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Fotografie: Das andere Gesicht des Gaswerks

Fotografie

Das andere Gesicht des Gaswerks

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    „Koche mit Gas“ steht auf dem kleinen Scheibengasbehälter. Sigrun Lenk fotografiert seit 14 Jahren auf dem Gaswerkareal.
    „Koche mit Gas“ steht auf dem kleinen Scheibengasbehälter. Sigrun Lenk fotografiert seit 14 Jahren auf dem Gaswerkareal.

    Plötzlich taucht ein Gesicht auf, wie von Geisterhand gemalt. Vorher war hier nur Wand, nur der Putz und die Farbe, alles in die Jahre gekommen, seit Jahren leer stehend, eine alte Industriehalle auf dem Gaswerkareal in Augsburg. Jetzt sind da zwei Augen, ist da ein Mund, der breit grinst. Und Sigrun Lenk weiß in dem Augenblick, dass sich der Tag gelohnt hat. Der Mund sind ein paar frisch gemauerte, unverputzte Ziegelsteine, die Augen Einsparungen an der Wand. Lenk nimmt ihre Kamera, sucht den richtigen Abstand, drückt ab. Volltreffer.

    Schon ein Berufsleben lang beschäftigt sich die 62-Jährige mit Architekturfotografie. Auf der einen Seite nimmt sie Aufträge von Architekten und Bauträgern an, auf der anderen verfolgt sie mit großer Hartnäckigkeit und Ausdauer eigene Projekte. Diese Seite steht hier im Mittelpunkt. Lenk begann nach ihrem Kommunikationsdesign-Studium in Augsburg mit der Fotografie. Schon immer hat sie sich besonders zu alten Industrieanlagen hingezogen gefühlt. In Augsburg waren das zum Beispiel das Bahnpark-Areal, das Textilviertel oder das Gelände des Gaswerks in Oberhausen.

    Fast 20 Jahre im Textilviertel fotografiert

    Lenk interessiert an diesen Flächen nicht nur der erste Augenblick, wenn sie alles neu entdeckt. Vielmehr möchte sie den Wandel festhalten. Im Textilviertel begann sie, 1999 die ersten Fotos zu machen. „Jetzt ist diese Serie zu Ende gegangen“, sagt sie. Fast 20 Jahre ist sie immer wieder mit der Kamera dort unterwegs gewesen und hat die Konversion, die Umwandlung des Industrieareals in ein Wohngebiet, begleitet.

    Seit 2004 fotografiert Lenk regelmäßig das Gaswerkareal in Oberhausen. Sie hat das Grenzenlos-Festival dort kommen und gehen gesehen. Gerade verfolgt sie, wie im Ofenhaus eine neue Spielstätte für das Staatstheater Augsburg entsteht. Den zur Renovierung eingepackten großen Gasbehälter hat sie aufgenommen: „Das hat etwas von Christo“, sagt Lenk. Und einen komplett eingestaubten Bagger, auf dem Bauarbeiter ein Herz hinterlassen haben. Dazu hat sie Innenaufnahmen des Ofenhauses gemacht, in denen der Bau wie eine Kathedrale wirkt.

    Die wichtigste Regel: Nichts verändern!

    Manchmal begegnen Lenk Kunstwerke auf der Baustelle. Kabbelrollen, die wie Augen ausschauen, Farbproben an der Wand, die wie ein abstraktes Kunstwerk aussehen, oder das eingangs beschriebene Gesicht. Diese Foto-Funde bereiten ihr große Freude. Wobei dabei wie in allen anderen Fällen für sie ihre erste und wichtigste Regel gilt: „Nichts verändern!“ Lenk will der Wirklichkeit nicht nachhelfen, in- dem sie sie für Aufnahmen zurechtstellt. Alle Dinge bleiben an ihrem Ort. Ihre Aufgabe ist es, den richtigen Punkt für das Foto zu finden. Und wenn es den nicht gibt, wird nicht fotografiert. „Ich mache eher wenig Bilder“, sagt sie. Blende, Belichtung und Schärfe stimmen meist schon bei der ersten Aufnahme. Und mit Photoshop wird im Anschluss auch nur spärlich gearbeitet.

    Im Grund interessiert sich Lenk in ihren Projekten für dreierlei. Sie hält den Wandel eines Gebiets fest, sie möchte die soziale Komponente und die Geschichte einfangen, am Ende findet sie noch Kunstwerke, die für sich und losgelöst vom Areal stehen können. Mit ihren Aufnahmen möchte sie Außenstehenden auch die Schönheit von Industriearealen näherbringen. Lenk glaubt, dass ihr die Begeisterung für das Thema in die Wiege gelegt worden sei. Sie ist an der Memminger Straße in Augsburg mitten in einem Gewerbegebiet aufgewachsen.

    Langweilig wird es Lenk in einer Stadt wie Augsburg nicht. Im Gegenteil. „Es verändert sich gerade so viel“, sagt Lenk. Da liegt die Gefahr eher darin, sich in zu vielen verschiedenen Projekten zu verzetteln.

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