hinter vorgehaltener Hand immer wieder Bedenken, ob Wurm nicht eher ein politisches Leichtgewicht sei. Smart im Auftreten, ein Liebling der Schwiegermütter, aber kein Aktenfresser, der sich tief einarbeitet. Inzwischen hört man das nicht mehr. Er habe, seit er 2015 Ordnungsreferent wurde, deutlich an Profil gewonnen und gelernt, sich inhaltlich gut vorzubereiten, sagt ein SPD-Stadtrat. Wurm selbst erklärt, er profitiere von seiner Zeit als Geschäftsführer der Stadtratsfraktion noch immer. Damals habe er alle Bereiche der Stadt kennengelernt. Dass er nie in einem Beruf außerhalb des Politikbereichs gearbeitet hat, das sieht er nicht als Nachteil. Sollte er die Wahl gewinnen, meint er, so säße ein Mann am OB-Schreibtisch, der sich nicht erst in die Strukturen der Stadtverwaltung einarbeiten muss.
Und er wolle, sagt er, als Oberbürgermeister auch einiges anders machen. Er habe Respekt vor Amtsinhaber Kurt Gribl ( CSU ). Aber die gesellschaftlichen Veränderungen forderten eine neue Form der Politik. Wichtig sei ihm ein „gesellschaftlicher Konsens“ in der Stadt. Es brauche neue Formen der Bürgerbeteiligung. Und nicht erst dann, wenn es bei einem Projekt Probleme oder Widerstand gebe. Er habe selbst viel dazugelernt, als es um die Einrichtung eines Treffs für Süchtige am Oberhauser Bahnhof ging. Er dachte damals erst, es schade dem Projekt, wenn zu schnell Details wie der geplante Standort bekannt werden. Das brachte ihm Gegenwind ein. Seither wisse er: „Transparenz ist das A und O.“ Wurm plädiert für regelmäßige Stadtteilversammlungen, an denen jeder Bürger teilnehmen und seine Anliegen den Vertretern der Stadt vorbringen kann. Mehrmals im Jahr sollen sie stattfinden, im Idealfall einmal im Monat.
Mehr Mut wünscht er sich in der Wirtschaftspolitik – die wird derzeit von seiner CSU-Konkurrentin bei der OB-Wahl, Eva Weber, verantwortet. Niemand könne etwas dafür, wenn größere Firmen Arbeitsplätze streichen. Er wünsche sich aber eine aktivere Rolle der Stadt bei der Suche nach neuen Unternehmen. Seit der Bewerbung um ein BMW-Werk im Jahr 2003 sei da nicht mehr allzu viel passiert, meint Wurm. Außerdem plädiert er dafür, mit der Technologie von MAN ein Kraftwerk zu bauen, das Strom in Wasserstoff umwandelt.
Dieter Benkard , 75, ist ein Urgestein der Augsburger SPD und einer, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Über Wurm sagt der scheidende Stadtrat aus Oberhausen : „Ich bin mit ihm gut klargekommen. Ich konnte ihm immer offen meine Meinung sagen und er hat mir zugehört.“ Wurm sei schon immer sehr zielstrebig und wissbegierig gewesen. Er habe ihm geraten, einen sachlichen Wahlkampf zu führen, schließlich müssten hinterher noch alle Konkurrenten miteinander auskommen, sagt Benkard. Sein Urteil bisher: „Er macht das gut.“
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