Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Kommentar: Impfreihenfolge: Entscheidung war nicht unsensibel, sie war falsch

Kommentar

Impfreihenfolge: Entscheidung war nicht unsensibel, sie war falsch

Nicole Prestle
    • |
    Die vorgezogene Impfung von 48 Mitarbeitern einer Steuerkanzlei hat für Ärger in Augsburg gesorgt.
    Die vorgezogene Impfung von 48 Mitarbeitern einer Steuerkanzlei hat für Ärger in Augsburg gesorgt. Foto: Patrick Pleul, dpa (Symbolbild)

    Augsburgs Stadtregierung dürfte an diesem Wochenende bald klar geworden sein, wie "unsensibel" (O-Ton Gesundheitsreferent Reiner Erben) es war, anstatt Senioren über 80, Risikopatienten oder zum Beispiel Mitarbeiter von Pflegediensten knapp 50 Angestellte einer Steuerkanzlei gegen Corona zu impfen. Die Augsburger Allgemeine hatte kaum darüber berichtet, da hagelte es schon Beschwerden von Bürgern, die seit Wochen auf ihre Impfung warten. Die Stadtspitze fühlte sich deshalb noch am Samstagabend genötigt, eine Presseerklärung abzugeben.

    Man kann davon ausgehen, dass um den Wortlaut gerungen worden war. Es ist ja nicht die erste Panne, die Augsburgs Regierung in Sachen Corona-Regelungen glattbügeln muss. Gesundheitsreferent Reiner Erben (Grüne) erklärte schließlich wortreich, dass die Impfung der Kanzlei-Mitarbeiter zwar "rechtlich nicht zu beanstanden" sei, aber doch "unsensibel" war.

    Der Eindruck bleibt: Es hapert an Organisation im Gesundheitsreferat Augsburg

    Was noch in der Mitteilung stand, waren ausführliche, aber eben auch längst bekannte Erklärungen der Augsburger Impfstrategie. Doch es half nichts: Was blieb, waren offene Fragen - und einmal mehr der Eindruck, dass es an der Organisation im Augsburger Gesundheitsreferat hapert. Denn eine schlüssige Erklärung, warum es die Steuerkanzlei auf die Liste der vorrangig zu impfenden Personen geschafft hat, die Erbens Referat ans Impfzentrum weiterleitete, blieb der Referent schuldig.

    Der Fall trägt leider dazu bei, den Impfneid innerhalb der Bevölkerung weiter zu schüren. Denn obwohl sich in Augsburg noch zu wenige Bürger für eine Impfung haben registrieren lassen, reicht der Impfstoff bei Weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. Schon deshalb wäre das Gesundheitsamt gut beraten, die Einrichtungen intensiver zu prüfen, die auf direktem Weg dringenden Bedarf für eine Impfung anmelden, anstatt über das bundesweite Impfportal zu gehen.

    Erben macht es sich auch zu einfach, wenn er die Verantwortung dem Impfteam zuordnet. Denn während man dort im Fall übriger Impfdosen schnell entscheiden muss, bliebe im Gesundheitsreferat mehr Zeit, um "Impfanmeldungen" zu prüfen. Im Fall der Steuerkanzlei jedenfalls hätte dem Referat auffallen müssen, dass es anderweitig dringenderen Impfbedarf gibt. Insofern war die Immunisierung der Kanzleimitarbeiter nicht unsensibel, sie war falsch.

    Lesen Sie dazu den Artikel: Geimpfte Juristen: Stadt zieht Konsequenzen

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden