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Kartell-Verdacht: Rechnungshof: Im öffentlichen Nahverkehr wird Steuergeld verpulvert

Kartell-Verdacht

Rechnungshof: Im öffentlichen Nahverkehr wird Steuergeld verpulvert

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    Der öffentliche Nahverkehr wird mit viel Geld gefördert. Der Rechnungshof kritisiert aber schon lange den Umgang mit den Subventionen im Freistaat.
    Der öffentliche Nahverkehr wird mit viel Geld gefördert. Der Rechnungshof kritisiert aber schon lange den Umgang mit den Subventionen im Freistaat. Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild)

    Nach der Kartell-Anklage gegen 13 Verantwortliche von Busunternehmen in der Region prüft der Augsburger Verkehrsverbund (AVV) rechtliche Schritte gegen die betroffenen Firmen. Eine Sprecherin des AVV sagt: „Die von uns beauftragten Anwälte sind der Auffassung, dass kartellrechtswidrige Absprachen bei Ausschreibungen zu Schadensersatzansprüchen führen können.“ Der Verbund behalte sich daher vor, „solche Ansprüche auch geltend zu machen“.

    Allerdings will man bei dem Verkehrsverbund wohl erst den Ausgang des Strafverfahrens abwarten. Das gilt wohl auch für die Frage, ob die unter Kartellverdacht stehenden Firmen künftig noch im AVV fahren dürfen. Die Staatsanwaltschaft wirft den Verantwortlichen von neun Busfirmen aus Augsburg und Schwaben vor, Absprachen getroffen zu haben, um sich Aufträge für lukrative Linien im Nahverkehr zu sichern. Es geht um Aufträge im Wert von rund 71 Millionen Euro, im AVV und im Kreis Dillingen. Bei den Firmen handelt sich um die Regionalbus Augsburg – kurz RBA – sowie um Busunternehmer, die an der RBA beteiligt sind.

    Die Förderung des Nahverkehrs sei unübersichtlich und kompliziert

    Der öffentliche Nahverkehr wird vom Staat mir großen Summen subventioniert, da er meist nicht wirtschaftlich betrieben werden kann. Kritik daran, wie die Subventionen verteilt werden, übt der Bayerische Oberste Rechnungshof schon seit Langem. Die Prüfer rügen, die Förderung sei unübersichtlich und kompliziert. Besonders kritisch sehen sie sogenannte Ausgleichszahlungen nach dem Personenbeförderungsgesetz. Im Jahr 2016 gab der Freistaat dafür rund 115 Millionen Euro aus. Etwa 45 Millionen flossen an private Busfirmen und Verkehrsunternehmen der Bahn, der Rest an kommunale Unternehmen.

    Die Zuschüsse hätten sich vielfach zur wirtschaftlichen Basis der Verkehrsunternehmen entwickelt, schreibt der Rechnungshof in einem Sonderbericht von Ende 2017. Das Interesse der Firmen, kostengünstig zu arbeiten, werde geschwächt. Defizite würden schließlich zuverlässig vom Staat ausgeglichen, ohne dass sich die Firmen „einem fairen Wettbewerb“ stellen müssten. Fazit: „Die Konsequenz daraus sind Linienkonzessionen, die über mehrere Jahrzehnte an denselben Verkehrsunternehmer vergeben sind, und ebenso lange fließen staatlichen Leistungen, ohne dass jemals eine Ausschreibung stattgefunden hat.“ Im AVV ist man auch aus diesen Gründen seit einigen Jahren dazu übergangen, die Buslinien nicht mehr direkt zu vergeben, sondern europaweit auszuschreiben.

    Ein Grund für die Gründung des mutmaßlichen Kartells soll auch gewesen sein, dass die Busunternehmer diesen drohenden stärkeren Wettbewerb fürchteten. Den gibt es aber auch heute längst nicht überall. Im Kreis Neu-Ulm etwa werden die Linienkonzessionen nach wie vor direkt vergeben. Nach einer Variante, die vom Rechnungshof stark kritisiert wird. Der Rechnungshof betont auch, dass er Mängel bei der Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs schon Ende der 1990er-Jahre benannt habe, passiert sei aber nicht viel. Immerhin fließen pro Jahr mehrere hundert Millionen Euro. Was die Ausgleichszahlungen angeht, werden die Prüfer sehr deutlich: „Der Freistaat verzichtet bei einer Übersubventionierung auf Steuerungsmöglichkeiten.“

    Bei der Planung von Buslinien geht es nicht immer um den Fahrgast

    Das heißt: Es fließt zu viel Geld, es fehlt an der Kontrolle. Die am mutmaßlichen Kartell beteiligten Firmen haben wohl ein Interesse daran, dass das so bleibt. Und sie dachten dabei auch an Tricks. In einem Telefonat, das von der Kripo abgehört wurde, reden zwei Firmenvertreter darüber, Buslinien so legen, dass nicht die Stadt Neu-Ulm alleine das Sagen hat, sondern der Kreis auch. Der Landkreis war gewillt, den privaten Betreibern langjährige Konzessionen direkt zuzugestehen. Ob der Verlauf der Buslinien so auch für die Fahrgäste sinnvoll ist, spielt in dem Gespräch keine Rolle. Allerdings könnte es auch im Kreis Neu-Ulm früher oder später mehr Wettbewerb geben. Ein Sprecher des Landratsamtes sagt, eine Ausschreibung von Buslinien sei künftig denkbar. Verwaltung und Politik bezögen solche Überlegungen in ihre „strategischen Planungen“ ein.

    Lesen Sie dazu unseren Report: Telefonate abgehört: So kam die Kripo dem Bus-Kartell auf die Schliche (Plus+)

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