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Augsburg: Elias-Holl-Platz: Anwohner fühlen sich von Jugendlichen terrorisiert

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Elias-Holl-Platz: Anwohner fühlen sich von Jugendlichen terrorisiert

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    Vor allem in den Abendstunden treffen sich zahlreiche Jugendliche auf dem Elias-Holl-Platz.
    Vor allem in den Abendstunden treffen sich zahlreiche Jugendliche auf dem Elias-Holl-Platz. Foto: Annette Zoepf

    Nach seiner Neugestaltung vor fünf Jahren hat die Stadt den malerischen Elias-Holl-Platz unterhalb des Rathauses als einen „Ort der Stille“ auserkoren. Etliche Anwohner empfinden das als Hohn. Einige fühlen sich von Jugend-Gruppen drangsaliert, die sich dort vor allem in den Abendstunden treffen. Dabei drehen sie nicht nur Musik laut auf. Zwei Anwohner erzählen, was sie erleben. Und die Polizei räumt ein: Der Elias-Holl-Platz ist ein neuer Brennpunkt geworden.

    Dabei hat sich das von offizieller Seite vor wenigen Wochen noch anders angehört. Als unsere Redaktion bei Stadt und Stadtjugendring nachfragte, wie der diesjährige Sommer auf den Innenstadtplätzen verlaufen sei, war der Tenor: Die Situation auf Rathausplatz und Elias-Holl-Platz hat sich entspannt. Die Polizei sprach von zehn aktenkundigen Fällen von Ruhestörungen. Als Zoran Kikic dies in unserer Zeitung liest, platzt ihm der Kragen.

    Anwohner wird auf Elias-Holl-Platz angegriffen

    Der Anwohner, der mit seiner Frau seit acht Jahren am Elias-Holl-Platz lebt, wendet sich an unsere Redaktion. Er und Jürgen Benthele, der mit seiner Familie ebenfalls dort wohnt, packen aus. Der Frust sitzt bei ihnen tief. Kikic erzählt, er werde sogar bedroht. Bis vor wenigen Monaten noch ging Zoran Kikic persönlich hinunter auf den Platz, wenn ihn mal wieder laute Musik oder Geschrei störten. Der 43-Jährige arbeitet viel von zu Hause aus. Inzwischen aber meidet er das direkte Gespräch. Er ruft lieber die Polizei. Zwei Mal schon sei er von jungen Männern angegriffen worden. Er schildert einen Vorfall.

    „Zwei Afrikaner, Anfang 20, hörten nachmittags laut Musik – über drei Stunden lang.“ Mit der Geduld irgendwann am Ende ging er zu ihnen. „Ich sagte guten Tag und dass die Musik zu laut ist.“ Die Lage eskalierte. „Einer stand auf und schubste mich über den Platz. Sie beschimpften mich. Erst als Leute vorbeikamen, ließen sie von mir ab.“ Der 52-jährige Nachbar Jürgen Benthele bestätigt, die Situation auf dem Elias-Holl-Platz sei aus dem Ruder gelaufen. „Das ist kein sozialkontrollierter Raum mehr.“ Beide berichten, dass sich an den Abenden im Sommer zum Teil bis zu hundert Jugendliche dort getroffen haben.

    Es werde nicht nur laute Musik gehört, sondern untereinander auch gestritten und geprügelt, Alkohol getrunken und bisweilen auch Drogen konsumiert. „Die Klostermauer von Maria Stern wird zum Urinal.“ Unter den jungen Leuten seien viele mit Migrationshintergrund. Oft schon hätten sie oder andere Anwohner die Polizei gerufen. Und wie schätzt diese die Situation ein?

    Hier hat ein Anwohner ein paar Szenen auf dem Elias-Holl-Platz gefilmt

    „Insgesamt sind die Einsätze auf Innenstadtplätzen rückläufig. Nur am Elias-Holl-Platz gibt es in diesem Jahr eine Steigerung von 30 Prozent“, sagt Polizeisprecher Thomas Rieger. Das habe man nun in einer Bilanz festgestellt. 84 Mal seien seine Kollegen von Anfang Mai bis Anfang September zum Elias-Holl-Platz ausgerückt. Dabei gehe es vor allem um Ordnungsstörungen. Rieger bestätigt, dass die meisten Verursacher Jugendliche oder junge Erwachsene mit Migrationshintergrund sind. „Straftaten, wie Sachbeschädigung, Körperverletzung oder Drogenkonsum, spielen eine untergeordnete Rolle. Meist geht es um Lärm und Streitereien.“

    Der Polizeibeamte kann erklären, warum sich die Situation auf dem Altstadt-Platz in diesem Jahr zugespitzt hat. Weil bislang der Königsplatz der Brennpunkt war, hatte die Polizei dort ihre Präsenz intensiviert. „Es kam zu einem Verdrängungseffekt“, so Rieger. „Die Jugendlichen mit Migrationshintergrund, die wir vorher am Kö mit Alkohol angetroffen haben, halten sich jetzt auf dem Elias-Holl-Platz auf.“ Zum Teil kämen sie sogar aus dem Umland zu dem Platz, an dem Bänke, Treppenstufen und neue Sitzmöbel zum Verweilen einladen. Die Anwohner Kikic und Benthele sagen, dass diese Gruppen über ihr Leben bestimmen. „Das ist absurd.“

    Jugendliche wechselten vom Kö zum Elias-Holl-Platz

    Bentheles etwa haben sich Klimageräte gekauft. Damit sie die Fenster wegen des Lärms geschlossen halten können. An Schlaf wäre sonst nicht zu denken. Zoran Kikic fährt mittlerweile oft nach München ins Büro. Er müsste es nicht. Doch dort kann der Softwareentwickler ungestörter arbeiten. Manchmal versuchen er und seine Frau, sich herauszuschleichen, wenn sie vom Fenster aus sehen, was unten los ist. Denn Kikic ist bei den Jugendlichen inzwischen als der Mann bekannt, der die Polizei ruft. Das zeigt ein Vorfall im Sommer.

    Vor rund fünf Jahren wurde der Elias-Holl-Platz neu gestaltet. Er ist eigentlich ein idyllischer Ort in der Altstadt.
    Vor rund fünf Jahren wurde der Elias-Holl-Platz neu gestaltet. Er ist eigentlich ein idyllischer Ort in der Altstadt. Foto: Silvio Wyszengrad

    Es passierte beim Festival „La Strada“ auf dem Rathausplatz. Die Kikics schauten sich die Künstler auf der Bühne an. „Plötzlich kamen sechs junge Männer auf uns zu“, erzählt er. „Sie waren angetrunken. Einer schrie mich in gebrochenem Deutsch an, ich hätte ein Problem mit Ausländern.“ Sie hätten ihn angegriffen und beschimpft. „Meine Frau stand wie versteinert da“, erinnert er sich. Erst als Umstehende aufmerksam wurden, seien die Männer gegangen. Kikic und seine Frau haben seitdem kein gutes Gefühl mehr. Sie verlassen nur noch getrennt ihre Wohnung am Elias-Holl-Platz, weil die Jugendlichen ihn kennen und er verhindern will, dass sie seine Frau mit ihm in Verbindung bringen. Die Anwohner wissen nicht mehr weiter.

    Die Anwohner sind mit ihrem Rat am Ende

    Sie fühlen sich alleine gelassen. „Es kann nicht sein, dass der Alltag der Bürger von solchen Gruppen beeinflusst wird“, sagt Polizeisprecher Rieger. Darum wolle die Polizei mit dem Ordnungsamt über ein Konzept für den Platz sprechen. Auch Ordnungsreferent Dirk Wurm (SPD) sagt, man müsse sich für nächstes Frühjahr so aufstellen, dass man die Lage in den Griff bekommt. Die Anwohner sollten sich nicht gestört fühlen. Gleichwohl betont er auch, dass der Ordnungsdienst an 210 Tagen insgesamt 280 Kontrollen durchgeführt habe. „Es ist nicht so, dass wir nicht präsent wären.“ Die Anwohner hoffen, dass etwas passiert. Kikic und seine Frau erwägen, sonst auszuziehen. So wie es laut seinen Erzählungen auch schon andere getan haben. Sie sind nur Mieter. Benthele dagegen lebt in dem Haus, das schon seinem Urgroßvater gehörte. Es ist jetzt seines. „Die Fassade müsste längst neu gemacht werden. Aber so lange die Situation so bleibt, mache ich nichts.“

    Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Elias-Holl-Platz: Nur Kontrollen bringen nichts

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