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Fuggerei: Diese Fakten über Augsburgs Sozialsiedlung sollten Sie kennen

Fuggerei

Diese Fakten über Augsburgs Sozialsiedlung sollten Sie kennen

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    Die Augsburger Fuggerei ist die älteste Sozialsiedlung der Welt. 2021 feiert sie ihren 500. Geburtstag.
    Die Augsburger Fuggerei ist die älteste Sozialsiedlung der Welt. 2021 feiert sie ihren 500. Geburtstag. Foto: Annette Zoepf

    Sie ist die älteste Sozialsiedlung der Welt und wurde von Jakob Fugger dem Reichen gestiftet. Sie zählt zu den beliebtesten Sehenswürdigkeiten Augsburgs und ist Wohnraum für Bedürftige. Diese Fakten wissen viele über die Augsburger Fuggerei. Doch was gibt es sonst noch über diesen besonderen Ort mitten in der Stadt zu wissen? Zehn Fakten, mit denen Sie Ihre Kenntnisse erweitern können.

    Hieß die Sozialsiedlung schon immer Fuggerei?

    Nein. Als Jakob Fugger seine Stiftung ins Leben rief, nannte er die kleinen ockerfarbenen Gebäude "der armen Leute Häuser am Kappenzipfel". Dieser Name steht auch in der original Stiftungsurkunde, die normalerweise im Fugger-Archiv in Dillingen verwahrt ist, im Jubiläumsjahr aber für kurze Zeit im Augsburger Maximilianmuseum ausgestellt sein wird, weil es dort eine Sonderausstellung zur Fuggerei und zum Thema Stiften allgemein gibt. Relativ schnell bildet sich im Volksmund für die Fuggerei dann der bis heute gültige Name heraus. 1531 ist die "Fuckerey" laut Prof. Dietmar Schiersner, wissenschaftlicher Leiter des Fugger'schen Familien- und Stiftungsarchivs, erstmals belegt.

    Was steht eigentlich alles im Stiftungsbrief?

    Jakob Fugger stiftete am 23. August 1521 nicht nur die Fuggerei. Er sicherte im Stiftungsbrief auch den ewigen Fortbestand der Fuggerkapelle im Karmelitenkloster St. Anna juristisch ab. Fugger und seine Brüder Georg und Ulrich hatten mit den Karmeliten bereits 1509 einen Vertrag über den Bau dieser Grablege geschlossen, in der die Fugger ihre letzte Ruhe finden sollten. 1521 richtete Jakob Fugger schließlich eine rechtlich eigenständige Stiftung dafür ein. Seine beiden Brüder waren zu dieser Zeit bereits gestorben, den Stiftungsbrief unterschrieb Fugger auch in ihrem Namen. Die Urkunde von 1521 sicherte als dritten Bestandteil auch die Finanzierung einer Predigerstelle in St. Moritz. Die Fugger und die Kirchengemeinde hofften dadurch auf bessere Predigten.

    Die original Stiftungsurkunde von 1521 wird im Fugger-Archiv in Dillingen verwahrt. Im Museum in der Fuggerei gibt es eine Kopie.
    Die original Stiftungsurkunde von 1521 wird im Fugger-Archiv in Dillingen verwahrt. Im Museum in der Fuggerei gibt es eine Kopie. Foto: Annette Zoepf

    Wie läuft das mit der Miete der Bewohnerinnen und Bewohner?

    Die jährliche Kaltmiete für die Fuggerei beträgt 88 Cent, die Kosten für Heizung, Strom, Müllabfuhr und Telefon kommen hinzu - ebenso weitere 88 Cent für den Fuggerei-Pfarrer. Stifter Jakob Fugger hatte sich bereits 1516 mit dem Rat der Stadt Augsburg auf die Mietobergrenze von einem Rheinischen Gulden verständigt. Weil er dies auch für seine Erben so festlegte, ist die Miete bis heute gleich geblieben. Faktisch aber ist sie heute niedriger, als sie es im 16. Jahrhundert war: Ein Rheinischer Gulden entsprach damals dem Wochenlohn eines Handwerkers, der davon eine vier- bis fünfköpfige Familie zu ernähren hatte. Verglichen mit heute zahlen die Fuggerei-Bewohnerinnen und Bewohner also nur einen Bruchteil des damaligen Geldwerts. Eingezogen wird das Geld halbjährlich, im April und im Oktober. Ausnahme: Bei Bewohnerinnen und Bewohnern, deren Miete vom Jobcenter bezahlt wird, wird der Betrag monatlich abgerechnet, in Summen von je sieben Cent. Die Schnapszahl von 88 Cent entstand übrigens durch mehrere Währungsumstellungen: vom Gulden zur Goldmark, irgendwann zur D-Mark und schließlich zum Euro.

    Wie sind die Fuggerei-Wohnungen heutzutage ausgestattet?

    Beim Einzug neuer Bewohnerinnen und Bewohner sind die Wohnungen leer, die Menschen bringen ihre Möbel mit. Die Gestaltung ist ihnen freigestellt, und so leben manche eher in modernem, manche in gediegenerem Umfeld. Die Standardwohnung hat zwei Zimmer, Küche und Bad und - natürlich - Strom, fließend Wasser und einen Anschluss ans Fernwärmenetz der Stadt Augsburg. Bis in die 1970er-Jahre gab es keine eigenen Bäder in den Wohnungen, die Menschen wuschen sich im Badehaus der Fuggerei oder im nahe gelegenen Alten Stadtbad. Im Zuge von Renovierungen wurde der Standard sukzessive verbessert. Auch Wohnungsgrößen wurden angeglichen, sodass es nun auch Drei- und Vierzimmerappartements sowie Wohnungen mit nur einem Zimmer gibt. Die Wohnfläche liegt zwischen 30 und 140 Quadratmetern. In jedem Häuschen gibt es übrigens zwei Wohnungen: Die im Erdgeschoss verfügt über einen kleinen Garten, die im ersten Stock über einen Dachboden. Die Wohnungen eines Hauses sind komplett voneinander getrennt: Durch eine Türe kommt man in die untere, durch eine andere Haustüre über eine Treppe in die obere Wohnung. Vergeben werden die Einheiten nach Bedarf: Wird eine große Wohnung frei, geht sie nicht an einen einzelnen Bewerber oder eine einzelne Bewerberin, sondern an eine Familie.

    Ist die Fuggerei eine Siedlung für Alte und Alleinstehende?

    Zumindest heute ist sie das nicht mehr. Zwar ist der Großteil der Bewohnerinnen und Bewohner aktuell über 66 Jahre alt, es leben aber auch Babys, Kinder und Jugendliche sowie jüngere Erwachsene in der Sozialsiedlung. Ein Großteil der Bewohner ist alleinstehend, es gibt derzeit aber auch acht Familien und acht Paare. Früher waren die Aufnahmeregeln strenger: Noch vor dem Krieg musste der Haushaltsvorstand mindestens 50 Jahre alt sein, um in der Fuggerei eine Wohnung zugesprochen zu bekommen. Weil die Wartezeiten teils bei über 15 Jahren lagen, waren die meisten Bewohnerinnen und Bewohner beim Einzug aber oft schon im Rentenalter. Vor den 1950ern gab es ein weiteres Problem: Damals war die Aufnahme Paaren vorbehalten. Starb während der Wartezeit auf eine Fuggerei-Wohnung ein Partner, wurde dem Überlebenden die Aufnahme verweigert. Diese Regelung wurde 1952 aufgehoben. Lebte ein Paar bereits in der Sozialsiedlung und starb dann ein Partner, musste der oder die Hinterbliebene in eine kleinere Wohnung ziehen. 1956 entstand zu diesem Zweck der sogenannte Witwenbau mit sieben Einzelzimmern, Anfang der 60er ein zweiter mit acht Wohneinheiten.

    Die Gartengasse entstand erst nach dem Zweiten Weltkrieg, benannt ist sie nach der Grünanlage.
    Die Gartengasse entstand erst nach dem Zweiten Weltkrieg, benannt ist sie nach der Grünanlage. Foto: Annette Zoepf

    Saugasse, Ochsengasse, Gartengasse - was hat es mit den Straßennamen auf sich?

    Zumindest für einige Namen ist die Herkunft geklärt: Die Ochsen- und die Saugasse haben ihren von den Märkten für Schweine und Rinder, die in den Straßen vor den entsprechenden Fuggereitoren abgehalten wurden. Neben Ochsen aus der ungarischen Tiefebene waren einst auch Rinder aus dem Bayerischen und dem Böhmerwald für die Fleischversorgung Augsburgs von Bedeutung, die auf Märkten an speziellen Orten in der Stadt gehandelt wurden. Die Gartengasse und die Neue Gasse der Fuggerei entstanden im Rahmen des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg und erhielten ihre Namen einerseits wegen des Neubaus, andererseits wegen der nahe gelegenen Grünanlage. Mittlere und Hintere Gasse erhielten ihre Bezeichnung aufgrund der Lage innerhalb der Fuggerei, sie entstanden gemeinsam mit der Finsteren Gasse schon zu Jakob Fuggers Zeiten, während die Ochsengasse einst unter Anton Fugger als erste Erweiterung der Siedlung entstanden war.

    Die Fuggerei schließt um 22 Uhr. Darf dann keiner mehr rein oder raus?

    Doch, die Bewohnerinnen und Bewohner können sich völlig frei bewegen. Schlüssel zu den blau-gelben Toren, die die Fuggerei zum Rest der Stadt hin abschließen, haben sie allerdings nicht. Kommen sie nach 22 Uhr nach Hause, müssen sie zum Eingang Ochsengasse und dort an der Nachtklingel läuten. Dann öffnet ihnen der Nachtwächter gegen einen kleinen Obolus. Diese Aufgabe übernehmen die Bewohnerinnen und Bewohner selbst - im wöchentlichen Turnus. Der diensthabende Augsburger Allgemeinen abhängt. Wenn sie mit den neuesten Nachrichten kommen, öffnen die Tore wieder bis zum Abend.

    Dieses Tor ist der Eingang zur Ochsengasse und nach 22 Uhr der einzige Zugang zur Fuggerei. Wer nach Torschluss in die Siedlung will, muss beim Nachtwächter klingeln.
    Dieses Tor ist der Eingang zur Ochsengasse und nach 22 Uhr der einzige Zugang zur Fuggerei. Wer nach Torschluss in die Siedlung will, muss beim Nachtwächter klingeln. Foto: Annette Zoepf

    Einmal eingezogen, immer in der Fuggerei?

    Das Wohnrecht in der Sozialsiedlung gilt auf Lebenszeit, gedacht ist die Siedlung aber als Übergangslösung für ihre Bewohnerinnen und Bewohner sein, die dort wieder lernen können, auf eigenen Füßen zu stehen. Unterstützt werden sie unter anderem von Sozialpädagoginnen. Die durchschnittliche Wohndauer lag nach Statistiken der Jahre 1948 bis 2018 bei 13,9 Jahren, es gibt auch Mieter, die länger oder kürzer bleiben. "Die längste Wohndauer liegt derzeit bei 25 Jahren", sagt Stiftungsadministrator Wolf-Dietrich Graf von Hundt. Grundsätzlich gilt: Sobald keine Bedürftigkeit mehr gegeben ist, endet auch das Wohnrecht in der Fuggerei. Heiratet ein Bewohner oder eine Bewohnerin zum Beispiel einen Partner, der keine Berechtigung für die Fuggerei hat, muss er oder sie ausziehen. Auch gesundheitliche Gründe können Grund für einen Ortswechsel sein, denn die Menschen in der Siedlung sollten ein selbstständiges Leben führen können.

    Warum dürfen nur Katholiken einziehen?

    Der Glaube ist eine der Voraussetzungen, die Stifter Jakob Fugger für den Einzug in die Sozialsiedlung festlegte. Allerdings gab es zu seinen Lebzeiten nur die päpstliche Kirche, die Reformation war gerade erst im Aufschwung. Der Begriff "katholisch" wird erst seit dem Konzil von Trient, also seit Mitte des 16. Jahrhunderts, verwendet. Warum soll die Zugehörigkeit zum katholischen Glauben dann dem Wunsch des Stifters entsprechen? Erstens, weil Jakob Fugger sich nach historischen Belegen mehrfach gegen die Reformation, also den neuen Glauben ausgesprochen hatte und sich immer wieder "ganz wider die Lutherei" äußerte. Im Stifterbrief steht außerdem, dass die Bewohnerinnen und Bewohner täglich drei Gebete sprechen sollen, darunter das Ave Maria. Ein Gebet, das bis heute nur Katholiken sprechen. Übrigens: Jakob Fugger liegt in der Fuggerkapelle der Augsburger St.-Anna-Kirche begraben - einem evangelischen Gotteshaus, das bis heute die katholische Kapelle der Kaufmannsfamilie beherbergt.

    An vielen Häusern der Fuggerei gibt es noch Heiligenfiguren und Hausmadonnen, hier St. Florian.
    An vielen Häusern der Fuggerei gibt es noch Heiligenfiguren und Hausmadonnen, hier St. Florian. Foto: Annette Zoepf

    Was hat es mit den Hausmadonnen an den Fassaden der Fuggerei-Häuser auf sich?

    Früher gab es an vielen Häuserfassaden in Augsburg Hausmadonnen, also Schutzpatrone für Gebäude und Straßen. Die wenigsten davon haben sich jedoch erhalten. In der Fuggerei sieht das anders aus, dort gibt es die Figuren noch an vielen Häusern zu sehen. Die Figuren seien, so Fuggerei-Sprecherin Astrid Gabler, Mahner für ein gottgefälliges Leben.

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