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Interview: Islamistenprozess: Warum verteidigen Sie ein "Monster", Herr Rubach?

Interview

Islamistenprozess: Warum verteidigen Sie ein "Monster", Herr Rubach?

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    Der Augsburger Rechtsanwalt Walter Rubach hat schon die schlimmsten Verbrecher verteidigt.
    Der Augsburger Rechtsanwalt Walter Rubach hat schon die schlimmsten Verbrecher verteidigt. Foto: Ulrich Wagner

    Dass er beschimpft wird, weil er Verbrecher verteidigt, ist der bekannte Augsburger Strafverteidiger Walter Rubach, 72, gewohnt. So viele Schmähungen und Vorwürfe wie im Fall des Islamisten Haidar A., 26, hat er aber nie bekommen. A. ist am Mittwoch zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, weil er sich bei einer Gerichtsverhandlung die Dienstwaffe eines Polizisten greifen und den Staatsanwalt und fünf Richter erschießen wollte.

    Herr Rubach, wie gehen Sie mit den Schmähbriefen, Beleidigungen und den Fragen an Sie um?

    Walter Rubach: Die Briefe haben mich schon erstaunt, aber nicht wegen der Wortwahl. Das bekomme ich gelegentlich. Es lässt mich relativ kalt. Was mich mehr wundert, ist, dass auch Menschen, von denen ich angenommen habe, dass sie ein klares Verhältnis zur Rechtsstaatlichkeit haben, mir die gleichen Frage stellen: Wie kannst du einen solchen Kerl, ein solches Monster verteidigen? Muss das denn sein? Hast du das eigentlich nötig?

    Wie lautet Ihre Antwort? Wie können Sie Menschen verteidigen, die morden wollten – oder auch gemordet haben?

    Rubach: Das ist eine Frage des beruflichen Ethos. Ich bin der Meinung, dass jeder das Recht hat, optimal verteidigt zu werden. Wenn man diesen Beruf, wie ich, seit über 40 Jahren ausübt, dann stellt man fest, dass selbst der größte Verbrecher schlicht auch nur ein Mensch ist. Und jeder Mensch hat unveräußerliche Rechte. Das klingt sehr pathetisch, aber das ist meine Überzeugung. Ich sehe mich als eine Art Notarzt. Ein Arzt ist verpflichtet, jedem Verletzten zu helfen, egal ob er ein Mörder ist, Betrüger oder Sexualverbrecher. Und kein Mensch würde diese ärztliche Tätigkeit infrage stellen. Wir als Rechtsanwälte – so sehe ich das – dürfen das nicht anders handhaben. Im Übrigen: Der Rechtsstaat muss sich gerade daran messen lassen, wie er mit seinen Feinden umgeht. Als Rechtsanwalt sorge ich dafür, dass der Angeklagte das faire Verfahren bekommt, das jedem zusteht. Das ist ja keine Selbstverständlichkeit.

    Aber können Sie denn einen Menschen, dessen Taten Sie für verwerflich halten, mit derselben Energie verteidigen wie jemanden, für dessen Tat man vielleicht noch Verständnis aufbringt?

    Rubach: Ja. Wenn man an die Fälle so rangeht, wie ich das tue. Ich betrachte meine Arbeit als Strafverteidiger als angewandte Menschenkunde. Ich bin neugierig darauf, wie ein Mensch dazu kommt, das getan zu haben, was ihm vorgeworfen wird. Wie kommt zum Beispiel jemand dazu, im Affekt zu töten, also das, was man eventuell nachvollziehen kann. Oder wie kommt ein Mensch dazu, auf lange Sicht ein Verbrechen zu planen? Auch das hatte ich schon. Das sind hochinteressante Vorgänge in der Psyche, weil sie ja auch gegen die Vorstellung laufen, jeder Mensch sei vernünftig und vor allem auch in der Lage, zu entscheiden, was richtig und was falsch ist. Manche Menschen können aber das genau nicht. Und das interessiert mich, aus welchen Gründen das so ist. Dann kommt man gelegentlich zur Erkenntnis, dass es Menschen sind, die auf Dauer weggesperrt werden müssen. Andere Menschen können umerzogen oder geheilt werden. Das Prinzip Hoffnung schwingt da mit. Ich bin ein Teil davon und das Ziel muss es sein, möglichst viel herauszufinden, auch über die Person des Angeklagten, um ihn ordentlich verteidigen zu können.

    Macht es für Sie einen Unterschied, ob Sie einen reuigen Täter haben – oder einen, der überhaupt nicht bereut, was er getan hat, und sich vielleicht noch damit brüstet?

    Rubach: Es gibt Menschen, die sagen: Ich würde es wieder tun und ich bereue nichts. Das mit der Reue ist ja ohnehin so eine Sache. Es gibt tatsächlich wenige Menschen, die ernsthaft bereuen, was sie getan haben. Sie bereuen in der Regel eher die Konsequenzen, die für sie daraus folgen. Es ist eine Art Selbstmitleid. Es gibt ganz wenige Menschen, die in den Spiegel schauen und sagen: Um Gottes willen, was habe ich hier angerichtet. Bei den meisten gibt es eher Tendenzen, die Tat kleinzureden und zu verniedlichen, weil sie natürlich entsetzt vor dem stehen, was sie getan haben. Aber das wollen sie dann nicht mehr wahrhaben.

    Hatten Sie schon einen Fall, bei dem Sie wussten, dass ein Angeklagter ein Verbrechen begangen hat, er aber – mit Ihrer Unterstützung als Verteidiger – ohne Strafe davonkommt?

    Rubach: Ja, solche Fälle hatte ich auch. Es gab Fälle, in denen ein Mandant berichtete, was er getan hat, aber der Auftrag lautete trotzdem, dass ich einen Freispruch beantragen soll. Ich könnte auch sagen: Das mache ich nicht. Das muss jeder Anwalt für sich entscheiden. Ich habe weiter verteidigt. Ich habe dabei nicht aus Schwarz Weiß gemacht, aber ich habe dem Mandanten gesagt, welche Rechte er wahrnehmen kann. Dass das Gericht vielleicht nicht genug Beweise hat, wenn er den Mund hält oder keinen Mist erzählt. Das ist meine Pflicht, ihm das zu erklären. Das hat schon dazu geführt, dass zumindest das Strafmaß weit unter dem lag, was ein Täter bekommen hätte, wenn er dem Gericht dasselbe erzählt hätte wie mir.

    Aber das können Sie mit Ihrem Gewissen vereinbaren?

    Rubach: Ja. Ich kann es verstehen, wenn jemand sagt: Das mache ich nicht, das kann ich gegenüber meinem Gewissen nicht vertreten. Aber es ändert ja nichts daran, dass ein Angeklagter eben das Recht hat, zu schweigen – und die Beweislage und die Zeugenaussagen genau zu hinterfragen. Ich habe mich in solchen Fällen bisher immer dazu entschieden, weiter zu verteidigen.

    Sie treten – wie im Fall Haidar A. – immer wieder auch als Pflichtverteidiger auf, was finanziell nicht besonders lukrativ ist. Darauf sind Sie nicht angewiesen. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, ob Sie einen solchen Fall übernehmen?

    Rubach: Ich bin nur in Ausnahmefällen von einem Gericht als Pflichtverteidiger vorgeschlagen worden. In aller Regel ist es so, dass ein Mandant sich an mich wendet und ich dann als sogenannter Wahlpflichtverteidiger beigeordnet werde. Ich entscheide nach den Fragen: Ist der Fall interessant? Ist der Mensch interessant? Kann ich dabei etwas lernen? Das sind für mich die wesentlichen Punkte. Untergeordnet ist die Frage, ob es sich finanziell für mich lohnt. Ich habe genügend Wahlmandate.

    Hören Sie sich dazu auch unseren Podcast "Augsburg, meine Stadt" mit dem Strafverteidiger Walter Rubach an – unter anderem zu der Frage: "Warum verteidigen Sie Mörder und Sexualstraftäter?" Die Folge können Sie sich hier anhören:

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