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Interview: Wie Augsburg beim Artenschutz eine Vorreiterrolle spielen kann

Interview

Wie Augsburg beim Artenschutz eine Vorreiterrolle spielen kann

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    So schön kann Artenvielfalt sein: Diese Aufnahme zeigt Wiesensalbei, der in den Lechheiden wächst. Mit dem Erfolg des Volksbegehrens für Artenvielfalt im Rücken, sehen Augsburger Naturexperten große Chancen, dass die Stadt Augsburg eine Vorreiterrolle spielen könnte. Dabei geht es nicht allein darum, Arten in der Region zu schützen bzw. wieder anzusiedeln.
    So schön kann Artenvielfalt sein: Diese Aufnahme zeigt Wiesensalbei, der in den Lechheiden wächst. Mit dem Erfolg des Volksbegehrens für Artenvielfalt im Rücken, sehen Augsburger Naturexperten große Chancen, dass die Stadt Augsburg eine Vorreiterrolle spielen könnte. Dabei geht es nicht allein darum, Arten in der Region zu schützen bzw. wieder anzusiedeln. Foto: Anne Wall

    Herr Liebig, geht es nach dem erfolgreichen Volksbegehren „Rettet die Bienen“, sollen vor allem Landwirte für mehr Artenvielfalt in Bayern sorgen. Welche Möglichkeiten sehen Sie in einer Großstadt wie Augsburg, um gegen das dramatische Artensterben vorzugehen?

    Nicolas Liebig: Wir haben im Naturschutzgebiet Stadtwald Augsburg gezeigt, wie man mit einer guten Flächenpflege zusammen mit Partnern mehr Artenvielfalt hinbekommen kann. Das könnte man in großem Stil auch auf agrarischen Flächen im Stadtbereich machen. Da sind aber alle gefordert, nicht nur die Landschaftspflege und die Landwirte. Die Politik muss nun die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen schaffen. Weitere Möglichkeiten, etwas für die Artenvielfalt zu tun, bieten innerstädtische Grünflächen. Die Stadt hat das Potenzial, die biologische Vielfalt zu einem Schwerpunktthema zu machen. Aus meiner Sicht hat Augsburg das Zeug, eine Vorreiterrolle zu spielen.

    Wirklich? Im vergangenen Jahr gab es noch heftige Kritik aus dem Naturschutzbereich, dass die Stadt ihre Grünflächen zu früh und zu oft mäht – so dass Insekten nicht genügend Nahrung finden...

    Liebig: Nach der Debatte im vergangenen Jahr kam der Einstieg in das Projekt Insektenvielfalt Augsburg, das gemeinsam von der Stadt und dem Landschaftspflegeverband organisiert wird. Bisher haben wir sechs neue Blühflächen mit insgesamt 1,5 Hektar in Grünanlagen, Parks und in Wohngebieten angelegt. In den nächsten Jahren wollen wir auf 20 Hektar kommen, um mehr Lebensraum für Insekten zu schaffen. Wir spüren eine große Nachfrage nach unserem Projekt. Hausmeister von Wohnanlagen haben uns angerufen und wollen mitmachen, die städtische Wohnbaugruppe und die Universität sind dabei, auch die Stadtwerke haben ihre Mitarbeit zugesagt. Nach meiner Einschätzung wären auch die Außenflächen des Augsburger Innovationsparks nahe der Universität für Blühflächen sehr geeignet. Von dort haben wir aber noch nichts gehört.

    Hat sich diese Mitmach-Stimmung durch das Volksbegehren „Rettet die Bienen“ verstärkt?

    Liebig: Das Volksbegehren hat in den Menschen etwas ausgelöst. Viele Bürger wollen etwas tun. Wir werden uns mit Projekten breit aufstellen, Allianzen schmieden und konkrete Projekte umsetzen.

    Wie sahen solche Allianzen bislang aus, etwa mit Landwirten?

    Nicolas Liebig.
    Nicolas Liebig. Foto: Jens Noll

    Liebig: Unsere Erfahrungen zeigen, wenn man Landwirten faire Angebote macht, machen sie mit. Das ist zum Beispiel im Vertragsnaturschutz der Fall. Das städtische Programm, Flächen für Rebhühner einzurichten, läuft gut. Derzeit arbeiten wir in der Augsburger Landschaftspflege mit rund 20 Landwirten zusammen, auch mit konventionellen Betrieben. Ich gehe davon aus, dass es deutlich mehr sein könnten, wenn Fördergelder des Freistaates für mehr Artenvielfalt zur Verfügung stünden. Ob im Augsburger Norden, in Inningen, Bergheim oder auf dem Hochfeld, überall kennen wir Landwirte, die sich gerne für den Artenschutz engagieren würden.

    Wie sehen Sie die Chancen, beim Artensterben vor Ort wirkungsvoll gegenzusteuern? Sind die Erwartungen der Menschen angesichts des weltweiten Problems nicht zu hoch?

    Liebig: Wir haben in Augsburg im Kleinen Erfolge erzielt. Beispielsweise konnten wir auf der Hasenheide im Stadtwald, wo die Wildpferde weiden, seltene Arten im Bestand stabil halten und dafür sorgen, dass sich weitere seltene Arten wieder ansiedeln. Bei Heuschrecken haben wir eine Zunahme der Bestände erreicht. Aber um eine Trendwende in Augsburg zu schaffen, müssen wir größer denken und Probleme angehen. Das ist ein langer Prozess mit großen Herausforderungen. Mit dem Ausbringen von Blumensamen auf einigen Ackerparzellen ist es nicht getan. So kann man das Insektensterben nicht aufhalten. Denn die Zusammenhänge sind multikausal und komplex. Nicht nur die Landwirtschaft spielt eine große Rolle, sondern gerade in der Großstadt auch Faktoren wie die Flächenversiegelung, Luftverschmutzung oder Lichtverschmutzung.

    Was ist konkret geplant?

    Liebig: Stadt und Kreis Augsburg haben sich schon vor dem Volksbegehren als Ökomodellregion beworben. Wir hoffen auf ein erfolgreiches Bewerbungsverfahren und dann auf Mittel vom Freistaat. Damit wollen wir gezielt den Ökolandbau fördern.

    Welche Erwartungen haben Sie an den Runden Tisch der Staatsregierung nach dem Volksbegehren?

    Liebig: Ich bin auch Landessprecher der bayerischen Landschaftspflegeverbände. Gemeinsam haben wir einen Brief an Ministerpräsident Markus Söder geschrieben. Wir haben ihn gebeten, das bewährte Instrument der Landschaftspflege noch stärker zu nutzen und auszubauen, um mehr Artenvielfalt zu schaffen. Wir hatten in den vergangenen Jahren eine Gründungswelle in Bayern. Mittlerweile gibt es 62 Landschaftspflegeverbände. Die LPVs sind ein Exportschlager geworden, für den sich andere Länder interessieren. Unsere Botschaft an die Landwirte muss aber auch lauten: Lasst es uns gemeinsam machen. Wir brauchen sie, denn sie haben 47 Prozent der Fläche im Freistaat.

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