In Augsburg wohnen fast 300.000 Menschen. Viele davon sind höflich, fleißig und engagiert oder zumindest eines davon. Anders würde das Zusammenleben in der Stadt nicht so gut funktionieren. Es funktioniert nämlich weitgehend, obwohl nicht alle Bedingungen dafür optimal sind. Ein mittlerweile eklatanter Mangel an bezahlbarem Wohnraum, ein hoher Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund, teils sehr unterschiedliche Lebensbedingungen in den Stadtvierteln: Das ist ein Mix, der auch zu massiven Problemen im Umgang miteinander führen könnte, zu erheblichen sozialen Spannungen.
Doch wie gesagt: Das Zusammenleben in der Stadt funktioniert insgesamt gut. Dazu tragen eine vielfältige Zivilgesellschaft und eine stabile Arbeitsmarktlage vor Ort bei, eine aufmerksame Polizei und auch eine Politik, die für viele positive Entwicklungen die Rahmenbedingungen geschaffen hat. Klingt Ihnen das alles zu rosig, ist Ihre Wahrnehmung eine andere?
Debatte um den Elias-Holl-Platz
Nun, es gibt auch Gegenbeispiele. Dass es mit dem friedlichen Zusammenleben oft auch nicht klappt, zeigt etwa die regelmäßige Debatte um die Plätze der Stadt, um Auswüchse im Nachtleben, um lärmende Jugendgruppen mit und ohne Migrationshintergrund. Im Kern geht es meist darum, dass sich im öffentlichen Raum Gruppen versammeln, die laut und unangenehm sein können, teils auch Ordnungswidrigkeiten und Straftaten begehen. Süchtige und Trinker, aber auch Jugendliche und Nachtschwärmer, die über die Stränge schlagen, was auf Kosten anderer Bürger geht – oft die betroffenen Anwohner. „Maxstraße: Jeder vierte Anwohner will wegziehen“, das war beispielsweise die Überschrift eines Artikels der Augsburger Allgemeinen, er stammt aus dem Jahr 2009.
Heute dreht sich die Debatte um den Elias-Holl-Platz, auch dort ist die Situation zuletzt für einige der anliegenden Bewohner schwer zu ertragen gewesen. An dieser Stelle, vor dem „Aber“, ein paar eigentlich banale Selbstverständlichkeiten, um nicht falsch verstanden zu werden. Am Holl-Platz, dem Schauplatz der aktuellen Diskussionen, bemängeln Anwohner aus ihrer Sicht untragbare Zustände, und das zu Recht. Straftaten gehören verfolgt. Und niemand muss es sich gefallen lassen, angepöbelt oder sogar angegriffen zu werden, Tage und Nächte lang Lärm ausgesetzt zu sein und damit um seinen Schlaf gebracht zu werden. Es braucht Konzepte, um solche Probleme in den Griff zu bekommen. Doch eben das ist schon einfacher gesagt als getan, sonst wären derlei Konzepte ja längst überall umgesetzt, nicht nur am Elias-Holl-Platz.
Verdrängungseffekt setzt ein
Dass Polizei und Ordnungsdienst an kritischen Orten genauer hinschauen, klingt und ist erst einmal gut. Aber es heißt gegebenenfalls auch, dass sich manche Klientel einen anderen Platz sucht, an dem sie sich weniger beobachtet fühlt; ein Verdrängungseffekt, der theoretisch immer so weiter gehen kann, weil es weder logistisch machbar sein dürfte, noch erstrebenswert ist, dass der komplette öffentliche Raum dauerüberwacht wird. Ein Alkoholverbot an den Plätzen klingt nach einer harten, konsequenten Linie, dürfte aber rechtlich schwer umsetzbar sein, ist ein erheblicher Eingriff und stößt spätestens bei öffentlichen Veranstaltungen wie dem Christkindlesmarkt auf Probleme. Es ist auch etwas billig und falsch, immer nur alles verbieten zu wollen – wobei ein wenigerer drastisches Verbot in diesem konkreten Fall angemessen und hilfreich sein könnte, aber dazu später mehr.
Hinzu kommt die ebenfalls banale Erkenntnis, dass sich manche Zustände nie so ganz verhindern lassen werden – oder nur um den Preis einer sterilen Innenstadt und deutlichen Einschränkungen für alle. Manches muss man auch einfach akzeptieren. Die deutsche Großstadt, in der sich auch problematische Gruppen nicht auf öffentlichen Plätzen oder in Parks treffen, muss noch erfunden werden, und Augsburg ist nun einmal eine Großstadt. Es wäre lebensfern, bei bald 300.000 Einwohnern zu erwarten, dass jede Bevölkerungsgruppe sich in der Öffentlichkeit stets benimmt, außer zu den Anlässen, in denen es akzeptiert ist, dass die Leute mehr trinken und lauter sind – zum Beispiel beim Plärrer und den Sommernächten.
Was braucht es also? Es braucht zum ersten schon einmal keine Überdramatisierung und keinen Aktionismus, sondern maßvolle, wirkungsvolle Lösungen. Ob diese jetzt erarbeitet werden oder erst später, ist eigentlich egal, weil ein kalter Winter das Problem fürs Erste ohnehin aussetzen dürfte. Einige der an dem „Bürger-Talk“ zum Thema vorgeschlagenen Lösungsmöglichkeiten klingen hilfreich – etwa verstärkte Streetworker-Präsenz und die Idee, den Lautsprecherbetrieb auf dem Platz zu untersagen. Das ist kein allzu schwerwiegendes Verbot, aber wohl ein sinnvolles. Es geht nun einmal vorrangig um Lärmbelästigung, nicht um massive Straftaten.
Lesen Sie dazu auch: Was hat der Bürgertalk zum Elias-Holl-Platz gebracht?
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