Die neue Regierung von Oberbürgermeisterin Eva Weber steht noch nicht, da ist schon von ersten „Opfern“ die Rede. Thomas Weitzel, sagen Insider, sei eines. Vor sechs Jahren holte ihn die CSU als Kulturreferenten, nun muss er seinen Posten räumen. Er soll Platz machen für einen Experten, den die schwarz-grüne Regierung durch eine Ausschreibung finden will.
Für Weitzel dürfte dies ein Schlag ins Gesicht sein: Er hat Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte und Literaturwissenschaft studiert, er arbeitete als Musikdramaturg, leitete das Augsburger Kulturbüro und ist Präsident der Deutschen Mozartgesellschaft. Er sei, sagt ein Referentenkollege, „ein Mensch, der Kultur lebt, beruflich wie privat“. Ist er damit für die neue Regierung nicht Experte genug?
Vieles deutet darauf hin, dass es in Wirklichkeit einen anderen Grund für seine Ablösung gibt, die Suche nach einem „Experten“ aber als Begründung einfach besser klingt. Es scheint außerdem so, dass die Trennung von Weitzel keine Forderung der Grünen war, sondern dass die CSU sie mindestens ebenso stark befürwortete. Und das, obwohl sie den parteilosen Weitzel noch vor wenigen Monaten auf Platz neun ihrer Stadtratsliste gesetzt hatte.
In Weitzels sechs Jahre als Referent fallen einige positive Entwicklungen: Das Gaswerk-Areal wurde zum Kulturstandort – freilich mit Entwicklungspotenzial, aber noch steht man dort ja am Anfang. Auch wenn der Impuls nicht von ihm ausging, hat Weitzel wesentlich dazu beigetragen, dass Augsburg den Welterbetitel holen konnte. Im Bereich Erinnerungskultur hat er verhärtete Fronten aufgeweicht und mit allen Beteiligten einen Weg gefunden, wie man der Augsburger NS-Opfer gedenken will. Sein weitaus größter Verdienst dürfte jedoch die besonnene Organisation einer verfahrenen Theatersituation gewesen sein: Als das Große Haus geschlossen wurde, galt es, eine Sanierung in die Wege zu leiten und den Übergang zu managen. Weitzel tat dies nicht allein, doch seine Expertise als ehemaliger Theatermann und seine Art, Sachverhalte nüchtern abzuarbeiten, dürften hilfreich gewesen sein.
Was die Kritiker dem Augsburger Kulturreferenten vorwerfen
Am Ende blieb dem Kulturpolitiker, der nächste Woche seinen 55. Geburtstag feiert, genau deshalb aber kaum Zeit zu gestalten. Er entwickelte über das Theater hinaus kaum Visionen einer Kulturstadt Augsburg. Dies ist auch der größte Vorwurf seiner Kritiker: Weitzel, heißt es, habe nur verwaltet, nie gestaltet. Und er habe selten klare Entscheidungen getroffen, sondern immer versucht, alle Kulturschaffenden zufriedenzustellen. Am Ende seien so alle „am ausgestreckten Arm verhungert“.
Aus dieser großen Unzufriedenheit heraus fordert vor allem die freie Szene – selbstständige Theatermacher, Musiker und andere Künstler – schon lange, den Posten des Kulturreferenten auszuschreiben. Was dafür spricht, ist, dass ein neuer Mann oder eine neue Frau von außen unvoreingenommen an diese Aufgabe herangehen könnte, anstatt aufgrund jahrelanger persönlicher Verbindungen Vorlieben für die eine oder andere kulturelle Sparte entwickelt zu haben. Eines muss man aber ebenso deutlich sagen: In den vergangenen 25 Jahren konnte sich kein Kulturreferent länger als sechs Jahre halten. Immer war danach das Tischtuch mit vielen Kulturschaffenden dieser Stadt zerschnitten. Das Gefühl, zu kurz zu kommen, scheint in dieser Szene systemimmanent zu sein.
Interessant ist, wie es mit Thomas Weitzel beruflich weitergeht. Er könnte sich auf den Posten des Kulturreferenten bewerben. Seine Chancen dürften aus den genannten Gründen aber gering sein. Weitzel will nach eigener Auskunft nun prüfen, ob er eine Bewerbung abgeben muss, um sein Rückkehrrecht zur Stadtverwaltung nicht zu verwirken. Denn genau dies hat er als ehemaliger Leiter des Kulturbüros – und er will es auch wahrnehmen.
Fraglich ist, wohin Weitzel wechseln könnte. Sein einstiger Posten im Kulturbüro, dem heutigen Kulturamt, ist inzwischen durch Elke Seidel besetzt. Weitzel selbst hat diese Personalie mit verantwortet. Ein Posten, der eine direkte Zusammenarbeit mit dem neuen Kulturreferenten zur Folge hätte, ist aus zwischenmenschlichen Gründen kaum denkbar. Die neue Oberbürgermeisterin wird sich etwas einfallen lassen müssen, um Weitzel zu positionieren – auch wenn sie derzeit wohl selbst noch keine Idee hat, wo dies sein könnte.
Sein Stadtratsmandat kann der Kulturpolitiker nicht annehmen, sollte er als Mitarbeiter der Stadt weitermachen. Dies ist rechtlich nicht möglich. Nachrücker auf der Liste der CSU wäre dann Rolf Rieblinger, der bereits im Stadtrat sitzt. Wer Weitzel auf dem Sessel des Kulturreferenten beerben wird, ist dagegen offen. Bei Insidern fällt der Name von Horst Thieme, der sich mit der Organisation von Poetry Slams einen Namen gemacht hat. Davon abgesehen dürfte er dem Anforderungsprofil aber kaum entsprechen. Ein Grund: Dem Kulturreferat soll künftig der Sport zugeschlagen werden. Gefunden werden müsste also ein Experte, der beide Bereiche im Blick hat – mit allen anstehenden Sanierungen von Kultur- und Sportstätten, mit einer Kanu-WM 2021 und anderen Mammutaufgaben.
Kulturreferat Augsburg: Das Ressort Sport wurde abgetrennt
Zur Erinnerung: Peter Grab, damals noch Pro Augsburg, kämpfte in seiner Zeit als Kultur- und Sportreferent mit dem damit verbundenen, auch repräsentationsaufwendigen Arbeitspensum. Als Thomas Weitzel vor sechs Jahren antrat, wurde der Sport auch aus diesem Grund wieder vom Kulturreferat abgetrennt.
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