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Justiz: Augsburger Gericht verurteilt Mann zum 39. Mal

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Augsburger Gericht verurteilt Mann zum 39. Mal

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    Zum 39. Mal wurde ein 68-jähriger Querulant vor Gericht verurteilt. Er forderte unter anderem, das Kreuz im Saal abhängen zu lassen.
    Zum 39. Mal wurde ein 68-jähriger Querulant vor Gericht verurteilt. Er forderte unter anderem, das Kreuz im Saal abhängen zu lassen. Foto: Julian Würzer (Symbolfoto)

    Der Mann scheint ein moderner Wiedergänger der literarischen Figur des Michael Kohlhaas zu sein. Weil ihm seiner Meinung nach vor 20 Jahren Unrecht geschah, fordert ein inzwischen 68-Jähriger seither immer wieder die Justiz heraus. Der Mann ist von einem Augsburger Gericht jetzt zum 39. Mal verurteilt worden.

    Richter als schizophren beleidigt

    Dieses Mal ging es um eine mehrfache Beleidigung des Vorsitzenden einer großen Strafkammer, die ihn bereits in einem früheren Verfahren verurteilt hatte. In drastisch formulierten Briefen hatte er dem Richter unter anderem vorgeworfen „schlimmer als fünf Kinderf …“ zu sein. Ein anderes Mal empfahl er dem Juristen, weil dieser auf ihn den Eindruck mache, an „paranoider Schizophrenie“ zu leiden, sich auf seinen Geisteszustand untersuchen zu lassen.

    Es sind gezielte Provokationen, mit denen der Mann gegen prominente und weniger prominente Menschen zu Felde zieht: Pfarrer, Ärzte, Politiker, Juristen: So auch am letzten von drei Prozesstagen, als er morgens beim Betreten des Gerichtssaals dazu auffordert, laut zu rufen: „Deutschland braucht Patrioten, keine Idioten.“ Dann stört ihn das „Hakenkreuz“ an der Wand. Die Konturen eines Holzkreuzes sind nur schwach sichtbar. Es wurde vorsorglich schon abgehängt, weil der Angeklagte es bei jedem seiner Auftritte vor Gericht beanstandet.

    Angeklagter lehnt Richterin als befangen ab

    Es wird, wie eigentlich nicht anders zu erwarten, noch einmal ein nervenaufreibender, langer Prozesstag. Der Angeklagte lehnt in einem mehrseitigen, selbst verfassten Antrag die Vorsitzende Richterin Renate Partin als befangen ab. Es folgt eine mehrstündige Beratungspause eines anderen Richtergremiums, bevor der Antrag abgelehnt wird. Doch weitere verfahrensverzögernde Anträge mit neuen Sitzungsunterbrechungen folgen. Bis der Angeklagte nach den Plädoyers des Staatsanwalts und seines Verteidigers vom Gericht „das letzte Wort“ eingeräumt bekommt – eine zwingende Vorschrift in der Strafprozessordnung.

    Über eine Stunde für das letzte Wort

    Und so holt der 68-Jährige, der die blaue Gefängniskluft trägt, noch einmal weit aus, redet über eine Stunde. Es ist kurz vor 19 Uhr, als das Urteil verkündet wird. Die Strafkammer hält ihn für schuldfähig, wenn auch vermindert. Was ausschließt, dass er in die Psychiatrie eingewiesen wird. Das Gericht beruft sich auf den forensischen Psychiater Prof. Henning Saß. Der Angeklagte verstehe es „mit großem Geschick sarkastisch zugespitzt zu formulieren“. Er sei, so der Gutachter im Prozess, „ironisch, witzig, nicht aggressiv“. Doch habe sich bei dem heute 68-Jährigen ein „querulatorisches Fehlverhalten eingeschliffen“ und zum Wahn entwickelt, was nicht mehr korrigierbar sei.

    Immerhin einen Erfolg kann der Angeklagte für sich verbuchen. Anders als in erster Instanz wird der 68-Jährige nur in drei von vier angeklagten Fällen schuldig gesprochen. Eine bald 20 Jahre zurückliegende Entscheidung des Familiengerichts, das dem Vater das Sorge- und Umgangsrecht entzog, ist dem Anschein nach Triebfeder für sein Verhalten. „Meine Tochter liebt mich“, trug er auch jetzt wieder im Prozess vor.

    Das sagt die Tochter des Angeklagten

    Er scheint zu ignorieren, was sie vor vier Jahren mit 16 Jahren in einem Prozess gegen ihren Vater ausgesagt hat. „Er hat mein Leben zerstört. Ich will nichts mehr mit ihm zu tun haben.“ Sie halte ihren Vater für psychisch krank. Der 68-Jährige wurde zu einer elfmonatigen Haftstrafe verurteilt.

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