Hermann Köhlers letztes Jahr als Schulreferent könnte besser laufen: Der 66-Jährige, der sein Referat seit 2008 umsichtig leitet, ist zuletzt mehrfach in die Kritik geraten: Erst ließ er die Leitung der Werner-Egk-Schule mit ihrer Entscheidung über eine Umbenennung allein, anstatt sie durch den Prozess zu begleiten. Nun, kurz später, kassiert er wieder Schelte, weil er die Sanierung des Holbein-Gymnasiums auf unbestimmte Zeit verschieben will.
In beiden Fällen sind dem erfahrenen Politiker und Verwaltungsmann Kommunikationsfehler unterlaufen. Den „Fall Werner Egk“ wollte er im Stillen geklärt haben – und provozierte damit umso mehr Widerstand und öffentliche Diskussionen. Die gestrichene Holbein-Sanierung wiederum nahm er auf die Tagesordnung des Ausschusses, ohne vorher die Schulleitung zu informieren. Dabei hätte er wissen müssen, dass er so den Unmut von Lehrern und Eltern heraufbeschwört. Sie sind sauer auf „ihren“ Referenten. Zurecht!
Betroffene schauen genau, wofür die Stadt Augsburg Geld ausgibt
Marode Schulen sind in Augsburg ein Dauerthema. Wenn Klassenräume und Turnhallen nicht mehr genutzt werden können, wenn bei Regen Eimer aufgestellt werden müssen, weil das Dach undicht ist, dann sorgt das für Unmut. Marode Schulen führen auch dazu, dass Schüler, Lehrer und Eltern noch genauer darauf sehen, wofür die Stadt ihr Geld anderswo ausgibt. Nicht umsonst präsentierten Freistaat und Stadt ihr 300 Millionen Euro schweres Schulsanierungsprogramm im Jahr 2015 gleichzeitig mit der Zusage einer Millionenförderung für die Theater-Sanierung. Eine Neiddebatte sollte vermieden, die hohen Ausgaben fürs Theater akzeptabler für alle Bürger gemacht werden. Gelungen ist das bis heute nicht.
Vier Jahre später ist auch klar: Die 300 Millionen Euro für die Instandsetzung der 70 Schulen in 120 Gebäuden werden nicht reichen. Ein Grund ist der Brandschutz: Bislang kalkulierte die Stadt rund 25 Prozent der Gesamtkosten eines Bauprojektes dafür ein, durch höhere Auflagen sind die Ausgaben inzwischen auf bis zu 40 Prozent gestiegen. Beim Peutinger werden allein für den Brandschutz 3,7 Millionen fällig, in den Komplex FOS/BOS fließen insgesamt 75 Millionen Euro. Auslöser der Sanierung ist auch hier der Brandschutz.
Ein zweites Problem ist, dass die meisten Augsburger Schulgebäude alt sind und die Stadt über Jahrzehnte nur das Nötigste investierte. Der Sanierungsstau macht sich nicht nur an schimmligen Wänden und undichten Dächern bemerkbar. Eine weitere, gefährlichere Folge ist, dass die Elektrik in vielen Häusern überaltert und damit unsicher geworden ist. Dass sie den Herausforderungen an eine digitale Schule nicht mehr gewachsen ist, ist nochmals ein anderer Aspekt.
Die Stadt Augsburg ist zur Getriebenen geworden
Die Stadt ist bei der Instandhaltung ihrer Schulen zur Getriebenen geworden, die Verschiebung der Holbein-Sanierung verfestigt diesen Eindruck: Augsburgs größtes Gymnasium muss in die Warteschleife, weil andere Schulbaustellen teurer werden. Die ursprüngliche Idee, ein Gebäude nach dem anderen auf Vordermann zu bringen, um dann einen Haken setzen zu können, lässt sich nicht mehr verwirklichen. Die Folge ist die Fortsetzung einer jahrzehntelangen Flickschusterei. Wohin dies beim Theater führte, ist bekannt: Eine vorzeitige Schließung samt Kostenexplosion.
Die Schulen, die vom Stadtrat bereits eine Sanierung abgesegnet bekamen, dürfen sich nach dieser Woche zurecht fragen, ob sie sich auf den politischen Beschluss noch verlassen können. Diese Unsicherheit ist weder Lehrern noch Schülern oder Eltern zuzumuten, die Stadt ist zum Handeln gezwungen.
Der Stadtrat sollte in einer seiner nächsten Sitzungen eine Prioritätenliste vorlegen: Welche Sanierungen sind am dringendsten, welche können warten? Was ist bis zum Ablauf des 300-Millionen-Programms Ende 2030 finanziell überhaupt darstellbar? Ist es denkbar, mit dem Freistaat ein zweites großes Sanierungspaket für die Schulen aufzulegen?
Danach müssen Augsburgs Politiker ein klares Bekenntnis ablegen: Wie wichtig ist ihnen die Sanierung der Schulen und welchen Preis sind sie bereit, dafür zu zahlen? Aufgrund des hohen Schuldenstandes in Augsburg wird eine umfassende Sanierung des Schulstandortes nicht ohne Einschnitte an anderer Stelle zu machen sein.
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