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Kommentare: Warum für die Stadt Visionen so wichtig wären

Kommentare

Warum für die Stadt Visionen so wichtig wären

Nicole Prestle
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    Der Ärger über den Verkauf des alten Stadtarchivs hat wenig mit dem neuen Besitzer zu tun. Er entstand durch unglückliche städtische Entscheidungen.
    Der Ärger über den Verkauf des alten Stadtarchivs hat wenig mit dem neuen Besitzer zu tun. Er entstand durch unglückliche städtische Entscheidungen. Foto: Bernd Hohlen

    Die Kritik am Verkauf des ehemaligen Stadtarchivs ist groß – und wie oft in solchen Diskussionen entzündet sie sich am Geld. Doch der Skepsis gegenüber diesem Geschäft liegt ein schwerwiegenderes Problem zugrunde: das Misstrauen in Entscheidungen einer Stadtregierung, die zuletzt vor allem im Kulturbereich unglücklich agierte.

    Blenden wir zurück: Als das Große Haus quasi von heute auf morgen geschlossen wurde, begann in der Stadtverwaltung die hektische Suche nach Übergangsspielstätten. Der Kongress am Park wurde als Interimsbühne auserkoren, nur um nach kurzer Zeit wieder fallengelassen zu werden. Ebenso unerwartet tauchte die Idee auf, den Kostümfundus des Theaters ins ehemalige Stadtarchiv zu verlegen. Wie sich später herausstellen sollte, war eine Entscheidung so wenig sinnvoll wie die andere. Die Suche nach Spielstätten geriet für Außenstehende zu einem Hin und Her, das jeglichen Plan vermissen ließ.

    Nicht zu Ende gedacht

    Die Stadt hatte bei diesen Überlegungen offenbar vor allem das Geld im Hinterkopf: Kongresshalle und Stadtarchiv sind bzw. waren in kommunalem Besitz. Das Theater hätte dort unterkommen können, ohne Miete zu bezahlen. Wie praktisch in einer Phase, in der jeder Cent für die umstrittene Theatersanierung von deren Kritikern argwöhnisch aufgerechnet wurde.

    Doch die Sache war eben nicht zu Ende gedacht: Im Kongress am Park hätte der Einzug des Theaters das eben erst wieder aufgebaute Kongress- und Messewesen beschnitten. Und fürs Stadtarchiv hatte sich die Verwaltung offenbar noch gar keine Gedanken gemacht. Es war „nur“ eine ungenutzte Immobilie, in die man die Theaterschneiderei problemlos hineinstecken konnte.

    Darüber hinaus schien so ein weiteres Problem gelöst: Die Frage nach der künftigen Nutzung des Hauses war durch den Einzug des Kostümfundus bis 2023 aufgeschoben. Eine unangenehme Frage, denn denkmalgeschützte Gebäude wie das Forsterhaus sind für eine Kommune eher Belastung denn Bereicherung. Der Stadt muss klar gewesen sein, dass das alte Stadtarchiv nach Jahren des Nicht-Sanierens bald hätte instand gesetzt werden müssen. Doch woher hätte das Geld kommen sollen? Das Angebot des Medienunternehmers Kubak muss Augsburgs Oberbürgermeister und seiner Finanzreferentin schon deshalb wie ein Geschenk vorgekommen sein.

    Kubak hat eine Vision

    Kubak hatte der Stadt eine Vision für das Gebäude zu bieten, die über den Tag hinausreicht: Im Zusammenspiel mit Theater und Leopold-Mozart-Zentrum fügt sich der Umzug von Klassik Radio in die Innenstadt zu einem stimmigen Ganzen. Kubak hat außerdem das Geld und das Durchhaltevermögen, Projekte zum Abschluss zu bringen. Dies alles dürfte die Verwaltung in ihrem Entschluss bestärkt haben, das Haus zu verkaufen. Wahrscheinlich wird sich am Ende zeigen, dass es ein guter Entschluss war. Denn dieses Denkmal wird wohl nicht das Schicksal teilen, das so viele andere städtische Immobilien ereilte: der zunehmende Verfall aufgrund fehlender Investitionen.

    Stadtarchiv: Jetzt spricht der neue Eigentümer

    Dass dieser Verkauf nun so heftig kritisiert wird, hat wenig mit dem neuen Besitzer Kubak zu tun. Es liegt am gefühlt hilflosen Agieren der Verwaltung, am schnellen Eröffnen und noch schnelleren Wieder-Schließen von Interimsspielstätten. Alles in allem muss so der Eindruck entstehen, die Stadt habe die Sanierung des Vierspartenhauses organisatorisch und finanziell nicht im Griff. Ein schlechtes Signal – auch, weil es die Entwicklungen überlagert, die bei diesem Millionenprojekt gut laufen.

    Was in der aktuellen Verkaufsdebatte ebenso eine Rolle spielen dürfte, sind frühere Entscheidungen dieser und anderer Stadtregierungen, Sanierungen eigener Immobilien so lange aufzuschieben, bis die Kosten dafür ins Unermessliche steigen. Mehrfach führte dies zum Verkauf städtischen Eigentums. Die Kritiker des Stadtarchiv-Verkaufs bringt vor allem dies in Rage.

    Der Augsburger Medienunternehmer Ulrich Kubak hat das so genannte Forsterhaus in der Fuggerstraße gekauft. In dem denkmalgeschützten Gebäude sollen künftig Geschäftssitz und Sendestudios von Klassik Radio beheimatet sein.
    Der Augsburger Medienunternehmer Ulrich Kubak hat das so genannte Forsterhaus in der Fuggerstraße gekauft. In dem denkmalgeschützten Gebäude sollen künftig Geschäftssitz und Sendestudios von Klassik Radio beheimatet sein. Foto: Bernd Hohlen

    So haben viele noch in Erinnerung, wie die Stadt 2011 versuchte, die Staats- und Stadtbibliothek zu zerschlagen, weil sie sich Haus und Unterhalt nicht mehr leisten konnte. Wie beim Theater stieg am Ende der Freistaat ein; bei der „Stabi“ ging dies so weit, dass die Stadt nach knapp 500 Jahren ihr Mitspracherecht komplett abgab.

    Ein Container ist schnell gebaut...

    Und es gibt weitere Immobilien, bei denen genau diese Entwicklung droht: Die Dominikanerkirche, einst Sitz des Römischen Museums, wird seit dessen Auszug zwar schrittweise saniert. Doch wofür man das Gebäude herrichtet, weiß kaum einer. Zieht das Römermuseum jemals wieder dort ein oder bekommt es nebenan einen Neubau? Es gibt viele Ideen, die Stadtregierung scheint aktuell jedoch keine voranzutreiben.

    Dabei wäre es wichtig, eigene Visionen zu erarbeiten, bevor man durch äußere Umstände zum Handeln gezwungen wird. So war es beim Auszug des Römermuseums, so war es bei der Schließung des Theaters und so war es – noch weiter zurückgeblickt – beim Auszug des Theaters aus der Komödie. Auch dieser wurde erst Realität, als das Haus in der Altstadt über Künstlern und Publikum einzufallen drohte.

    Streit um das alte Stadtarchiv: Zu billig verkauft?

    Die „heilsbringende“ Lösung war damals übrigens der Neubau der Brechtbühne – und zwar ausgerechnet auf der Fläche, die später für Sanierung und Neubau des Großen Hauses von Bedeutung sein sollte. Eine Tatsache, die der zuständigen Stadtregierung auch damals bekannt war. Aber es war offenbar einfacher, dort schnell einen Container aufzubauen, als die Sache zu Ende zu denken...

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