Lana fläzt lässig auf der Couch und verzehrt ein paar Hackfleischbällchen, während ihr Hündchen Juanita im Wohnzimmer herumtollt. Auf den ersten Blick wirkt die Zwölfjährige in ihrer Trainingshose und dem Kapuzenshirt wie ein normaler Teenager kurz nach der Schule. Doch Lana hat vor knapp einem Jahr das letzte Mal in ihrer Klasse der Kapellen-Schule in Oberhausen gesessen.
Stattdessen verbringt sie Monate in der Augsburger Kinderklinik und in einem Krankenhaus in München. Nicht nur einmal ist ihr Zustand so kritisch, dass Mutter Julia Sander um das Leben ihres einzigen Kindes bangt und zu Lana sagt: "Wenn du aufgeben willst, dann gib auf." Lana, sehr blass und dünn, schaut an diesem grauen Herbsttag von ihrem Essen auf und formuliert unfassbare Worte für eine Zwölfjährige: "Ich habe nicht aufgegeben und jetzt lebe ich."
Augsburgerin Lana braucht eine Stammzellspende
Das Mädchen ist neun Jahre alt, als es das erste Mal an Blutkrebs erkrankt. Fast zwei Jahre lang nimmt die junge Augsburgerin zahlreiche Behandlungen einschließlich Chemotherapie auf sich und ist voller Hoffnung. Anfang 2020 kehrt die heimtückische Krankheit zurück. Bald ist klar: Um die Leukämie besiegen zu können, benötigt Lana dringend eine Stammzellspende. Ursprünglich ist im März an ihrer Schule eine Typisierungsaktion geplant. Sie muss wegen der Corona-Pandemie aber abgesagt werden. Stattdessen organisieren Lanas Familie und Freunde zusammen mit der Deutschen Knochenspenderdatei (DKMS) die Online-Aktion „Kämpferherz Lana braucht Dich!“. Mehr als 10.000 Menschen bestellen daraufhin ein Registrierungsset, um sich für Lana typisieren zu lassen.
Fast 45.000 Personen nehmen auf Instagram Anteil am Schicksal der jungen Augsburgerin, darunter Musiker wie Kool Savas und Capital Bra. "Alle Rapper fahren auf Lana ab", sagt Julia Sander und lächelt ihrer Tochter zu. Doch trotz prominenter Unterstützung ist die weltweite Suche nach einem passenden genetischen Zwilling für Lana erfolglos. Deshalb entscheidet sich die 34-jährige Mutter zu einer Stammzellspende für ihre Tochter, weil bei einem Elternteil zumindest 50 Prozent des Blutgewebes übereinstimmen kann. Bevor die Knochenmarktransplantation im Juli in der Haunerschen Kinderklinik in München erfolgt, stehen Lana weitere hochdosierte Chemotherapien und schmerzhafte Punktionen bevor. Der Patientin ist oft so übel, dass sie keinen Bissen hinunterbekommt. Doch gegen eine Magensonde und künstliche Ernährung verwahrt sie sich, auch als es nach der Transplantation zu Komplikationen kommt. "Blutvergiftung, Lungenentzündung, Pilzherde", zählt Julia Sander auf.
Der Welpe ist großes Glück für die krebskranke Lana
Mittlerweile kann die Zwölfjährige wieder essen. Am besten schmeckt ihr deftige Hausmannskost, von der Mama frisch gekocht. Süßigkeiten hingegen behagen ihren Geschmacksnerven nicht, dabei könnte sie mit ihren gerade mal 40 Kilo Gewicht jede Menge Schokolade oder Kuchen essen. Als die vier Monate alte Hündin Juanita zu ihr läuft und um Streicheleinheiten bettelt, huscht ein Lächeln über ihr blasses Gesicht. Welch ein Glück, dass ihr der Professor aus München die Anschaffung eines Welpen gestattet hat.
Fragen und Antworten zu Stammzellenspenden
Wer kann Stammzellenspender werden? Grundsätzlich jeder gesunde Mensch im Alter zwischen 17 und 55 Jahren, der noch nicht bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) oder in einer anderen Datei registriert ist.
Wie wird man Stammzellenspender? Indem man sich registrieren lässt. Online kann man sich ein Registrierungs-Set anfordern, das per Post geschickt wird. In diesem Set sind Wattestäbchen, mit denen man von der Innenseite der Wange einen Abstrich macht. Die Wattestäbchen werden mit den unterschriebenen Unterlagen zurückgeschickt. Weitere Informationen finden sich auf der Website der DKMS.
Wie geht es dann weiter? Im Labor werden Gewebemerkmale untersucht und anschließend erfolgt die Aufnahme in die Datei, die bei der weltweiten Suche nach geeigneten Stammzellenspendern hilft. Der Registrierte erhält eine DKMS-Spendercard. Die Organisation meldet sich im Falle des Falles.
Wie viele Spender hat die DKMS aktuell in ihrer Datei? Weltweit sind es über elf Millionen in sieben Ländern. In Deutschland allein beträgt die Zahl potenzieller Lebensretter knapp 7,4 Millionen.
Wenn Lana einmal nicht den Zwergspitz knuddelt, hört sie Musik oder bettelt ihre Mama an, dass sie noch ein paar neue Filme auf ihr Tablet laden darf. Für ihr geliebtes Hobby Tanzen ist sie nach monatelangem Liegen noch zu schwach. Von Corona hat sie gehört, doch die Pandemie berührt ihre Lebenswelt kaum: "Ich kann ja nicht raus", sagt sie. Es sei denn, sie fährt zu einer der regelmäßigen Kontrolluntersuchungen nach München. Dabei zeigt sich, dass der Körper des Mädchens immer noch gegen die Leukämie ankämpft. Julia Sander glaubt fest daran, dass ihre Tochter den Krebs besiegen wird: "Lana wird gesund", sagt die alleinerziehende Mutter.
Wann die Zwölfjährige wieder in die Schule darf, steht - auch wegen Corona - in den Sternen. Theoretisch ist es möglich, dass Lana über Video am Unterricht ihrer Klasse, die sie sehr vermisst, teilhaben kann. Es sei auch angedacht, dass für einige Stunden in der Woche eine Lehrkraft in die Wohnung kommt, weiß Julia Sander. Und überhaupt: Was sind ein, zwei verlorene Schuljahre, wenn es ums Überleben geht?
Die Mutter von Land ist so außergewöhnlich wie ihre Tochter
Mittlerweile ist Lana müde geworden, das Gespräch hat sie angestrengt und sie legt sich in ihrem Zimmer hin. Derweil entschuldigt sich Julia Sander, dass die Wohnung nicht makellos aufgeräumt ist, eine ganze Batterie an Medikamenten herumsteht. Eine Perfektionistin wie die 34-Jährige, die als Kind mit ihren Eltern aus Kasachstan kam, muss lernen, Abstriche zu machen. Ausruhen, ausgehen oder feiern hat die junge Frau schon längst aus ihrem Alltag verbannt. "Ich muss funktionieren, kann es mir nicht leisten, einmal nichts zu tun", sagt Julia Sander. Aktuell versucht sie, wieder stundenweise zu arbeiten und neben allem anderen noch ihren Führerschein zu machen, damit die kleine Familie für die Klinikfahrten nicht immer auf fremde Hilfe angewiesen ist. Ihr Chef übernehme bisher oft die Fahrten, sagt die Bürokauffrau dankbar.
Julia Sander ist so außergewöhnlich wie ihre tapfere Tochter Lana, die sich bei den vielen Freiwilligen bedankt, die an ihrer Registrierungsaktion teilgenommen haben. Auch wenn für die Zwölfjährige nicht der passende Stammzellspender dabei war, wurden dadurch die genetischen Zwillinge zweier anderer Leukämiekranken gefunden. „Bitte hört nicht auf, euch registrieren zu lassen. Es gibt noch so viele Patienten, die eure Hilfe benötigen.“
Wer sich registrieren lassen will, kann sich unter www.dkms.de informieren.
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