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Die Spinner und Weber von Haunstetten
Der jetzt von der Lechstaustufe 22 ausgeleitete Lochbach trug abschnittsweise verschiedene Namen. Als im Nordosten von Haunstetten 1731 eine Papiermühle gebaut wurde, lag sie am Haunstetter Mühlbach oder Brunnenlech. So hieß der schon im 16. Jahrhundert am "Loch" oberhalb von Haunstetten aus dem Lech ausgeleitete Lochbach auf einem Teil seines Laufs. Er war einst ein Quellbach, den wiederum andere Quellbäche speisten.
1833 brannte die Papiermühle ab, wurde aber sofort wieder aufgebaut. 1856 löste sie eine Baumwoll-Weberei ab. Eine von Carl Buz gegründete Aktiengesellschaft mit 300 000 Gulden Anfangskapital erstellte die Fabrik, die mit 300 Webstühlen, drei Meistern und 180 Arbeitern den Betrieb aufnahm. Sie produzierten im Jahr rund 2,5 Millionen Meter Druckkattune. 1864 konnten weitere 200 Webstühle installiert und die Arbeiterzahl auf 264 gesteigert werden. Die Expansion ging weiter: 1868 arbeiteten bereits 320 Leute an 600 Webmaschinen. 1873 erfolgte bereits die nächste Vergrößerung und Modernisierung.
1888 wurde der Weberei eine Spinnerei angegliedert, die 1891 die Produktion aufnahm. Eine dreizylindrige Dampfmaschine mit 850 PS, eine kleinere zweizylindrige (120 PS) als Reserve sowie eine neue Wasserturbine lieferten die Antriebskräfte für die nun 30 000 Spindeln und 750 Webstühle. Im Jahre 1892 arbeiteten in der nunmehrigen "Haunstetter Spinnerei und Weberei" 277 Frauen, 312 Männer, 44 weibliche und 37 männliche Jugendliche. Sie sponnen im Jahr 633 000 Kilogramm Garne und woben 62 244 Tücher à 100 Meter Länge.
Als während des Ersten Weltkriegs die importierte Baumwolle ausblieb, mietete sich in der Weberei eine Pfälzer Firma ein, die darin Zigarren für die Wehrmacht fertigen ließ. Der Zweite Weltkrieg hatte schlimmere Auswirkungen: Die großteils von den benachbarten Messerschmittwerken in Beschlag genommene Fabrikanlage erlitt schwere Schäden bei den wiederholten Luftangriffen auf die Flugzeugwerke und den Flugplatz.
Seit 1935 gehörte die später in "Haunstetten-Textil GmbH" umbenannte Spinnerei und Weberei zum Textilkonzern Dierig. Das Werk an der Fabrikstraße 9 (die seit 1973 Textilstraße heißt) erlebte erfolgreiche Nachkriegsjahre mit wirtschaftlicher Blüte. Ende der 1960er Jahre folgte ein allmähliches Zurückfahren der Produktion. Dann kam das große "Plattmachen" der Augsburger Textilfabriken. In Haunstetten dauerte es etwas länger. Als auch für dieses Werk Stilllegungsgerüchte auftauchten, wurden diese noch im Sommer 1981 dementiert. Doch bereits im Januar 1982 folgte die Schließung des Werkes. 230 Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz.
Ende 1992 kauften die Stadtwerke Augsburg zum Preis von 6,8 Millionen Euro das rund 57 000 Quadratmeter große Firmenareal mit allen noch stehenden Gebäuden - außer dem Kleinkraftwerk über dem Lochbach. Es ging in Privathand über. Am 31. Dezember 1992 war die Besitzübertragung für das Dierig-Werk. 1996/97 erfolgte die totale Räumung des Fabrikgeländes. Abbruch und Entsorgung kosteten weitere 2,5 Millionen Euro. Heute erinnert am Ende der Textilstraße neben einer Schranke nur mehr eine kleine, von üppig wucherndem Grün umrankte Tafel daran, dass man von hier aus auf eine Fabrik, statt in ein Parkgelände blickte.
Der Grund für die hohen Investitionen der Stadtwerke: Das nunmehrige nach streng ökologischen Gesichtspunkten bewirtschaftete einstige Fabrikareal liegt am Rande der engeren Zone des Trinkwasserschutzgebietes. Nur zwei bis drei Meter unter der Grasnarbe fließt hier das Grundwasser. Zwischen den Bäumen taucht das Kraftwerk über dem Lochbach auf. Es durfte als einziges Bauwerk überleben.
Mit den Bächen ist die Geschichte dieses Areals untrennbar verbunden. Ihr Wasser war für die Ansiedlung der Papierfabrik anno 1731 ausschlaggebend. Zwei Wasserräder trieben ursprünglich die Stampfen und Rührwerke an, ein drittes durfte der Papierfabrikant Joseph Lauter nach dem Brand von 1833 einhängen. Allein die im Wasser steckende Energie war auch der Grund, warum 1856 weitab von Augsburg am Rand des Dorfes Haunstetten eine mechanische Weberei die Papiermühle ablöste. Die Antriebskräfte übertrugen Transmissionen direkt auf die Webmaschinen. Wann die Turbine von der "Königswelle" abgekoppelt und stattdessen ein Strom-Generator darangehängt wurde, ist bislang nicht bekannt.
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