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Interview: Insektensterben: Manche Käfer sind in der Region fast ausgestorben

Interview

Insektensterben: Manche Käfer sind in der Region fast ausgestorben

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    Der Maikäfer und viele große Laufkäferarten beispielsweise sind in der Region schon fast ausgestorben.
    Der Maikäfer und viele große Laufkäferarten beispielsweise sind in der Region schon fast ausgestorben. Foto: Patrick Seeger (dpa)

    Herr Kuhn, selbst Ende Oktober schwirren in Augsburg noch Stechmücken herum, wie passt das mit dem rapiden Schwund von Insekten in Deutschland zusammen?

    Kuhn: Ob es Mücken gibt, hängt vom Wetter ab. In den vergangenen Wochen war es noch schön und relativ mild. Mücken haben einen kurzen Entwicklungszyklus, brauchen nur kleine Pfützen und können sich schnell vermehren, da kann sich die Saison bei passender Witterung bis in den Herbst hinein verlängern.

    Forscher haben einen dramatischen Rückgang der geflügelten Insekten dokumentiert. In knapp 30 Jahren ist ihr Bestand in Deutschland um mehr als drei Viertel geschrumpft. Wie ist die Situation im Raum Augsburg?

    Kuhn: Auch hier nimmt vor allem die Masse stark ab, aber auch die Artenvielfalt. Das zeigen mir schon allein schon meine Beobachtungen als Naturforscher in den vergangenen 30 Jahren. Ein Beispiel: Früher musste man im Mai und Juni auf den Feldwegen mit dem Rad Slalom fahren, weil dort so viele Käfer krabbelten. Heute ist das nicht mehr der Fall.

    Maikäfer im Raum Augsburg fast ausgestorben

    Welche Insekten gehen besonders stark zurück?

    Kuhn: Besonders auffällig ist in Schwaben der Rückgang von großen Käfern, die einen langen Entwicklungszyklus haben. Sie nehmen überproportional ab. Der Maikäfer und viele große Laufkäferarten beispielsweise sind in der Region schon fast ausgestorben. Die genauen Gründe kennen wir bislang nicht, wir können nur spekulieren.

    Wenn es weniger Insekten gibt, gibt es auch weniger Nahrung für heimische Vögel. Welchen Trend stellen Sie fest?

    Kuhn: Die Nahrungskette bricht ab. Besonders betroffen sind Arten der offenen Feldflur, etwa Kiebitze oder Feldlerchen. Denn auch in der Region wurde sehr viel Grünland in Ackerflächen verwandelt. Wiesen werden so oft gemäht, dass die Vielfalt der Pflanzen dramatisch sinkt – und damit die Zahl der Insekten. Wir haben im Augsburger Raum schon Wiesen, die völlig frei von Heuschrecken sind. Das ist ein Alarmzeichen. Denn bei Heuschrecken gibt es viele Allerweltsarten, die keine großen Ansprüche an ihren Lebensraum haben. Insekten wie Heuschrecken sind Nahrung für den Kiebitz (hier mehr dazu). Eine Zählung der Kiebitze im Kreis Aichach-Friedberg ergab, dass diese Vogelart zwischen 1973 und 2010 um 40 Prozent abgenommen hat. Der Kiebitz ist dort vom Aussterben bedroht. Die Zählung wurde beim Naturwissenschaftlichen Verein veröffentlicht.

    Auf umweltfreundliche Produktion achten

    Wird die Entwicklung der Arten auch hier beobachtet und dokumentiert?

    Kuhn: Eigentlich ist es die gesetzliche Aufgabe des Landesamtes für Umwelt, regelmäßig Erhebungen zum Zustand der Arten in Bayern zu machen, denn dort werden auch die Roten Listen geführt. Beim aktuellen Personalstand im LfU ist das nach unserem Eindruck aber offenbar nicht zu leisten. Der Naturwissenschaftliche Verein versucht, die Lücken im Datenbestand mit eigenen ehrenamtlichen Zählungen zu füllen. Die Ergebnisse leiten wir ans Landesamt weiter. Aber der Aufwand ist für uns immens.

    Was können wir gegen den Insektenschwund tun?

    Kuhn: Wir brauchen vor allem eine andere Agrarpolitik, die mehr Lebensraum auch für Arten in der Agrarlandschaft lässt. Aber gerade auch wir Verbraucher sollten beim Einkauf von Lebensmitteln darauf schauen, dass sie umweltfreundlich produziert wurden.

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