So kontrovers die Theatersanierung noch vor vier Jahren diskutiert wurde, so einig waren sich die Fraktionen im Stadtrat diese Woche: Das Millionenprojekt muss realisiert werden – und zwar so, dass am Kennedyplatz am Ende ein funktionsfähiges Theater steht.
Na bravo, könnte man sagen und verwundert den Kopf schütteln. Denn alles andere wäre auch irgendwie absurd. Die Sanierung wurde ja genau deshalb angegangen, weil das Theater nur noch dank zahlreicher schlechter Kompromisse funktionierte, die vor allem die miserablen Arbeitsbedingungen der über 300 Theaterangestellten betrafen. Das Gesamtprojekt jetzt wieder komplett neu aufzurollen, würde heißen, alles auf Anfang zu stellen und die Ausgaben für die Vorplanungen einfach abzuschreiben.
Ein indirektes Ja zu weiteren Kostensteigerungen
Die Forderung der Stadträte nach einem funktionsfähigen Theater klingt zunächst lapidar. In Wirklichkeit aber ist sie ein verklausuliertes Ja auch zu weiteren Kostsensteigerungen. Denn selbst wenn es neue Ursachen für höhere Ausgaben geben wird, man wird diese Mehrkosten nicht länger auffangen können, indem man an der ursprünglichen Planung spart. Sonst entstünde doch ein Theater, das seine Funktionsfähigkeit eingebüßt hat.
Vor diesem Hintergrund ist auch die erneute Forderung der SPD nur ein politisches, offenbar dem Wahlkampf geschuldetes Feigenblatt: Indem die Sozialdemokraten auf der Einhaltung des 186-Millionen-Kostendeckels bestehen, führen sie ihre gleichzeitige Forderung nach einem gut laufenden Theater ad absurdum.
Es war zu erwarten, dass der Stadtrat diese Woche weitgehend auf Schuldzuweisungen verzichtet. Denn letztlich hätten die Politiker dabei auch auf sich selbst zeigen müssen. Bis auf sieben Stadträte hatten im Juli 2016 alle für die Generalsanierung gestimmt. Sie hatten sich damals auch darauf geeinigt, die Kosten auf 186 Millionen zuzüglich der Preissteigerung bei den Baukosten zu deckeln.
Theater Augsburg: Wo es in der Vergangenheit Fehler gab
Will man nach Fehlern suchen, hat man sie hier gefunden: Es war naiv zu glauben, ein Bauprojekt in dieser Größenordnung könne ohne Probleme – und damit auch Mehrkosten – durchgezogen werden. Dass es teurer wird, zeichnete sich schon bald ab: Obwohl der Umbau beim Großen Haus noch gar nicht begonnen hat, ist der Kostenpuffer von 25 Millionen Euro bereits aufgebraucht. Auch Theaterarchitekt Walter Achatz hätte sich auf diesen Kostendeckel nicht ohne laute Warnung einlassen dürfen. Er hat genug (auch leidvolle) Erfahrung mit Theaterbauten und hätte die Lage realistischer sehen müssen.
Wie kann es nun weitergehen? Mit dem zweiten Ja zur Gesamtsanierung sind einige Entscheidungsmöglichkeiten bereits vom Tisch. Zum Beispiel eine Idee, die man zuletzt auch von Stadtpolitikern hörte: Lasst uns auf den Neubau hinter dem Theater verzichten und stattdessen die Brechtbühne im Gaswerk Oberhausen für immer zur zweiten Spielstätte machen. Zu einem Zeitpunkt X wäre dies durchaus machbar gewesen, doch die Idee einer dezentralen Lösung für die zwei Bühnen wurde damals abgelehnt. Die aktuelle Planung sieht das Große Haus nun als reine Spielstätte vor – ohne Probebühnen, Werkstätten, Lager. Es braucht damit den Neubau, um zu funktionieren. Wollte man davon abweichen, begönne alles von vorne.
Später zu bauen wäre eine Notlösung
Auch der Vorschlag, die zweite Spielstätte erst in 10, 20 Jahren zu bauen, wäre eine Notlösung, denn es würden ebenfalls Synergien zwischen beiden Bühnen sowie dem Neubau verloren gehen; ganz abgesehen davon, dass der Neubau in einigen Jahren mindestens doppelt so teuer käme. Und aus einem anderen Grund wird man auf manche Bestandteile des Neubaus nicht verzichten können: Um bei den Bürgern für die hohen Investitionen in den Theaterumbau zu werben, gab es Versprechungen, die zu halten sind. Das Theater werde sich stärker öffnen, ein Ort der Begegnung sein und die zweite Bühne auch freien Theatergruppen zur Verfügung stellen. Deshalb soll es am Kennedyplatz nicht nur ein zweite, kleinere Schauspielbühne, sondern einen Multifunktionssaal geben.
Sechs bis neun Monate hat sich die Stadtregierung gegeben, um die Pläne für den Neubau detaillierter auszuarbeiten und die Kosten zu ermitteln. Aus Sicht der Stadtregierung ein kluger Schachzug, denn aus dem Wahlkampf ist das Thema damit draußen und die aktuelle Kostenmehrung bestenfalls aus den Köpfen der Wähler. Doch wer auch immer ab Mai 2020 in der Verantwortung steht: Es wird mit der künftigen Kostenentwicklung zurechtkommen und sie ehrlich kommunizieren müssen. Fragen stellen sich viele. Wie sehr könnten sich Preissteigerungen im Bausektor schlimmstenfalls auswirken? Welche Ausgaben müssen für Archäologie, Schuldentilgung und andere Themen eingerechnet werden? Was passiert, wenn der Kostendeckel erneut gesprengt wird? Wie weit könnte sich die Stadt finanziell überhaupt aus dem Fenster lehnen?
Was kann der Freistaat Bayern tun?
Hier kommt noch ein Aspekt ins Spiel: Auch wenn die Stadt für Sanierung und Bauunterhalt des Theaters zuständig ist, sie baut das Theater nicht mehr allein „für sich“. Seit dieser Spielzeit ist das ehemalige Stadt- ein Staatstheater, der Freistaat damit ebenso Träger wie die Kommune. Der Landesregierung wird daran gelegen sein, in Augsburg ein funktionsfähiges Theater zu bekommen. Ihre Zusages, sich an den Sanierungskosten zu beteiligen, steht. Eventuell gibt es aber eine Chance, noch einmal nachzuverhandeln. Denn je nachdem, wie sich die Kosten entwickeln, wird die Stadt bald an ihre finanziellen Grenzen gelangen.
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