Nachdem die Stadt Augsburg in der Nacht auf Samstag das Wohn- und Geschäftshaus am Oberen Graben 8 wegen Zweifeln an der Standsicherheit kurzfristig räumen ließ und 26 Bewohner einer betreuten Wohneinrichtung ausquartierte (wir berichteten), liefen am Samstagmorgen die Ausräumarbeiten in den vier Geschäften im Erdgeschoss.
Einsturzgefahr in Augsburg: "Wissen momentan nicht, wie es weitergeht"
„Wir wissen momentan nicht, wie es weitergeht“, sagt Berndt Wagner vom Friseur „Haarscharf“. Er hat am Morgen schon etliche Termine mit Kunden abgesagt. Ein Teil seiner Belegschaft durfte samt Kunden in die Räume eines benachbarten Salons auf der anderen Straßenseite ausweichen. „Für diese Hilfsbereitschaft bin ich echt dankbar“, sagt Wagner. Ein anderer Teil der Belegschaft ist in den Surfwear-Laden von „Degree“ in der Altstadt ausgewichen, um dort Kundinnen die Haare für den Presseball am Samstagabend hochzustecken. Degree-Mitinhaber Wolfgang Schimpfle ist Wagners Schwiegersohn in spe. „Wir versuche, den Laden irgendwie am Laufen zu halten“, so Wagner.
Auch Renate Ammer vom benachbarten Juweliergeschäft hat die Schmuckstücke aus dem Schaufenster geräumt und Schmuck von Kunden, der zur Reparatur da war, zusammengepackt. „Eine Kundin hat ihre Sachen heute Morgen geholt - und ist dann schnell weg, als sie das von der Einsturzgefahr gehört hat“, sagt Ammer. Wie es weitergeht, ist auch ihr nicht klar. „Niemand kann uns sagen, wie lange wir ausquartiert sein werden.“ Möglicherweise werde sie sich bei einem längeren Ausfall nach einem Ersatzgeschäft umsehen müssen. Einstweilen leitet sie ihr Telefon aufs Handy um, um für die Kundschaft erreichbar zu sein. „Irgendwie muss es weitergehen.“
Wie inzwischen bekannt wurde, sind nicht alle 26 ausquartierten Bewohner des betreuten Wohnens in einem Hotel untergekommen. Ein Teil wurde von Angehörigen aufgenommen, die am Freitagabend kurzfristig erreichbar waren und genug Platz zu Hause haben. Elf Senioren wurden mit einem Bus der Feuerwehr ins Hotel gefahren. Fünf weitere kamen ins Servatiusstift.
Angehörige und Freunde können sich direkt am evakuierten Haus darüber informieren, welche Bewohner wo untergebracht wurden. Die Stadt hat einen Zettel am Klingelschild angebracht.
Stadt nimmt Stellung zur Gebäude-Räumung
Nach der eiligen Räumungsaktion des Gebäudes am Oberen Graben hat die Stadt Augsburg am Samstag die Evakuierung nochmal ausführlicher begründet. Es habe sich um eine „schwierige Entscheidung“ gehandelt, heißt es in einer Stellungnahme, die die Stadt am Samstagmittag via Facebook und WhatsApp verbreitete. Man habe auch erwogen, die Räumung des Gebäudes mit etwas mehr Vorlauf und nicht noch in der Nacht auf Samstag anzuordnen. Allerdings habe man ein längeres Zuwarten nicht für vertretbar gehalten. „Das wichtigste ist die Sicherheit der Menschen in unserer Stadt. Lieber präventiv mit Bedacht und Verantwortung gehandelt, auch wenn es für die betroffenen Menschen mit sehr vielen Unannehmlichkeiten verbunden ist“, heißt es in der Erklärung.
Laut Stadt hatte ein Statiker das Gebäude am Donnerstag begangen. Als er statische Probleme feststellte, seien diese sofort untersucht worden. Die Stadt bekam eine abschließende Beurteilung am Freitag vorgelegt, in der eine „unverzügliche Räumung“ empfohlen wurde. Sofort danach sei ein Krisenstab unter Leitung von Oberbürgermeister Kurt Gribl zusammengetreten.
Der Gutachter war zum Ergebnis gekommen, dass die Grundmauern des Hauses, dessen Außenwand zur Barfüßerkirche hin auch die Kanalwand des Stadtgraben bildet, unterspült sind. Ob ein Wassereintritt aus dem Lechkanal die Ursache für die Unterspülung ist, ist allerdings unklar. Das Gutachten geht davon aus, dass durch die Unterspülung tragende Wände plötzlich nachgeben könnten. Eine konkrete Einsturzgefahr fürs ganze Gebäude wird aber offenbar nicht gesehen.