Nach der Messerstecherei Ende Februar im Reese-Park (Kriegshaber) möchte die Stadt die Lage dort gemeinsam mit Polizei, Streetworkern, Anwohnern und womöglich auch im Dialog mit Jugendlichen angehen. Grundsätzlich, so Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU), werde man sich in einer Stadt mit 300.000 Einwohnern verstärkt Gedanken darüber machen müssen, wie man mit Konflikten zwischen Bevölkerungsgruppen an Plätzen und in Parks umgeht. Am Oberhauser Bahnhofsvorplatz habe man mit einem breit angelegten Programm Erfolge erzielt – dies müsse auch für andere Orte in Augsburg möglich sein, so Pintsch. Die Polizei ist inzwischen mit verstärktem Aufgebot vor Ort, um das Sicherheitsgefühl zu stärken. Auch Streetworker werden dort künftig stärker vertreten sein. Ein umfassendes Konzept gibt es aber noch nicht.
Messer-Attacken in Augsburg: „Das Sicherheitsgefühl leidet deutlich“
Wie berichtet waren vor einigen Wochen drei Jugendliche im Zuge einer Auseinandersetzung zwischen Jugendgruppen mit einem Messer verletzt worden. Ein 21-Jähriger wurde inzwischen festgenommen. „Eine solche Tat reicht, dass die Leute verunsichert sind. Das Sicherheitsgefühl leidet deutlich“, so Tanja Bergmann, Leiterin der Polizeiinspektion 6 in Pfersee. Diese Woche war die Polizei mit den Bereitschaftskräften im Sheridan-Park (Pfersee) vor Ort, um Präsenz zu zeigen. Betrachte man die Statistik, sagt Bergmann, seien die Parks aber keine besonderen Brennpunkte, an denen man Angst haben müsse, sich aufzuhalten. Speziell der Sheridan-Park steche nicht hervor.
Bergmann zeichnet ein differenziertes Bild. Von „Gangs“ könne man nicht sprechen, aber es gebe zunehmend Gruppen von 30 bis 40 Jugendlichen, die Reviergehabe an den Tag legen. Häufig gehe es um Müll und Lärm. Das eigentliche Problem seien einige Jugendliche in den Gruppen, die man als Rädelsführer betrachte. „Das sind die, die für Straftaten in Frage kommen. Diese Köpfe muss man packen, dann kommt der Großteil der Mitläufer auch wieder auf das richtige Gleis“, so Bergmann. Man registriere durchaus Taten im Bereich von Drogen, Diebstahl oder Sachbeschädigung.
Aggression unter Jugendlichen: Teils sind auch Passanten betroffen
Auseinandersetzungen liefen meist zwischen den Gruppierungen ab, mitunter seien aber auch schon Passanten betroffen gewesen. Inzwischen kenne man die problematischen Jugendlichen. Die Corona-Pandemie, so Bergmann, habe die Lage verschärft. „Was sich sonst übers ganze Stadtgebiet verteilt hat, konzentriert sich ein Stück weit auf die Parks“, so Bergmann. Ausschließlich auf Repression zu setzen, würde aber nur zu Verlagerungseffekten führen.
Der Stadtjugendring will künftig verstärkt mit Streetworkern im Reese- und Sheridanpark unterwegs sein, sagt Geschäftsführer Helmut Jesske. Dies sei vor einigen Jahren schon auf dem Rathaus- und dem Elias-Holl-Platz praktiziert worden. Dafür werde man Kräfte zusammenziehen. „Wir wollen der Situation gerecht werden, weil die Jugendlichen eben nicht nur aus Pfersee und Kriegshaber, sondern aus dem ganzen Stadtgebiet und teils aus dem Landkreis kommen“, so Jesske. Ein zweiter Ansatzpunkt könne sein, Boxen mit Besen vor Ort zu deponieren, damit man die Jugendlichen anhalten könne, Scherben selbst wegzukehren. „Das hört sich banal an, ist aber wirkungsvoll.“
„Verlierer der Pandemie sind Kinder und Jugendliche“
Jesske wirbt ein Stück weit um Verständnis für Jugendliche. „Wenn jemand straffällig wird, muss er bestraft werden, das ist keine Frage. Aber Corona hat die Probleme verschärft. Die wahren Verlierer der Pandemie sind Kinder und Jugendliche“, so Jesske. Wenn eine fünfköpfige Familie in einer kleinen Wohnung lebe, sei es natürlich, dass Jugendlichen die Decke auf den Kopf falle. SJR-Streetworker Paul Waninger sagt, Jugendliche seien in den Lockdowns auf der Suche nach Plätzen, auf denen sie sich aufhalten können. „Es ist eine Herausforderung für die Stadtgesellschaft, Jugendlichen Freiräume zu schaffen.“ Die Parks seien für viele nur eine Notlösung, so Streetworker Christian Erdnüß von der Katholischen Jugendfürsorge. Womöglich müsse sich die Stadt Gedanken machen, in Parks abgegrenzte Angebote wie Bänke mit Tischen zu machen, um Jugendlichen einen Anlaufpunkt zu geben. „Man muss Raum schaffen, sonst nehmen sich Jugendlichen eben ihren Raum“, so Erdnüß. Im Sheridan-Park sei dies nahe der Schule zu beobachten, wo ein überdachter Radabstellplatz nahe einem Wohnhaus bei Regen zum Unterstand werde.
Ordnungsreferent Pintsch sagt, die Stadt müsse versuchen, solche Konflikte systematisch anzugehen. Er verstehe die Anwohner und Nutzer von Parks, die sich durch das Treiben der Jugendlichen verunsichert fühlen. „Man darf die Anwohnern nicht als diejenigen sehen, die bei jeder Kleinigkeit die Polizei rufen, sondern das sind Berufstätige, die ab 22 Uhr Ruhe haben wollen oder Eltern, die keine Glasscherben auf dem Spielplatz herumliegen haben möchten. Sicherheit ist ein Grundbedürfnis“. Die Stadt wolle die Konfliktbearbeitung künftig weiterentwickeln und zunächst das Augenmerk auf die Parks legen. „Es reicht nicht mehr, bei einem Konflikt mit den Anwohnern zu reden und halt das Streetwork dazu zu nehmen“, so Pintsch.
Augsburgs Ordnungsreferent setzt auf vielschichtige Lösungsansätze
Es werde künftig darum gehen müssen, alle Dimensionen eines Konflikts zu beleuchten und von verschiedenen Seiten mit Lösungsansätzen zu kommen. Das beginne beim Einsatz von Ordnungskräften, gehe über die Einbindung von Streetworkern und Anwohnern und ende bei der Frage, wie man Parks anlegen muss, damit dort Konflikte möglichst ausbleiben. Womöglich seien dafür auch mehr Geld und Personal nötig. Aktuell sind im Bereich der urbanen Konfliktbearbeitung bei der Stadt zwei Halbtagskräfte eingesetzt. Aufgrund von Erfahrungen aus anderen Städten und eigenen Einschätzungen sei pro öffentlichem Platz, für den ein Lösungsansatz erarbeitet und verfolgt wird, eine halbe Stelle nötig. Aktuell gibt es etwa zwölf konfliktträchtige Grünanlagen und Plätze, wobei die Probleme unterschiedlich stark ausgeprägt sind.
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